Nachrichten vom Plattenmarkt

kurz vorgestellt

von der Musenblätter-Redaktion

Foto © Frank Becker 
Jazz-Nachrichten - kurz und kompakt
 
Verehrte Jazzfreunde,
hoch geschätzte Leserinnen,
 
fast täglich gehen in der Musenblätter-Redaktion Einsendungen mit CDs interessanter Plattenlabels und hervorragender Künstler aus dem von uns so sehr geschätzten Genre Jazz aus dem In- und Ausland ein. Daß wir es nicht schaffen können, jede einzelne zu besprechen und Ihnen ausführlich vorzustellen, werden die Einsender und auch Sie sicher verstehen können.
Anstatt die Platten beiseite zu legen haben wir uns dazu entschlossen, damit Sie zumindest ein paar Anregungen aus der Fülle der Neuerscheinungen bekommen, Ihnen in unregelmäßiger Folge und bunter Mischung und ohne Bewertung mit einer kurzgefaßten Liste einige Alben mit Bild und Label- bzw. Agentur-Text zu präsentieren. Sicher lohnt es sich für Sie, sich das eine oder andere genauer anzuschauen, anzuhören - und vielleicht sind einige der Alben ja auch genau das, was Sie mögen.



TWOTWO – Sweet & Sour
© 2022 Rosenau Records (CD)
Markus Harm (Altsaxophon) - Lutz Häfner (Tenor- und Sopransaxophon) - Jens Loh (Kontrabaß) - Philipp Leibundgut (Schlagzeug)
1. Sweet & Sour - 2. Chlish-Ay - 3. Circles 05:02 – 4. 22 Grad - 5. Crossing Borders – 6. The Hermit - 7. Don’t Call Me Old - 8. June - 9. O Sacrum Convivium - 10. Sorry I Forgot
Gesamtzeit: 1:01:37
Voll, warm, durchsetzungsfähig der Sound, lyrisch das Spiel, technisch auf höchstem Niveau.
Da sitzen zwei Saxophonisten seit vielen Jahren in der Horn-Section des Sunday Night Orchestra nebeneinander, der eine am Tenor, der andere am Alt. Sie belauschen sich im besten aller Sinne. Die Phrasierungen, die Klangfarben, die Soli des anderen. Sie schätzen sich, es schwingt, musikalisch wie menschlich. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sie beschlossen, für ein eigenes, gemeinsames Projekt ins Studio zu gehen.
Zwei Saxophone, zwei Rhythmusinstrumente. Und die weite Welt der Möglichkeiten dazwischen. Denn mit dem Verzicht auf ein Harmonieinstrument krempeln die Vier das Einmaleins des gewöhnlichen Quartett-Spiels um und betreten einen Raum der Freiräume. Daß das bei TWOTWO so gut funktioniert, liegt auch an Kontrabassist Jens Loh, feste Größe u.a. beim Markus Harm Quartett MHQ und dem kreativem Schweizer Schlagzeuger Philipp Leibundgut, den Lutz Häfner über seine Professur an der Berner Musikhochschule kennengelernt hat. Sensibel und klug legen sie das Fundament, bilden den gemeinsamen Nenner. Auffallend beim vorliegenden Album „Sweet & Sour“ ist der direkte Sound der aufgenommenen Session, ungekünstelt, natürlich. Nahezu paritätisch steuern die Bandmitglieder ihre Stücke bei. Allesamt Eigenkompositionen, bis auf „O Sacrum Conivivum“, hier hat sich Olivier Messiaen eingeschlichen.
Die Besonderheit für die Zuhörerschaft besteht bei TWOTWO aber auch darin, den beiden hervorragenden Saxophonisten bei ihren Konversationen zuzuhören. Fast wie die Stimmen zweier Brüder gleicht sich ihr Ton.
 
Weitere Informationen: www.rosenau-records.de
 

Olga Reznichenko Trio - Somnambule
© 2022 Traumton Records (CD)
Olga Reznichenko (piano, compositions) - Lorenz Heigenhuber (doublebass) - Maximilian Stadtfeld (drums)
1. Liquid Salt Sleeps Lost - 2. Restless Stone Stops Motion - 3. Still FoundFrom Below - 4. One Hit Backlash - 5. Ground Most Must Take - 6. Slipping Pace Returning Time - 7. Final Mirrors Facing Flame        - 8. All After Nothing Left
Gesamtzeit: 49:07
 
In ihrem Trio verbindet Olga Reznichenko komplexe harmonische und rhythmische Strukturen mit einer simplen, fast minimalistischen Textur und leicht zugänglichen Melodien. Zugleich spiegelt sich ihr ausgeprägtes Gefühl für Ästhetik ausdrucksstark in ihren Kompositionen wider. Die überwiegend aus Improvisationen heraus geborenen Stücke bieten der puren, intuitiven Spielfreude Reznichenkos Raum, um ihr volles musikalisches Potential entfalten zu können. Reznichenko studiert bei den Professoren Richie Beirach und Michael Wollny und entscheidet sich, nach erfolgreich abgeschlossenen Bachelor of Music auch für den Master of Music in Leipzig zu bleiben. 2022 erscheint ihr das Debütalbum ihres Trios auf dem renommierten Label Traumton. Durch ihre Mitwirkung als Kuratorin verschiedener Leipziger Musikfestivals gestaltet Olga auch außerhalb ihres eigenen Spiels die Zukunft der Jazzszene Deutschlands mit.
 
 
 
Antonia Hausmann – Teleidoscope
© 2022 nWog Records (CD)
Antonia Hausmann (tb, comp) - Damian Dalla Torre (bcl, sax) - Johannes Bigge (p) – Philipp Scholz (dr, vib, chimes) + Nils Wogram (tb) & Carl Wittig (b)
1 Stille Innlegg   2 All you can eat  3  Beijing  4  Luz  5 105  6 Teleidoscope  7 Schäfer Jonas   8 Niemandsland  9 Let's talk
Gesamtzeit: 1:2031
 
Die Posaunistin und Komponistin Antonia Hausmann liebt das Spiel mit den Klangfarben. Auf ihrem Debütalbum Teleidoscope ermutigt sie die Perspektive zu wechseln und die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen. Im Vordergrund steht dabei für sie die Lust mit verschiedenen Besetzungen und variationsreichen Instrumentierungen zu experimentieren. Inspiration für ihre musikalischen Geschichten sind Begegnungen, Momente und Eindrücke, die die Leipzigerin zwischen der Oberlausitz und Peking erfahren und gesammelt hat. In diesen Kompositionen gibt es keinen Platz für Eitelkeiten, stattdessen eine breite Palette an Ideen, die nie angestrengt oder ausgedacht wirken. Die Quelle dafür ist Hausmanns unverstellter Zugang zu einer emotionalen Erzählweise – Kammerjazz mit Pop-Appeal.
Auf Teleidoscope präsentiert sich ein Jazz-Ensemble, das schon allein der Besetzung wegen etwas Besonderes ist: Ohne Bass, dafür mit Posaune und Bassklarinette. Eine in dieser Konsequenz seltene Paarung, der Hausmann und ihr Bläserpartner, Damian Dalla Torre, immer wieder neue Facetten des Zusammenspiels abzugewinnen vermögen. Komplettiert durch Philipp Scholz (Schlagzeug) und Johannes Bigge (Klavier) haben sich vier umtriebige Instrumentalisten der Leipziger Szene zusammengefunden, die das Faible für eine komplexe Einfachheit teilen. Mit Antonia Hausmann ist eine Posaunistin auf den Plan getreten, die dieses Fach auf ganz eigene Weise zu bereichern weiß: Sie hat eine melodische Intuition, mit der sie das Publikum einlädt, eigene Assoziationen zu finden und diesen zu folgen. Es sind die großen Bögen, der warme Sound und ihre leidenschaftliche Hingabe an das Instrument, die ihr Spiel auszeichnen.
 
Weitere Informationen: https://nwog-records.com/
 
 
The Rick Hollander Quartet feat. Brian Levy – Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band
© 2022 Laika Records (CD)
Rick Hollander (dr, steel dr, voc) - Paul Brändle (g) - Matt Adomeit (b, mand) & Brian Levy (ts, fl)
1. Sgt. Pepper's lonely hearts club band - 2. With a little help from my friends - 3. Lucy in the sky with diamonds - 4. Within you without you - 5. Penny Lane - 6. Strawberry fields forever - 7. When I'm sixty-four - 8. Fixing a hole - 9. She's leaving home - 10. A day in the life
Gesamtzeit: 57:40
 
Musik: Daumen hoch – Vocals: Daumen runter
Viele, unendlich viele Künstler aus Pop, Jazz und Klassik haben sich aus dem genialen, schier unerschöpflichen musikalischen Schatz der Beatles, besser gesagt: von John Lennon / Paul McCartney für eigene Versionen bedient, und es sind gelegentlich sogar wunderbare Interpretationen dabei herausgekommen. Nun hat es Rick Hollander mit seinem Quartett ein weiteres Mal unternommen – und mit zehn der schönsten Beatles-Titel (siehe unten) ein ganz ungewöhnliches Jazz-Album mit karibischem Touch auf die Beine gestellt. Instrumental durch großartige Solo-Leistungen - auch durch den raffinierten Einsatz der Steel Drum - unbestreitbar ein Album von Klasse, wäre es bei einem Instrumental-Album geblieben.
Daß sich Rick Hollander aber nicht enthalten konnte, die unvergeßlichen Texte und die hörenswerte musikalische Leistung des Ensembles durch seine gänzlich ungeeignete Stimme beinahe mutwillig zu entwerten - es klingt eigentlich durchweg wie eine Parodie -, ist tragisch zu nennen. Das kann und will man sich einfach nicht anhören. Allzu schade und mit unserem selten vergebenen Negativ-Prädikat, dem Musenblattschuß belegt. Aber das ist ja vielleicht auch nur meine ganz persönliche Meinung.
 
Weitere Informationen: www.laika-records.com
 
 
Dunkelkammer – „Mehr als wir“
© 2022 Recordjet (CD)
Matthias Ehrig (Gitarre, Stompbox) - Andreas Uhlmann (Posaune, Flügelhorn, Glockenspiel, Beatbox, Synthesizer)
Gesamtzeit: 40:23
 
Ein freies, großes Mixtape aus tiefgründig bearbeiteten Momentaufnahmen, welches aber nie den roten Faden und Stempel der Kernbesetzung verliert. Die Platte ist dabei so bunt wie ein Stock-Footage-Foto vom Indian-Summer.
Mit „Dunkelkammer“ veröffentlicht die Gruppe ihr zweites Album. Es entstand zwischen 2020 und 2022. „Mehr als Wir“ ziehen ihre Alleinstellungsmerkmale und ihre Berechtigung aus einer stilistischen Durchmischung von Pop, Jazz, EDM und akustischer Weltmusik. Mit Matthias Ehrig und Andreas Uhlmann ist die Besetzung abschließend aufgezählt. Über Loop-Techniken und ausgefuchste Arrangements erzeugen die Musiker den namensgebenden vollen Bandsound. „Mehr als Wir“ bleiben trotz ihres großen Konzepts angenehm bodenständig, uneitel, ehrlich und nah bei sich, ihren Themen und ihren Hörern..
 
Eine moderne, teils populäre Ästhetik zieht sich durch alle Stücke und straft jedes Vorurteil gegenüber einer im Kern akustischen Zweierbesetzung permanent ab. „Dunkelkammer“ ist ein freies, großes Mixtape aus tiefgründig bearbeiteten Momentaufnahmen, welches aber nie den roten Faden und Stempel der Kernbesetzung verliert. Die Platte ist dabei so bunt wie ein Stock-Footage-Foto vom Indian-Summer.