Von Bademägden, Hübschlerinnen und und anderen Freudenmädchen

Olaf Link – „Kleine Geschichte(n) der Prostitution im alten Wien“

von Frank Becker

Von Bademägden, Hübschlerinnen
und anderen Freudenmädchen
 
Die käufliche Liebe im alten Wien
 
Von den Konzilen bis zum Wiener Kongreß – ohne Prostituierte wäre es nicht nur in Wien nur halb so unterhaltsam gewesen. Mal geduldet, mal selbst zu Hochzeitsfeiern eingeladen, meist aber verfolgt, bestraft, sogar verbrannt oder lebendig begraben – die wechselvolle Geschichte der Huren von Wien ist ein äußerst interessantes Thema, dem sich Olaf Link in einem schmalen, nichtsdestoweniger spannenden Bändchen gewidmet hat: „Kleine Geschichte(n) der Prostitution im alten Wien“. Sie sehen schon an der Klammer im Titel, daß neben gut recherchierten Fakten auch allerlei Intimitäten und Pikanterien der Wiener Gesellschaft aus tausend Jahren ausgeplaudert werden. Und tatsächlich spielen vor allem gekrönte Häupter, der Adel schlechthin und der bekannt lüsterne Klerus, also in Summe die bigotten Promiskuitiven der pseudochristlichen Welt, bei allem, was den Liebesdienerinnen Wiens seit den ersten urkundlichen Erwähnungen im 12. Jahrhundert widerfuhr, eine wesentliche Rolle. Der durch seine sexuellen Ausschweifungen und Onkel-/ Vettern-Ehen ausgelaugte und teils degenerierte Adel konnte solche Ausflüge recht gut gebrauchen, wobei die höfischen Kurtisanen eine ganz eigene Rolle spielten.
  
Was sich einst innerhalb der Stadtmauern Wiens oder in Gumpendorf, Grinzing, Döbling und in der Josefstadt, in Badestuben und zwielichtigen Schenken, in Beichtstühlen und diskreten Hotels, in Pferdekutschen und in den Gebüschen des Praters zutrug, wird von Olaf Link ebenso beschrieben wie die verlogene Doppelmoral des Adels der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Nur mit wenigen allzu katholischen Ausnahmen frequentierten die Babenberger und Habsburger nur zu gern das horizontale Gewerbe, was zu einer Vielzahl illegitimer „Ableger“ führte. Hatte Maria-Theresia noch eine Keuschheitskommission einberufen, gab ihr Sohn Joseph II. den Liebesdienerinnen wieder ihre Freiheit zurück. Zu seiner Zeit waren 8% der weiblichen Bevölkerung Wiens Huren. Im frühen 19. Jahrhundert wurden derer beachtliche 20.000 amtlich erfaßt. Weder die amtliche Stigmatisierung der Dirnen, Hübschlerinnen, Trumpelmetzen, Reiberinnen durch ein gelbes Schultertuch, ihre Einweisung in Arbeitshäuser und Erziehungsanstalten, ihre Beschuldigung, für die mehrfach in Wien aufgetretene Pest, noch ihre Verbannung ins Banat (wo es ganze Ortschaften wie das heutige rumänische Temesvar gab, die von Huren und Gaunern bewohnt waren) konnten die Prostitution aus Wien entfernen. Zu begehrt waren ihre Liebesdienste. Sogar eine gewisse soziale Anerkennung konnten sie zeitweilig erwerben; so wurden sie zu Hochzeiten eingeladen, weil ihre Anwesenheit angeblich die Fruchtbarkeit der Braut beförderte, und wer eine Dirne heiratete, die ihrer Profession abgeschworen hatte, konnte auf Papst Innozenz berufen, der das ausdrücklich gebilligt hatte. Es war auch nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, wer auf den Strich ging, bzw. im Frauenhaus (wie das Bordell später hieß) arbeitete, denn der Kennzeichnung entzogen sich viele, die sich als Kellnerinnen, Tänzerinnen oder Schauspielerinnen betätigten und das „Gewerbe“ im Verdeckten betrieben.
 
Das Auftreten der möglicherweise im 18. Jahrhundert aus Italien eingeschleppten Syphilis und ihre massive Verbreitung im 19. Jahrhundert führten zu einer Wende im hygienischen Denken, was Dirnen einer staatlichen Gesundheitskontrolle unterwarf. Im Zusammenhang Namen wie Franz Schubert und Wolfgang Amadeus Mozart zu erwähnen ist nicht abwegig. Auch der Walzerkönig Joseph Lanner spielte in Bordellen zum Tanz auf. Auch nahm im 19. Jahrhundert die Kriminalität in Form von Gewalt, ja zahlreichen Morden an Prostituierten  erschreckend zu. Wien wurde zum Drehpunkt des internationalen Mädchenhandels.
Olaf Link erzählt die Geschichte der Prostitution im alten Wien informativ und unterhaltsam mit leichter Hand. Zur Lektüre sehr zu empfehlen.
 
Olaf Link – „Kleine Geschichte(n) der Prostitution im alten Wien“
© 2021 Königshausen & Neumann, 102 Seiten, Broschur  -  ISBN: 978-3-8260-7411-0
14,- €

Weitere Informationen: www.verlag-koenigshausen-neumann.de