Wie war zu Köln es doch vordem…
…mit Heinzelmännchen so bequem!
Jedes Kind, das im Kölner Raum und im Bergischen Land zur Schule gegangen ist, kennt aus seinen Schulbüchern und aus dem Heimatkunde-Unterricht das wunderbare Gedicht von August Kopisch, der 1836 die schon aus dem 17. Jahrhundert überlieferte Geschichte der Heinzelmännchen von Köln in Verse gefaßt hat:
Wie war zu Köln es doch vordem
Mit Heinzelmännchen so bequem! Denn, war man faul, man legte sich Hin auf die Bank und pflegte sich: Da kamen bei Nacht, Ehe man’s gedacht, Die Männlein und schwärmten Und klappten und lärmten, Und rupften Und zupften, Und hüpften und trabten Und putzten und schabten... Und eh ein Faulpelz noch erwacht,... War all sein Tagewerk... bereits gemacht! (…)
Wer hätte sich solche Heinzelmännchen nicht gewünscht! Ein jeder war zufrieden und nahm das nächtliche Geschenk dankbar an. Nur des Schneiders Weib hat wie sintemalen des Fischers Fru und noch eine Ecke früher Eva durch seine unbezähmbare Neugier dieses Paradies verdorben:
Neugierig war des Schneiders Weib,
Und macht sich diesen Zeitvertreib: Streut Erbsen hin die andre Nacht, Die Heinzelmännchen kommen sacht: Eins fähret nun aus, Schlägt hin im Haus, Die gleiten von Stufen Und plumpen in Kufen, Die fallen Mit Schallen, Die lärmen und schreien Und vermaledeien! Sie springt hinunter auf den Schall Mit Licht: husch husch husch husch! - verschwinden all! (…)
O weh! nun sind sie alle fort
Und keines ist mehr hier am Ort! Man kann nicht mehr wie sonsten ruhn, Man muß nun alles selber tun! Ein jeder muß fein Selbst fleißig sein, Und kratzen und schaben Und rennen und traben Und schniegeln Und biegeln, Und klopfen und hacken Und kochen und backen. Ach, daß es noch wie damals wär! Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!
Tja, nun waren sie fort und kamen auch nie wieder. Also fast. Denn der in Bergheim bei Köln lebende Fotograf Bernd Schloemer gibt ihnen eine neue Plattform, ein neues, freies Leben, natürlich wieder in Köln, wo sie hingehören. Er inszeniert knapp 2 cm große Modellbaufigürchen in Alltagsszenen, die er in die reale „große“ Welt stellt.
Da versucht sich ein solcher Winzling als Helfer beim Golf, indem er den knapp vor dem Hole gestoppten Ball ein Stückchen weiterschiebt. Ein Pärchen küßt sich – wo sonst? – auf einem Liebesschloß an der Deutzer Brücke, ein anderes auf der Untertasse eines Latte Macchiato.
Eine Blondine spiegelt sich im Silber-Absatz einer Hi-Heel-Sandale, Stahlarbeiter schreiten zur Tat, ein Diogenes hat sich auf der Kölner Stadtmauer eingerichtet und Pfützen taugen zum Angeln, Baden und Bötchen fahren. Da kennt die Phantasie keine Grenzen, wie unsere Leser ja bereits von den erotischen „Miniatur-Affären“ Pia Raaps wissen.
Sogar ein berühmtes Foto findet hier seine Fortsetzung: „Lunch atop a Skyscraper“, 1932 in der New York Herald Tribune erschienen, geht auch mit dem Kölner Dom im Hintergrund (siehe oben). Und weil das Leben so süß ist, arbeitet Bernd Schloemer, bzw. seine colognies tun es, auch gerne mit Zucker - hier wird er von einer Mannschaft in die Kaffeetasse gehievt, dort arbeiten wackere „Linien“-Schützer daran, ihn am Gebäck zu reduzieren und anderswo dient er als Rodel-Piste oder Berg zum Besteigen.
Das Buch mit den originellen Inszenierungen und Ausschnittvergrößerungen wird nicht nur Kölnern, denen aber besonders viel Spaß machen. Eine Empfehlung der Musenblätter.
Bernd Schloemer – „colognies“
Die Große Kunst mit kleinen Figuren
© 2012 Mitteldeutscher Verlag, 96 Seiten, gebunden, 24,5 x 17,5 cm – ISBN: 978-3-89812-936-7
14,95 €
Weitere Informationen: www.mitteldeutscherverlag.de
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