Das Kurhaus von Binz

Ein stimmungsvoller Reisebericht

von Jörg Aufenanger
Foto © Travel Charme
Das Kurhaus von Binz


Seit gut zehn Jahren boomt Rügens bedeutendster Badeort Binz.
Unzählige Hotels und Appartementanlagen haben sich zwischen die alten Strandvillen geklemmt, und an manchen Sommertagen schieben sich Menschenmassen über die Kurpromenade, die das genüßlich ruhige Flanieren verunmöglichen. Doch eine Oase bleibt im Trubel: Das Kurhaus. Es bietet nicht nur einen unvergleichlichen Blick auf die Ostsee, sondern verbreitet auch im Inneren Luxus und Behaglichkeit.
Und so waren wir an den ersten sommerlichen Tagen wieder einmal erwartungsvoll nach Binz gefahren, hatten zuerst die Seebrücke betreten und von dort aus das Kurhaus ins Auge gefaßt. Wie ein Juwel strahlte es, und das nicht nur, weil es in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiert. Es hat Geschichte, doch die Tradition ist nicht Hemmnis, sondern Auftrag für die Travel Charmegruppe, die das Haus nach der Wende behutsam hochwertig saniert und erweitert hat.

Sommerfrische im Sorrent des Nordens


Um 1900 hatten Berliner Bankiers den Charme des Fischerdorfes Binz entdeckt und erbauten dem Meer gegenüber Villen im weißen Bäderarchitektur- oder Klinkerstil, die noch heute das Auge erfreuen. „Sorrent des Nordens“, nannte man es, denn ein Vergleich mit Italien machte sich schon damals gut. Ein Luxushotel indes fehlte noch, das die Reichen aus Berlin und Hamburg in die

Kurhaus Binz, Lobby - Foto © Travel Charme
Sommerfrische anlockte, und so wurde das Kurhaus gebaut und im Juli 1908 feierlich eröffnet. Mit den es begrenzenden Türmen über den Seitenflügeln und einer Art Glockenturm in der Mitte über dem Entrée gab und gibt es sich heute noch den Anschein eines hochherrschaftlichen Schlosses. Vor allem in den sogenannten „Goldenen Zwanzigern“ wurde das Kurhaus Stelldichein für die Reichen und Schönen, aber auch Attraktion für die Einheimischen, die sich als Zaungast auf die vorgelagerte Terrasse, den sogenannten „Balkon“,  wagten, um bei Kaffee und Kuchen die Prominenten zu bestaunen. Die kamen reichlich. Kaiserin Auguste Victoria hatte den Anfang gemacht, Sterne und Sternchen von Theater und Film wie Lilian Harvey und Theo Lingen folgten, natürlich auch Boxstar Max Schmeling. Hinter dem Hotel befand sich ein Theater, in dem Operetten wie „Der Walzertraum“ und Schauspielkomödien aufgeführt wurden, die Don Kosaken auftraten und wo rauschende Ballnächte gefeiert wurden. Das Kabarett „Koralle“ bot Varieté und frivole Chansonabende, die Kakadubar versorgte die härtesten Nachtschwärmer mit nicht nur flüssigem Stoff.

Wie Ramses und Nofretete

Doch wie an so vielen Orten endete auch hier die goldene Ära 1933. Binz gilt den Nazis als „Judenbad“, das Kurhaus, das seit 1923 dem Wiener Kaufmann Bela Kaba-Klein gehört, wurde arisiert. In der DDR zeitweilig Kurheim der Volksarmee, zählte es ab 1961 zu den wenigen Hotels im Arbeiter- und Bauern-Staat, wo in maßvoll luxuriösem Ambiente ein Hauch von Freiheit wehte samt gehobener Gastronomie wie Forellenfilet mit Risotto oder Eistorte „Leuchtfeuer“.
 Tradition allein genügt dem heutigen Touristen nicht mehr, zumal er nicht nur in den Sommermonaten an die Ostsee kommen will. Also richtete „Travel Charme“ eine weitläufige Wellnesslandschaft ein, mit Außenpool, ägyptischen Lilien- und anderen Schwitzbädern, sodaß Frau sich wie Nofretete, Mann wie Ramses fühlen kann. Im in typischer Bäderarchitektur mit weißen Holzbalkonen nebenan wiedererrichtetem Kaiserhof findet der Gast erlesen möblierte Zimmer und Suiten. Wir leisten uns jedoch den Luxus einer Turmsuite im Kurhaus, die einen zauberhaften Rundblick sowohl zur Insel hin als auch über die Ostseebucht bietet. Unter uns liegt nur das Meer und der weiße Sandstrand, der uns vor die Tür lockt. Doch in welche Richtung laufen wir die Promenade entlang? Der ruhige östliche Teil zeigt die schönsten Strandvillen, bis hin zur Villa Sturmvogel, weiter geht es hoch in den Wald hinein die Küste entlang. Wir laufen auf samtweichem Boden, lugen durch die Zweige hindurch zum Wasser, könnten so bis nach Sellin kommen, doch wir kehren um, passieren die Seebrücke und das Kurhaus, vor dem auf dem „Balkon“ reger Nachmittagsbetrieb herrscht. Ein Hotel reiht sich inzwischen an das andere, auch das im März eröffnete, „Nymphe“. Hier ist von Tradition keine Spur, alles ist superneu, will es auch sein und doch fügt es sich behutsam in die Binzer Promenade ein. Neben Luxus bieten die Zimmer und Suiten von W-lan bis iPod-Docking-Stations alle erdenklichen modernen Kommunikationsmittel. Eine großzügige Wellnessoase fehlt auch hier nicht, es gibt einen Kindertreff und das Restaurant “Caprice“ verspricht wie der Name suggeriert eine raffinierte und natürlich kreative Vitalküche.

...und abends in die Kakadubar


Wir folgen der Promenade weiter, Appartements überall, zumeist im nachempfundenen weißen Bäderstil. Schließlich gelangen wir zum IFA- Ferienkomplex. Hier hat sich seit der Wende wenig verändert, es könnte als DDR-Museum gelten, ist aber ein nach wie vor beliebter Ort für Ostseeurlauber mit kleinem Geldbeutel.
 Uns zieht es zurück auf die Terrasse des Kurhauses, wir nehmen einen Aperitif in Vorfreude auf das abendliche Kurhausmenu. Der Blick vom Restaurant, wenn die Sonne in der Ostsee badet, ist allein den Besuch des Kurhauses schon wert. Ist sie dann untergegangen, so ziehen wir uns zurück in die Bibliothek des Hauses, beschließen den Abend in der Kakadubar. Turbulent wie in den goldenen Zwanzigern geht es hier nicht mehr zu, eher ruhig, beschaulich.
Das Kurhaustheater hat heute spielfrei, aber zum hundertjährigen Jubiläum bietet es im Laufe des Jahres ein Musik- und Varieté Programm, das Theaterstück “Caveman“, einen Catwalk und ein Gourmetfestival.
Das einzige was dem Kurhaus noch fehlt, ist kosmopolitisches Flair, denn Gäste anderer Sprache, die fremden Glanz einbringen, sind selten. Deutsche Urlauber sind unter sich, aber das ist auf Mallorca ja auch nicht anders. Dennoch werden wir wiederkommen, ist das Kurhaus von Binz doch das Juwel an der deutschen Ostsee.

Kurhaus Binz - Foto © Travel Charme

Kurhaus Binz Strandpromenade 7 18609 Ostseebad Binz
Tel. 03893/665-0
Kurhaus-binz@travelcharme.com

Strandhotel Nymphe  Strandpromenade 48 18609 Ostseebad Binz
Tel. 03893/129800
info@hotel-nymphe.de 
www.hotel-nymphe.de

© Jörg Aufenanger - Der Beitrag erschien erstmals am 14.6.2008 in der Frankfurter Rundschau

Redaktion: Frank Becker