Die Ruhe kommt von ganz alleine

Mit dem Hausboot unterwegs auf dem Shannon-Erne -Waterway

von Frank Becker
Foto © Frank Becker
Die Ruhe kommt von ganz alleine
 
Mit dem Hausboot über
irische Kanäle und Seen
 

Hat man erst einmal das Tohuwabohu des Dubliner Flughafens hinter sich und die belebte Ring-Autobahn um die Hauptstadt der Republik Irland in Richtung Westen verlassen, zeigt die von allen Reisenden gerühmte „Grüne Insel“ das Gesicht, welches man sich vorgestellt hat, nein, es ist noch schöner als gedacht. Den von Lärm und ewig pulsendem Verkehr gequälten Großstädter erwartet in dem sanft welligen Land zwischen Irischer See und Atlantik all das, was ihm in München, Stuttgart, Magdeburg oder Köln fehlt: gute Luft, kein Gedränge und vor allem – Ruhe!

Ein Bilderbuchland

Abenteuerlich die Autofahrt ins Landesinnere, immer schmaler werden die Straßen, die jeder Bodenwelle folgen. Man hat sie nicht in die Landschaft gegraben, sondern quasi behutsam aufgelegt. Rechts und links von dichten Hecken oder kilometerlang aufgeschichteten Steinwällen eng gesäumt, sind sie Kanäle, die den Verkehr transportieren, ohne die Natur zu beiden Seiten zu sehr zu tangieren. Auf schmalen Steinbrücken überquert man idyllische Flüßchen, die dunkel und unbegradigt ihren Weg durch die üppige, saftig grüne Landschaft finden. Die uralten Steinwälle

Volkssport Golf - Foto © Frank Becker
durchziehen wie Adern oft bis zum Horizont grau das Land.  Ab und zu öffnet sich ein kleiner Ort, ein Städtchen, wo die Schroffheit der geduckten Bruchsteinarchitektur durch kräftig farbenfrohe Hausfassaden, vor allem an Geschäften heiter gemildert wird. Graffiti von Narrenhänden sind nirgends zu sehen, eine Erholung für Auge und Verstand. Besonders die in gewaltiger Zahl vorhandenen Pubs tun sich hervor, heißen in prachtvollen Farben und goldenen Lettern stolz „The Dog and the Duck“, „The Red Rose“, „“The Silver Swan“ oder „The Brandywell“ und laden zum Genuss gut eingeschenkter Gläser ein. Billig ist das wegen der hohen Steuern nicht, ein Pint kostet inzwischen fast 4,- Euro. „Kein billiger Spaß“, sagt Busfahrer Terry McKenna, „aber gesoffen wird trotzdem.“
Auch wenn das Rauchen – geradezu grotesk in irischen Kneipen – nun verboten ist, Theke bleibt Theke und gesungen wir allemal.

Heiligenstatuen und Raben

An allen Straßenecken stehen Marien-, Christus- und Heiligenstatuen, der katholische Glaube wird ebenso ernst genommen wie das Fußballspiel (nicht nur das gälische) und das abendliche Guinness. Kinder tragen brav ihre Schuluniform und die Mädchen dazu die Schuhmode der Saison. Die düsteren Friedhöfe an der Straße passen zum Irland-Klischee wie die mächtigen Scharen von Krähen und Dohlen, deren Krächzen den Reisenden überall begleitet. Die sich von der umgebenden urwüchsigen
 
Foto © Frank Becker
Natur unwirklich abhebenden schmucken Vorgärten der gepflegten Häuser sonnen sich ordentlich ummauert im Glanz millimeterscharf geschorener Rasenflächen und modellierter Büsche und zeigen den neuen Wohlstand des einst armen Landes, in dem noch vor 150 Jahren etwa 1 Million Menschen am Hunger starben und weitere 1,5 Mio. der Not wegen auswanderten. Nicht einmal 4 Mio. Einwohner hat das 70.285 Quadratkilometer große Land, viel Platz, wenn man bedenkt, dass allein 1 Mio. im Großraum Dublin leben.

Gastfreunschaft und Gemütlichkeit

Die Straßenschilder geben das Ziel in englischer und gälischer Sprache an, so heißt Dublin „Áth Cliath“ und ab und zu mahnt ein Schild in deutscher und französischer Sprache: „Links fahren!“. Zu viele Touristen haben das zu oft vergessen, weiß Terry. Gut eingestimmt erreicht man nach eindrucksreicher Busfahrt und „High Tea“ in einem Golfclub am Weg (viele Golfplätze weisen auf den Volkssportcharakter des nicht den Wohlhabenden vorbehaltenen Spiels hin) das eigentliche Ziel

Carrick-on-Shannon - Foto © Frank Becker
dieser Reise – oder besser gesagt: den Starthafen. Wir haben vor, für fünf Tage die Insel von einer ganz anderen Seite zu erforschen und wortwörtlich zu „erfahren“, nämlich mit dem Hausboot auf dem Shannon-Erne-Waterway.
Carrick-on-Shannon ist eine kleine sympathische Stadt von rund 1.500 Einwohnern, wo jeder jeden kennt und freundlich auf der Straße grüßt. Im Supermarkt werden morgens frische Pies gebacken und in der „Anchorage Bar“ trinkt man am Abend sein Guinness oder Harp, nachdem (und manchmal auch bevor) man im „Riverside Inn“ die butterzarte Lammkeule gekostet hat. Die Namen der Lokale

The Anchorage Bar - Foto © Frank Becker
sprechen für den Ort: in einem hübschen natürlichen Hafen liegen die Boote vor Anker, die einen bedeutsamen und seit 40 Jahre stetig wachsenden Zweig der Tourismus-Wirtschaft ausmachen. Hier kann man Hausboote mieten, um auf dem Wasser der Flüsse, Kanäle und Seen Irlands die Welt hinter sich zu lassen.

Auf 750 km Wasserstraßen

Mehr als 750 Kilometer fahrbare Wasserstraßen erstrecken sich über die ganze Insel, von Killahoe im Süden der Republik bis Belleek in der englischen Provinz  Nordirland. Eine Grenze gibt es nicht. Man leiht sich bei einer der rund 20 Gesellschaften, die ihre Stationen entlang der Strecke haben, ein Boot und schippert los. Das klingt einfach – und ist es auch, denn ein Bootsführerschein wird nicht verlangt. Eine kurze Einweisung durch den Vermieter, Handbücher liegen bereit und dann heißt es: Leinen los! Ganz so leicht wie Auto fahren ist es natürlich nicht, es gehört schon viel Fingerspitzengefühl dazu, die in allen Größen zwischen 8 und 15 Metern Länge zu bekommenden schwimmenden
 
Schleusenhund - Foto © Frank Becker
Luxus-Appartements zu lenken, vor allem, wenn es durch Schleusen und ans Anlegen geht. Aber es übt sich recht schnell und nach ersten polternden Bekanntschaften mit Molen oder Uferböschungen hat man den Dreh raus. Und wenn man dann auch noch den richtigen Knoten zum Festmachen kann, kommt sich die Landratte wie ein Skipper vor. Viel passieren kann nicht, denn durch strikte Geschwindigkeitsbegrenzung und Rücksichtnahme aufeinander werden die Risiken minimiert. Gewerblichen oder öffentlichen Schiffsverkehr findet man auf den idyllischen Wasserwegen nicht, die sind einzig den Erholung suchenden Touristen und Anglern vorbehalten.

Unberührte Landschaften

Wer das Glück hat, einen einheimischen Begleiter wie Bernard Murray an Bord zu haben, der in kitzligen Situationen souverän das Ruder übernimmt, ist natürlich in ganz beneidenswerter Lage. Aber irgendwann packt jeden der Ehrgeiz, Steuermann zu sein. Und wie stolz ist man, wenn man den
 
Skipper - Foto © Theo Reisner
Umgang mit dem Bugstrahl-Ruder begriffen hat, das die Boote so wendig macht, das erste Anlegemanöver gelungen und die erste Schleuse oder beklemmend niedrige Brücke elegant passiert ist! Dann fallen Unsicherheit und Anspannung ab wie eine zu enge Haut, plötzlich ist aller Stress weg und die Ruhe kommt von ganz alleine. Auf dem Fluß hat man keine Termine und man lernt, die Zeit zu vergessen. Man gleitet durch unberührte, zauberhafte Landschaften, läßt sich von ihrem stillen Charme einfangen und will eigentlich nichts weiter mehr, als einfach nur dort sein.

Blühende Wiesen zu beiden Seiten, Weiden, die sich über die Ufer neigen, Schilf und Rohrkolben, sanft vom Wind gewiegt, bilden die traumhaft schöne Natur-Kulisse für Tage des Abschaltens. Reiher und Kormorane fischen im moorig braunen Wasser und zeigen ihren harmonischen Flug, Krähenschwärme hocken in abgestorbenem Geäst und Möwen begleiten die Boote, während Haubentaucher und Blässhühner emsig im Uferbereich rudern. Manchmal bekommt man sogar einen
 
In der Schleuse - Foto © Frank Becker
spielenden Otter zu sehen. Kühe stehen bis zum Bauch im Wasser, trinken und glotzen den leise vorüberbrummenden Booten nach. Verläßt man die schmalen Kanäle und engen Schleifen der mäandernden Flussabschnitte, um einen der großen Seen wie den Lough Erne zu kreuzen, empfiehlt sich ein molliger Pullover, denn der Wind frischt dort auf, zumal unter aufkommenden Wolken. Doch niemand, der halbwegs schlau ist, verkriecht sich unter Deck, zu schön ist das Bild und zu gut die irische Luft.

Komfort an Bord

Bevor es dunkelt – nachts darf nicht gefahren werden – läuft man einen der zahlreichen kleinen Häfen an. Übernachtet und gekocht wird natürlich an Bord. Die geräumigen Boote sind mit jedem Komfort von kompletter Küche über bequeme Betten inkl. Bettzeug bis hin zu effektiver Heizung und  funktionierenden Toiletten und Duschen, TV, Radio und Funktelefon ausgestattet. Und nach einem Tag an Bord übertrifft das selbst gebratene Spiegelei mit Bacon und Bohnen jedes Filet Mignon an Land. Oder vielleicht hat man am Tage geangelt – auch das ist ein Volkssport auf der Grünen Insel – und einen Hecht, Barsch, Aal, eine Brasse oder Forelle gefangen, die auf der Gasflamme in Butter schmurgelt... Manchmal aber lockt ein abendlicher Ausflug in einen der gemütlichen Pubs. Ein Abend
 
Morgenstimmung - Foto © Frank Becker
mit Jimmy Dundas, lovely Angie, sweet  Sue, Bordkamerad Theo und einigen Pints in „Mahon´s Hotel“ im friedlichen nordirischen Irvinestown, Co. Fermanagh ist einen kleinen Umweg wert.
 
Unübertrefflich

Unübertrefflich am  Morgen das Aufsteigen der Sonne über den Nebelschwaden des Shannon River oder eines Lough, auf dem still die vertäuten Boote liegen. Eine dampfende Tasse starken, heißen Tees mit Milch vertreibt  Müdigkeit und Morgenkühle und von Tag zu Tag routinierter legt man ab, neugierig auf Orte und Menschen am Weg, mit entspannten und geschärften Sinnen dem neuen Tag und neuen Eindrücken der schönen und gastlichen Insel Irland entgegen.
 
Weitere Informationen bei:

Emerald Star Ltd., The Marina, Carrick-on-Shannon, Co.
Leitrim, Ireland
Tel. 00353-7820234, Fax 7821433  -  www.emeraldstar.ie

Emerald Star, Graf-Adolf-Straße 69, 40210 Düsseldorf
Tel. 0211-3859893, Fax 9381944  -  e-mail: info@emeraldstar.de

Irische Fremdenverkehrszentrale, Untermainanlage 7, 60329 Frankfurt
Tel. 069-66800950, Fax 92318588  -  www.discoverireland.com/de  

Flüge: Aer Lingus, An der Hauptwache 7, 60313 Frankfurt
Tel. 069-13385410, Fax 13385438, www.aerlingus.com