Sigi Domke "Wie sieht denn die Omma aus?"

Märchen und andere Klassiker nacherzählt fürs Ruhrgebiet

von Frank Becker
Watte ma, watte ma...

Rotkäppchen, Rapunzel, Robin Hood - die Relativitätstheorie, Schneewittchen und Supermann: kennwer doch schonn! Zu früh gemeckert, liebe Leser, denn so wie hier geboten kennse die nämlich nich! Der Ruhrgebiets-Autor, Kabarettist, Herbert Knebel- Texter und Musiker Sigi Domke hat diese und andere Texte der Klassik, Wissenschaft und Märchendichtung, also "Wertvollet ausse Litteratur" mal nacherzählt. Anders. Komisch. Dazu ist er als Meister des liebenswerten Jargons der Welt zwischen Wesel und Hagen, Duisburg und Hamm in der Erbfolge Jürgen von Mangers wie kaum ein anderer aufgerufen. Man muß nicht mit Ruhr- oder Emscherwasser getauft sein, um Vergnügen an seinen frechen Parodien zu finden, dazu braucht man nur ein wenig eigenen Humor. Das glucksende oder schallende Lachen kommt dann bei der Lektüre von "Wie sieht denn die Omma aus?" ganz von selbst.

Dreizehn bekannte Stoffe hat Domke
entstaubt, ihnen ein frisches Gewand übergestreift, sie in Sprache und Verständnis ins Ruhrdeutsche übertragen - und ihnen damit damit zu Pfiff und literarischer Frische verholfen. Das sind außer den oben genannten noch der Froschkönig, Othello, Die Odyssee, Die drei Wünsche (frei nach einem bekannten Thema), Hänsel und Gretel und die ursprünglich biblische Weihnachtsgeschichte. Kostprobe gefällig? Bitte sehr - hier ein Auszug aus "Die drei Wünsche":
Also, gez kommt en Märchen, wat auch dat Zeuch zu nem Klassiker hat. Ja, noch isset keiner, weil ich mir dat gerade ers ausgedacht hab. (...)
Et geht los, wie üblich, mit: Et war einma. Und zwar war et einma ein Mann. Der hatte nix. Aber auch gar nix. Der war so arm, der hatte nichma Stroh im Kopp. Mit andere Worte, der war auch noch saudoof. Und deswegen war der wohl auch wat unglücklich. (...) Wenn doch gez ne super gute Fee käm, Alter, und mir drei Wünsche erfüllen würd!, rief der Mann aus, dat wär obergeil! Und er hatte kaum ausgerufen, da stand auch schon ne Fee vor ihm, die allem Anschein nach ziemlich gut war. Sie hatte gutmütige Gesichtszüge und große gutmütige Rehaugen, und ihre Figur war auch ziemlich gut. Endlich, endlich, endlich, rief sie gez aus, ruft ma wieder jemand nach ner guten Fee! Dat is aber auch verdammt lange nich mehr vorgekommen. Drei Wünsche has du frei. Drei Wünsche will ich dir erfüllen.
(...) Watte ma, watte ma ... ääh ... am besten ersma viel zu fressen oder näh, ohne Kühlschrank, da vergammelt mir dat nur. Geld, ganz viel Geld oder näh, bei der unsicheren wirtschaft­lichen Lage, nachher kommt en Schwarzer Freitach, galoppierende Inflation, und die Knete is im Arsch. Watte ma, watte ma ...
Und in dem Moment hatte der Mann wat, wat er noch nie gehabt hatte, nämlich einen Geistesblitz. Fee, sach­te er, als erstet wünsch ich mir ne Pommes-Majo! Zack, stand dat da. Als zweitet ne Cherry Coke! - Zack, stand dat daneben. Und als drittet, so viel Wünsche frei, wie ich nur immer haben will ...
Wat?!, sachte die gute Fee. Dat gildet nich! Wie?!, sach­te der Mann. Wieso gildet dat denn nich?! Sind wir hier beim Versteckspielen, Alter? Hinter mir, vor mir und so weiter. Oder sind wir hier bei ner seriösen Drei-Wünsche­frei-Aktion? Und du wills ne gute Fee sein? En Arsch bis du! Ja, damit hatte er sie an wat gepackt, nämlich an ihre Ehre. Und sie sachte, en bissken Geduld, Meister, da muss ich mich ersma bei meine Innung schlau machen. Ich komm wieder. Schüss!Ja, sie zur guten Oberfee und sachte, Oberfee, bei mir is die Kacke am dampfen. Ich sitz inner Scheiße! (...)

Wie es ausgeht, lesen Sie am besten selbst, das Buch kostet kaum mehr als eine Schale rot-weiß und eine Flasche Fiege an der Trinkhalle. Hat man aber länger was von. Oder um mit meinem Freund Walter zu sprechen: Dat Buch ist genau dat Richtige, gez inne Sommerferien für auffem Balkong oder inne Gaatenlaube zu lesen oder noch besser: mi´m Kasten Fiege unterm Hintern umschichtig mit den Kumpels vorlesen - die lachen sich scheckig, wetten? ---
Ich jedenfalls habe mich königlich amüsiert und kann das Grinsen noch nicht loswerden. Sigi Domke "Wie sieht denn die Omma aus?" - ein Buch zum Wiederlesen, kongenial illustriert von Michael Hüter.
 
Beispielbild
Titelzeichnung: Michael Hüter

Sigi Domke
Wie sieht denn die Omma aus?

Märchen und andere Klassiker nacherzählt fürs Ruhrgebiet

118 Seiten, farbig ill. Hardcover, mit Textillustrationen von Michael Hüter
9,90 €

© 2006 Verlag Henselowsky Boschmann, Bottrop

Weitere Informationen unter:
www.ruhrig.de




Michael Hüter - Illustration zur Weihnchtsgeschichte
 "Ich weiß nich, is einer von euch schomma nem Stern
hinterhergelaufen? Wahrscheinlich nur unter Alkoholeinfluß..."