Das Spektrum menschlichen Beieinanders

Jean-Jacques Sempé – „Hin und weg“

von Frank Becker

Das gesamte Spektrum
menschlichen Beieinanders
 
Sempés Blick aufs Alltägliche
und Menschliche
 
Jean-Jacques Sempé ist der Philosoph unter den Zeichnern, ein Philanthrop von außerordentlicher Liebenswürdigkeit und ein Cartoonist großem menschlichem Format.
Er ist ein Meister darin, mit leichtem, wenn auch präzisem Strich und zarter Kolorierung, bzw. akzentuiertem s/w in einzigartiger Manier Stimmungen einzufangen – ein Könner mit dem Stift, der Feder, dem Aquarell-Pinsel. Kaum einer vermag die Lebensart seiner Landsleute so einfühlsam, liebenswert und augenzwinkernd einzufangen wie er. Und er ist ungemein produktiv. Über viele seiner bei Diogenes erschienenen Bildbände haben wir an dieser Stelle schon voller Begeisterung berichten können.
 
Geboren am 17. August 1932 in Bordeaux ist der nun 89jährige Künstler von ungebrochenem Ideenreichtum und andauernder Schaffenskraft. Zum Beweis legt der Diogenes Verlag unter dem Titel „Hin und weg“ aktuell einen überwiegend in Schwarz/Weiß-Tönen gehaltenen opulenten großformatigen Sammelband vor, der wie so oft bei ihm das gesamte Spektrum menschlichen Beieinanders und individueller Schicksale umfaßt. Junge Liebende, charmante alte Damen, Seeelenklempner und Patienten, Literaten und Künstler, Nachbarinnen und Naturfreundinnen, Galeristen und Gläubige, schlitzohrige Geschäftsleute, Konversationen und ein paar Engel hat Sempé für diesen köstlichen Band ganz- oder doppelseitig in den Blick genommen.
 
 
© Sempé

Es ist ein Buch zum Wiedererkennen seiner selbst im Alltäglichen, ein Buch zum  Schmunzeln, denn Sempé bleibt auch beim pointiertesten Sujet mit höflicher Distanz vornehm, seine geschliffene Ironie dennoch sanft. Der laute Lacher ist ihm fremd. Es braucht mitunter nur einen etwas mißtrauischen Seitenblick, wie den der Patientin auf der Therapie-Liege des vielfach gesichtsgepiercten Psychoanalytikers, das Bild eines Mannes, der weitab einer einförmigen Reihenhaussiedlung einen gequälten Schrei aus sich herausläßt oder eine Wanderin, die beglückt den neuen Trieb eines gefällten Baumes anschaut, um eine Geschichte zu erzählen. Und Sempé hat in seinem oft detailreichen Tableaus viel zu erzählen, denn man kann sich meist gar nicht daran sattsehen.


Ich bin etwas durcheinander - © Sempé


Dieses Bild beschäftigt seit jeher meine Vorstellungskraft: ein Mann auf einem leeren Bahnsteig.Wie viele Seiten habe ich damit
schon vollgeschrieben, wie viele Identitäten habe ich erschaffen, wie viele Handlungsanfänge erfunden und Charakterstudien
entworfen! Am Ende war es einfach jemand, der auf den Zug wartet. - © Sempé


Von den Musenblättern wird „Hin und weg“ wärmstens empfohlen und mit unserem Prädikat, dem Musenkuß ausgezeichnet.
Die begleitenden Texte hat wieder Jakob Emanuel einfühlsam ins Deutsche übertragen.


Meine Aufgabe ist es, Sie zu inspirieren. Nicht, Sie zu bewundern. - © Sempé

 

Jean-Jacques Sempé – „Hin und weg“
Originaltitel: Garder le cap - Übersetzung: Jakob Emanuel
© 2021 Diogenes Verlag AG, 120 Seiten, gebunden, Ganzleinen mit Schutzumschlag, 26,7 × 30 cm  -   ISBN-13: 9783257021806
40,- € (D) / 54.00* sFr / 41,20 € (A)
 
Weitere Informationen: www.diogenes.ch