Dat dat dat darf…
Beethoven in Fakten
und mit Humor (5)
Von Konrad Beikircher
„Beethoven war so taub,
daß er sein Leben lang dachte, er malt“
(anonymer englischer Musiker, 19. Jahrhundert)
Beethoven in Wien: Quasi Auslandsstipendium
Er tat natürlich das, was alle Musiker und Komponisten getan haben und tun: er gab Unterricht um selbst seinen Unterricht bei Haydn und Albrechtsberger bezahlen zu können. Ungern. Allerdings: da war ‚dat ein oder andere lecker Mädchen dabei’, hätte er wohl erzählt, die er gerne anguckte. Er hat aber ziemlich schnell in Wien erkannt, daß es für einen selbständigen, freien Künstler so viele Wege nicht gibt, Geld zu verdienen:
Unterricht
Konzerte (Akademien) zu eigenen Gunsten
Geschenke und ‚Spenden’ von Gönnern
Stipendien o.ä. von fürstlichen Hoheiten
Verkauf von veröffentlichten Werken
Widmungen, für die man Geld bekommt
Akquise von Aufträgen für Kompositionen, so da wären: Messen, Opern, Requiems, Fanfaren und Ouvertüren o.ä. für Festakte, Hochzeiten, Märsche etc.
Immerhin mußte Beethoven nicht, wie seinerzeit der selige Johann Sebastian Bach, um seine Einkünfte bangen, bloß weil ein reicher alter Greis seine Finger noch in der Steckdose hielt um ein Jahr länger zu leben und er damit um den Auftrag für die Musik zu einer „schönen Leich“ kam.
Wenn man jetzt noch schaute, daß man mehreren Verlagen seine Werke zur Veröffentlichung anbot, war man schon aus dem Schneider. Ich meine: schauen Sie sich doch mal eine Karte von damals an, dann sehen Sie, wie viele Länder, Fürstentümer, Königreiche, Herzogtümer etc. etc. es gegeben hat, da waren Handelsabkommen noch in den Kinderschuhen, das heißt: Du konntest locker eine Sinfonie in Leipzig, in Bonn, in London, in Wien gleichzeitig verlegen lassen: einmal geschrieben, viermal kassiert, no, ist das ein Geschäft?
Kurz: Flexibilität war angesagt, wollte man ein Leben als freier Künstler führen. Nicht vergessen: Beethoven war da die Speerspitze. Bis dahin war es normal, daß Komponisten bei Fürsten oder Bischöfen und Erzbischöfen angestellt waren, Haydn war es beim Fürsten Esterhazy, Mozart beim Fürstbischof von Salzburg und nachdem er dort gekündigt hatte, suchte er eine Stelle beim Hof in Wien - und Musiker wurden ziemlich kurz gehalten. Maria Theresia hat selbst über Mozart, der als Kind bei ihr auf dem Schoß gesessen hatte und den sie sehr mochte, ihrem Sohn Erzherzog Ferdinand geschrieben:
„Sie fragen mich, ob Sie den jungen Salzburger in Ihre Dienste nehmen sollen. ich weiß nicht wieso; ich glaube nicht, daß Sie einen Komponisten oder derlei unnütze Leute brauchen...Ich sage dies nur deshalb, damit Sie sich nicht unnütze Leute und derlei Volk auf den Hals laden... Er hat noch dazu eine große Familie.“
Und der unterwürfige Ton im Brief vom jungen Beethoven an den Kurfürsten in Bonn spricht ja auch Bände. Das heißt: Beethoven mußte findig sein, wollte er als „Freelancer“ überleben, aber genau dieses Talent war ihm, was Finanzen angeht, nicht gegeben. Mein Lieblings-Beethoven-Kenner und –forscher, Michael Ladenburger, formulierte das so: „Leider war es Beethoven nicht vergönnt, beim Großvater diesbezüglich in die Lehre zu gehen. Es wäre von großem Nutzen für ihn gewesen.“
So kümmerte er sich um Einnahmequellen: er konzertierte, spielte in Fürstenhäusern, dafür gab es Geld und Geschenke und Ruhm, was wiederum zu weiteren Auftritten führte. Er schaute auch, ob er nicht bei „Fürstens“ regelmäßige Zahlungen ergattern konnte. Nun muß man wissen: das taten damals viele, eigentlich alle. Musiker, Dichter, Wissenschaftler, Philosophen, Großhändler, Einzelhändler, alle antichambrierten sie und waren hinter Titeln wie „Hofkapellmeister“ oder „Hoflieferant“ etc. pp. her. Je nachdem, wohin die Neigungen eines Fürsten fielen, unterstützte er eben Komponisten oder Hundezüchter oder, falls er von der Syphilis betroffen war wie viele damals, Quecksilbersalben-Hersteller. Der Fürst Lichnowski, bei dem Beethoven von 1793 bis 1795 wohnte, also ganz am Anfang seiner Wiener Zeit, hatte von Mozart Unterricht bekommen und wurde zum Beethoven-Fan. Beethoven widmete ihm eine Reihe seiner Werke, unter anderem die 2. Sinfonie und die Klaviersonate op. 13 in c-moll, die „Pathetique“ und erhielt von ihm großzügige finanzielle Unterstützung: z.B. ab 1800 ein Jahresgehalt von 600 Gulden (das war irgendwas zwischen 15- und 30.000 €). Lichnowsky blieb – trotz einiger Reibereien zwischendurch – Beethoven bis an sein Lebensende gewogen. Nur: das reichte natürlich nicht wirklich.
Beethoven gibt nicht auf und dabei kommt ihm der Bruder von Napoleon, Jérôme, König von Westfalen mit Sitz in Kassel, gerade recht.
Im Zuge des Friedens von Tilsit wurde in neuer Staat gegründet: das Königreich Westfalen. Napoleons Brüderchen schöpfte aus dem Vollen und legte los: eine deutsche, eine italienische und eine französische Oper mußte her und dazu natürlich ein Intendant: Friedrich Reichardt und ein vollmundiger Titel: „directeur général des théâtres et de son orchestre“. Wie das immer so ist: er fiel in Ungnade, der Herr Reichardt und wurde geschasst. Der Kammerherr des Westfalen-Königs, Graf Truchseß-Waldburg, meldete sich bei Beethoven mit dem Angebot, in Kassel diese Stelle zu übernehmen. Das muß im Spätsommer 1808 gewesen sein. Wasser auf die Mühlen Ludwigs! Jetzt hatte er ein belastbares Pfund in der Hand, mit dem er wuchern konnte und er tat es! Erst mal streut er die Nachricht in Wien aus, so schreibt er einem seiner Freunde, dem Baron Ignaz von Gleichenstein: „Liederlicher Baron - ich hab dich gestern umsonst erwartet - ... ich habe einen schönen Antrag als Kapellmeister vom König von Westphalen erhalten - man will mich gut bezahlen - ich soll sagen wieviel Dukaten ich haben will - etc - ich möchte das mit dir überlegen - wenn du daher kannst, komm diesen Nachmittag gegen halb 4 zu mir - diesen Morgen muß ich ausgehen“.
Und ein paar Tage später: „Heute erhalte ich die Nachricht aus dem Königtum Westphalen auf meinen Brief – man bietet meiner Wenigkeit als jährlichen Gehalt 600 Dukaten in Gold“.
Also Beethoven war einerseits schon sehr gebauchpinselt von diesem lukrativen Angebot, andererseits: Kassel! Nicht wirklich das Zentrum der kulturellen Welt damals, gell, und ob es das heute ist, möchte man auch nicht in Stein meißeln. Also war ihm schon klar, daß diese Stelle auch ein Poker-As in Wien darstellt.
Folgen Sie, verehrte Leserin, geschätzter Leser, Beethovens Spuren
am kommenden Sonntag an dieser Stelle weiter.
© 2020 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker |