Ein kammermusikalisches Juwel

Raphaela Gromes & Julian Riem - Richard Strauss 1864-1949: Cello Sonatas

von Johannes Vesper

Ein kammermusikalisches Juwel
 
Die Strauss-Interpretationen von Raphaela Gromes
& Julian Riem lassen keine Wünsche offen
 
Von Johannes Vesper
 
Das Cover-Foto zeigt die Cellistin in rotem Kleid, wie sie ihr Cello auf Felsen in hohem Gebirge spielt. Das erinnert an ein Urbild der Romantik, den „Wanderer über dem Nebelmeer“ (1816) von Caspar David Friedrich. Diese Assoziation ist nicht falsch, versuchte sich Richard Strauss (1864-1949) doch als Jugendlicher vor allem in der Tradition romantischer Kammermusik. Das Studium der Philosophie und Kunstgeschichte würde der Sproß der Bierbrauerfamilie Pschorr bald zugunsten der Musik aufgeben. Angeregt durch die Hausmusik in der Familie, komponierte er seine Cellosonate erstmals mit 16 Jahren. Immerhin erhielt der Sohn des 1. Hornisten der Bayrischen Staatskapelle in München seit seinem 11. Lebensjahr Kompositionsunterricht. Publiziert wurde diese Erstfassung aber nicht. Und den Kompositionspreis der Neuen Zeitschrift für Musik erhielt er auch nicht dafür. Nach drei Jahren griff er auf seinen Entwurf zurück und bearbeitete ihn mit dem Ergebnis seiner bekannten Cellosonate F-Dur op. 6, die jeder Cellist, der etwas auf sich hält, gerne spielt. Zusammen mit seinem Streichquartett und dem Klavierquartett gehört sie zum kammermusikalischen Jugendwerk des bedeutenden Komponisten großer Opern, sinfonischer Dichtungen und Orchesterlieder. Daß seine Karriere unter den Nazis als Präsident der Reichmusikkammer enden würde, war damals nicht zu erkennen.
 
     Hier wird also erstmalig die Früh-/Urfassung der Strauss’schen Cellosonate gespielt. Das Werk wird mit den bekannten, doppelgriffigen Celloakkorden eröffnet, bevor die fallende Sext in die große Melodik des Satzes hineinführt. Musikalisch erinnert manches an die Romantik Schumanns und Mendelssohns, Reineckes oder Emilie Mayers. Die kompositorische Souveränität des reifen Künstlers  ist noch nicht zu erahnen. Der 2. Satz entspricht einem romantischen Lied, in welchem das Cello atmend innige Themen singt. Technisch brillant und blitzsauber saust der flinke letzte Satz im ¾ Takt los, dessen stürmische, lebendige Musikalität der Lebenserfahrung seines jugendlichen Komponisten entspricht. Gewidmet hat Richard Strauss dieses wie auch das endgültige Werk dem damaligen Solocellisten der Münchener Hofkapelle Hanuš Wihan, dessen Kritik dazu beigetragen haben mag, daß der junge Richard dieses Frühwerk noch einmal überarbeitet bzw. teilweise neu komponiert hat. Immerhin findet sich in der Durchführung des 1. Satzes die Anmutung einer Fuge. Die aufsteigenden 1/8 im ersten Satz zur Eröffnung des Themas fielen weg. Die Neufassung erweist sich gegenüber der Urfassung als ernster, stringenter. Aber auch sie setzt sich mit der damals (1885) zeitgenössischen Musik Wagners, Brahms` oder Dvoraks überhaupt nicht auseinander. Mit Feuer und Eleganz makellos vorgetragen, erfreut sie wie auch die herrlichen Lieder op. 10, 21 und 27 in der Bearbeitung für Cello und Klavier den Kammermusikliebhaber.
     Richard Strauss hatte die Lieder teilweise schon mit Anfang 20 vor allem für seine Frau geschrieben, noch bevor er seine erste Kapellmeisterstelle antrat. Schon als Schüler hatte er zuvor Lieder komponiert und schrieb insgesamt - damit auch im Gefolge der Romantik - an die 150 Lieder. Den Liedern von op. 10 (Zueignung - Die Nacht u.a. ) liegen Gedichte des Juristen, Verwaltungsbeamten und liberalen Hermann von Gilm zu Rosenegg (1812-1864) zu Grunde. Weitere Gedichte op. 21+27 (1895) stammen von anderen Dichtern. Schon Johannes Brahms hatte seine Lieder für Violoncello und Klavier bearbeitet. Raphaela Gromes und Julian Riem befinden sich also mit ihren Arrangements der Strauß´schen Lieder in bester Gesellschaft und liefern damit herrliche Charakterstücke für diese Besetzung. Bei der Aufnahme bleiben keine Wünsche offen. Und die Bearbeitung des Rosenkavaliers-Walzers von Julian Riem für Cello und Klavier ist ein besonderes Vergnügen am Ende dieser kammermusikalischen Juwels. Anrührend, daß die Cellistin die Aufnahme ihrem 2019 verstorbenen Vater, dem Cellisten Wilhelm Gromes zueignet. Ihm verdankt sie ihre Begeisterung für das Violoncello.
 
Raphaela Gromes & Julian Riem - Richard Strauss 1864-1949: Cello Sonatas.
Sonate F-Dur für Clavier und Violoncello, Urfassung 1881. Ausgewählte Lieder, arr für Violoncello und Klavier. Sonate F-Dur für Violoncello und Pianoforte op. 6 (1883). Der Rosenkavalier: Waltz Suite (arr. Von Julian Riem).
Raphaela Gromes (Violoncello) - Julian Riem (Klavier, Bearbeiter )
Titel:
1. Cello Sonata in F Major, [Op. 6, TrV 115], 1st Version
I. Allegro con brio - II. Larghetto - III. Finale. Allegro vivace
2. 8 Gedichte aus 'Letzte Blätter', Op. 10, TrV 141: I. Zueignung (Arr. for Cello and Piano by Julian Riem)
3. 8 Gedichte Aus 'letzte Blätter', Op. 10, Trv 141: III. Die Nacht (Arr. For Cello And Piano By Julian Riem)
4. Schlichte Weisen, Op. 21, TrV 160: II. Du meines Herzens Krönelein (Arr. for Cello and Piano by Julian Riem)
5. Schlichte Weisen, Op. 21, Trv 160: Iii. Ach Lieb, Ich Muß Nun Scheiden (Arr. For Cello And Piano By Julian Riem)
6. 4 Lieder, Op. 27, TrV 170: II. Cäcilie (Arr. for Cello and Piano by Julian Riem)
7. 4 Lieder, Op. 27, TrV 170: IV. Morgen! (Arr. for Cello and Piano by Julian Riem)
8. Cello Sonata in F Major, Op. 6, TrV 115, 2nd Version
I. Allegro con brio - II. Andante ma non troppo - III. Finale. Allegro Vivo
9. Der Rosenkavalier, Op. 59, TrV 227: Walzerfolge (Arr. for Cello and Piano by Julian Riem)
Gesamtzeit:
 
Weitere Informationen: https://sonyclassical.de