Über das Basteln mit Kastanien

(neue Folge)

von Erwin Grosche

Foto © Christa El Kashef / pixelio.de

Über das Basteln mit Kastanien
 
(neue Folge)
 
Basteln die Kinder noch mit Kastanien oder ist ihnen das Sammeln zu beschwerlich? Viele haben auch Angst vor den stacheligen Herbstmäntelchen, die wie ein Drachenpanzer die Kastanien umstülpen. Ein Überraschungsei, bei dem man immer weiß was drin ist, kann nicht auf dauerndes Interesse hoffen. Das Ordnungsamt plant die Sammelfreude der Kleinen fest ein, damit keine Kastanien-Eskapaden unsere Bürgersteige unpassierbar machen. Ich sah im Haxtergrund mal Eltern, die ihren Kindern einen Sturzhelm aufsetzten, damit sie vor herunterfallenden Kastanien geschützt werden. Immer wieder erschlagen Kokosnüsse Menschen, da sollen die Kleinen früh lernen, daß Gefahren auch von oben kommen können. Die Roßkastanie wurde 2005 zum Baum des Jahres gewählt. Das wurde ich bisher noch nie. Ihr Name bezieht sich auf die von Osmanen übliche Nutzung als Pferdefutter und als Heilmittel gegen Pferdehusten. Schon immer versuchte der Mensch Kastanienmännchen so zu gestalten, daß sie nicht umfallen. Boing! Ich sah mal eine Kastaniengiraffe, die fiel dauernd auf den Kopf, wenn man sie aufstellen wollte. „Die Giraffe hat müde Beine“, ist oft darauf die Erklärung. Das ist besonders absurd, da ein Absud der Kastaniensamen als Fußbad gegen geschwollene Beine verwendet werden kann.
     Das Sammeln von Kastanien hält auf, und ich frage Sie: Muß man aus allem was basteln, das man nicht essen kann? Wir sprechen nämlich nicht von der Eßkastanie (Castanea sativa), sondern von der Roßkastanie (Aesculus), die auf unseren Plätzen und Alleen zu finden ist. Auch ich habe mich als Kind mit diesen Herbstgästen auseinandersetzen müssen. Mein Meisterstück war eine intakte Familie, also Vater, Mutter, Kind und Hund, die ich mit Streichholzbeinen und Streichholzarmen versehen habe, wobei nur der Hund stehen konnte und der Rest immer umfiel. Boing! Intakte  Familien sehen anders aus. Warum nimmt man Kastanien nicht als Handschmeichler? Ich habe im Herbst immer einige Kastanien in der Tasche, die ich gerne berühre, wenn der Alltag rauh ist und um sich schlägt. Einmal traf ich einen Hirsch, den ich damit füttern konnte. Er grüßt mich noch heute. Ich mag auch Kastanienbriefbeschwerer, die unsere Liebesbriefe halten, damit der Wind sie nicht in falsche Hände trägt. Basteln wir doch Kastanien-Igel, deren Igelstacheln aus Zahnstochern bestehen. Das sieht lustig aus, fällt nicht um und kann auch als Zahnstocherhalter genutzt werden. Zeitgemäß ist es auch, wenn man aus einer Kastanie einen tragbaren Fernseher bastelt. Man nimmt einfach eine Kastanie, auf der der große weißliche Nabelfleck auf der abgeflachten Seite auftaucht, und steckt darauf als Antenne ein Streichholz. Fertig ist der tragbare Fernseher. Natürlich kann man sie auch nutzen, um Hochzeitspaaren, die im Herbst heiraten wollen, einen Vorgeschmack auf schwere Zeiten zu geben. Sammelt Kastanien und werft sie allen Verliebten, statt Reis, an den Kopf. Wie kann man auf schwere Zeiten besser vorbereiten als durch etwas, das weh tut?
 
© 2021 Erwin Grosche