Schatten der Vergangenheit

"Schicht im Schacht" - Ein neuer Schimanski, heute Abend gesehen

von Frank Becker

© WDR
Schatten der Vergangenheit

Heute Abend war Götz George noch einmal
Horst Schimanski.

"Schicht im Schacht"
ist der Titel dieses 30. Krimis mit Götz George, ein "Schimanski" am Sendeplatz der beliebten ARD-Kriminalfilm-Reihe "Tatort". 29 mal hat Götz George als der ruppige, unkonventionelle Kriminaler als "Tatort"- Kommissar ermittelt. Jetzt ist er zurück - und die Schatten der Vergangenheit holen ihn ein.


 Die Stimmung in diesem Film ist düster, hoffnungslos, von geradezu zerstörerischer Tristesse, die kein Sonnenstrahl aufhellt. Die Stahlwerk-Kultur von Duisburg-Rheinhausen liegt im Sterben. Schicht im Schacht. Was einmal das pulsierende Leben des Montan-Standortes ausgemacht hat, ist fort. Mittendrin Schimanski, der Ex-Bulle, den weder der Ort, noch die Vergangenheit loslassen. Als er den Freund Hänschen (Chiem van Houweninge) zum Angelurlaub vom Dienst abholen will, gerät er in einen Mordfall, der ihn als quasi Wiederholung eines seit sechs Jahren ungeklärten Mordes aus seiner eigenen Dienstzeit mit der Vergangenheit konfrontiert. Eine Frau im Brautkleid, Braut Martin Wetscheks, wurde vorsätzlich eine Treppe hinuntergestoßen, ihr Slip in ihren Mund geschoben. Und Schimanski ermittelt - gegen den Widerstand seines Nachfolgers Hunger (Julian Weigend) und ebenso unkonventionell und kompromißlos wie ehedem - nur diesmal ohne Dienstausweis und ohne Strafprozeßordnung.

Dichte Atmosphäre

Thomas Jauch, seit einigen Jahren als Krimi-Regisseur hervorgetreten - u.a. mit dem hervorragenden Tatort "Lastrumer Mischung" mit der wunderbaren Maria Furtwängler - hat nach dem Buch von Jürgen Werner eine ungeheuer dichte Atmosphäre geschaffen, die bis zum erst spät absehbaren Ende anhält. Zwei Morde, die nach fast identischem Muster geschehen und deren Opfer beide in Verbindung zu Martin Wetschek (Robert Gallinowski) standen. Drei Verdächtige des ersten Falls, darunter Wetschek, einst verschworene Freunde, die auch jetzt wieder im Zentrum der Ermittlungen stehen, ein desillusionierter ehemaliger Stahlarbeiter, Vater des ersten Opfers (brillant: Walter Gontermann als Heinz Budarek) und eine verschlossene junge Mutter, alleinerziehend und nicht bereit, den Vater des Kindes zu nennen (berührend: Anne Ratte-Polle als Daniela Budarek, die Schwester des ersten Mordopfers) stellen Schimanski vor eine harte Probe. Doch der beißt sich durch, denn er hat für Spielchen keine Zeit übrig.

Monolith Götz George

Götz George, der am 23. Juli seinen 70. Geburtstag feiert, ist schlechthin der
schauspielerische wie

Schimanski und die Friseuse - Foto © WDR
charakterliche Monolith in diesem Film mit fast ausnahmslos hervorragenden Darstellern. Das betrifft außer den bereits erwähnten Hauptfiguren auch Nebendarsteller wie den selbstgefälligen Friseur und seine nebenbei dealende Hilfsfriseurin. Einzig Denise Virieux als Schimanskis Freundin ist völlig überflüssig, sowohl für die Handlung als auch als Begleiterin der Figur Schimanski. Ebenso überflüssig und nur gequält heiter sind die Angel-Einschübe mit Hänschen, dessen gute Zeit längst vorüber ist. Diese durchaus sympathische Figur hat als Schimanskis Alter ego ihre Zeit gehabt. Nun ist sie nur noch blasse Nostalgie. Götz George hingegen, der seinem Ermittler nun gewisse Züge der Altersweisheit angedeihen läßt, könnte gut noch ein paar Jahre am Niederrhein ermitteln. Daß er und der wortkarge Hunger (Julian Weigend überzeugt durchweg) sich peu á peu zusammenraufen, läßt geradezu hoffen.

Wendungen

Jürgen Werner hat dem Film eine raffinierte, wenn auch nach einiger Zeit nicht mehr ganz überraschende

Anne Ratte-Polle als Daniela Budarek - Foto © WDR
Wendung gegeben. Erst nachdem auch einer der drei Hauptverdächtigen ermordet worden ist, können die Ermittler zugreifen: Wetschek hat seinen Kumpan Bennert (stark: Aljoscha Stadelmann) erschlagen, Daniela kann die Vergangenheit und die Folgen nicht mehr ruhen lassen: Wetschek und die anderen beiden hatten sie vor sechs Jahren im Beisein ihrer Schwester vergewaltigt, Bennert ist der Vater ihres Kindes.
Aus Angst vor Bennerts Rache hatte sie nie den Gang zur Polizei gewagt. Im Rache-Affekt hatte sie allerdings ihre Schwester erschlagen und jeder ihrer Vergewaltiger mußte einen der anderen für den Mörder halten. Nun geht auch der Mord an Bennerts Braut auf ihre Rechnung. "Schicht im Schacht" ist ein in jeder Hinsicht entsetzlich tragischer Stoff, der sehr gut ohne aufgesetzten Humor ausgekommen wäre. Götz George hat sich (und uns) damit ein großartiges Geburtstagsgeschenk gemacht.