Hochzeit...

... in Dortmund im deutsch-türkischen Vergleich gemessen

von Andreas Rehnolt
Hochzeit im deutsch-türkischen Kulturvergleich

Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund zeigt ab August Moden und Kulturen des Hochzeitsfestes in beiden Ländern


Dortmund - Ein weißes, mit Schmuckperlen besticktes Brautkleid von 1962 aus Istanbul und eine reich dekorierte, mit einer Krone versehene Lindhorster Brauttracht aus dem Jahr 1920 sind nur zwei von vielen Exponaten, die ab dem 17. August im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen sein werden. Die Aussteller, die unter dem Titel "Evet - Ja, ich will!" bis zum 25. Januar nächsten Jahres gezeigt wird, stellten erstmals Gegenstände vor, die von türkischen und deutschen Frauen nach einem Aufruf des Museums für die Ausstellung zur Verfügung gestellt wurden. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Brautkleider, Tücher und Brautsträuße.

Deutsche und türkische Hochzeitskleidung der letzten beiden Jahrhunderte in ihrer regionalen Vielfalt, ihrer städtisch-bürgerlichen Ausprägung und mit ihren heutigen Modetrends steht denn auch im Mittelpunkt der Schau, wie die stellvertretende Museumschefin, Gisela Framke erklärte. Etwa die Hälfte der Exponate stammt aus den großen Museen der Türkei und Deutschlands. Die übrigen Stücke die zu sehen sein werden, stammen von Privatleuten. Auch viele Hochzeitsfotos und Filmausschnitte von Trauungen, Hochzeitsfeiern und Polterabenden werden zu sehen sein. "Die authentischen Hochzeitsgeschichten von türkischen Mitbürgern und Deutschen bereichern packend und informativ die Ausstellung", so Projektmitarbeiterin Sevgi Sarikaya.

Eine der türkischen Frauen brachte auch das rote Band mit, das sie bei der Trauung vor vielen Jahren

Lindhorster Tracht
um die Taille getragen hatte. Sie erzählt auch davon, daß sie am Tag der Hochzeit damals vom Vater ihres damaligen Bräutigams
im Wagen abgeholt und in ihr künftiges neues Heim gebracht wurde. Eine andere Leihgeberin eines Brautkleides erzählt von der "Henna-Nacht", der Feier, die am Tag vor der Hochzeit durchgeführt wird. "Das ist die letzte Nacht, die die Braut nur unter Frauen, darunter die weiblichen Mitglieder ihrer Familie und ihre Freundinnen verbringt", betonte die Frau. Traditionell ist die Feier zwar von Traurigkeit bestimmt, verlaufe bei modernen Türken heute aber vergnüglicher, weil es als das "letztes Amüsement vor der Eheschließung" angesehen wird.

Die Hände der Braut, des Bräutigams und der geladenen Gäste bei der Hochzeitsfeier werden mit Henna gefärbt, womit die Heiligkeit der Ehe zum Ausdruck gebracht wird. Denn die schützende Eigenheit der Henna ist seit Alters her bekannt und man bezweckt mit ihrem Auftragen, daß die Ehe lang währt und beschützt wird, erzählten die Aussteller weiter. Geld und Schmuck als Hochzeitsgeschenke sind in der Türkei immer noch üblich und erleben auch hierzulande eine Renaissance. Reiswerfen beim Verlassen des Standesamtes gilt in Deutschland als Symbol der Fruchtbarkeit, in der Türkei gilt es als Wunsch für genügend Nahrung für die neue Familie. Die Hupkonzerte der Autokonvois türkischer Brauleute auf dem Weg zum Standesamt gehören im Ruhrgebiet längst zum Alltag. Leere Blechdosen, die an einer Schnur befestigt ans Auto der Brautleute gehängt wurden, gibt es dagegen nach Angaben der Ausstellungsmacher nur noch ganz selten.

Der Blick aufs Hochzeitsverhalten beider Kulturen offenbart nach den Worten von Gisela Framke auch, "wie vertraut das Fremde und wie fern das eigene Kulturverständnis sein kann." Dabei offenbart der Blick zurück auf die "Rituale der Eheschließung in beiden Kulturen" und die gesellschaftlichen Konventionen auch das Verständnis für den tiefgreifenden Wandel rund um die Hochzeit und deren Planung. Die ist heute in der Türkei wie in Deutschland "ein Beruf und ein Geschäft zugleich", hieß es fünf Wochen vor dem Start der Schau, in deren Begleitprogramm auch im "Hochzeitszimmer" des Museums Besucher ihre ganz eigene Geschichte vom Ja-Wort-Geben erzählen können.

Neben wertvollen Hochzeitsgewändern aus Museen beider Länder gibt es Hochzeitskleider und

Hochzeitskleid Istanbul
-Anzüge aus den späten 1940er bis zu den 1970er Jahren, Accessoires aus dem 19. und 20. Jahrhundert wie Strumpfbänder, Brautschuhe, Taschen, Schleier und Hüte, Brautsträuße, Hochzeitsanzeigen und Karten, Tücher, Bänder und Nachbildungen von Hochzeitstorten. Die gelten als eine der ältesten Traditionen rund um die Heirat. Man geht davon aus, daß die heutige Hochzeitstorte von einem alten römischen Brauch abstammt. Confarreatio hieß bei den Römern die Zeremonie der Trauung. Wörtlich übersetzt bedeutet dies gemeinsames Kuchenessen. Nicht ganz so alt ist die Brauthaube aus Westfalen, die in Dormund zu sehen ist. "Wer sie anschaut, der versteht den Sinn des Satzes, daß eine Frau bei der Hochzeit "unter die Haube" kommt, schmunzelte eine Museumsmitarbeiterin.

Ein abwechslungsreiches Begleitprogramm mit Konzerten, Lifestyle-Angeboten, Kabarett- und Theateraufführungen und Vorträgen begleitet die Ausstellung, die unter der Schirmherrschaft der deutschen und türkischen Außenminister, Frank-Walter Steinmeier und Ali Babacan steht. Im Anschluß an
Dortmund wid die Ausstellung ab März nächsten Jahres im Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum zu sehen sein. Geplant ist, daß die Schau als interkulturelles Projekt auch in der Türkei zu sehen sein wird.

Internet: www.mkkdortmund.de
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, So: 10-17 Uhr, Do: 10-20 Uhr, Sa: 12-17 Uhr

Redaktion: Frank Becker