Eine absolut unverdauliche Mischung, die einem den Magen umdreht

„Jojo Rabbit“ von Taika Waititi

von Renate Wagner

Jojo Rabbit
USA 2019

Drehbuch und Regie: Taika Waititi
Mit: Roman Griffin Davis, Scarlett Johansson, Taika Waititi, Sam Rockwell, Thomasin McKenzie, Rebel Wilson u.a.
 
Natürlich haben wir es mit den Satiren über das Dritte Reich nicht so einfach, wir sind die Nachfahren der „anderen“ Betroffenen, wir tragen die Last ihrer Verantwortung. „Hitler“-Parodien fallen nicht immer so brillant aus wie bei Chaplin, manches mochte berühmt und dann doch für unser Gefühl spekulativ peinlich sein wie Roberto Benignis „Das Leben ist schön“. Aber was tun mit „JoJo Rabbit“, auch angesichts des Jubels, der wie ein Tsunami über diesen Film des Neuseeländers Taika Waititi hereinbrach?
Die „Golden Globe“-Nominierungen zogen zwar (glücklicherweise) keinen Preis nach sich, aber sechs (!) Oscar-Nominierungen, darunter für den Besten Film (!), das macht ziemlich fassungslos. Auch das, was Hollywood als „Komödie“ empfindet, wenn in einer Szene immerhin der kleine Held des Films die Beine seiner Mutter umklammert, die am Hauptplatz von den Nazis gehenkt am Galgen baumelt… wahnsinnig lustig.
Taika Waititi – halb Maori, halb europäisch-jüdischer Abstammung – ist der Regisseur, den man aus Neuseeland holte, wo er erfolgreiche Filme gemacht hatte, um dem Marvel „Thor“ ein neues Gesicht zu verpassen. Das tat er, und wie. Sein Talent für Komik ist unleugbar, endlich war der nordische Held einmal anzusehen. Es heißt, Waititi habe das Geld, das er damit verdient hat, in die Produktion von „Jojo Rabbit“ gesteckt, in der edlen Absicht, eine „Anti-Kriegs-Satire“ zu drehen und „die Nazis und ihre Überzeugungen zu veralbern“, wie er in Interviews sagte. Nun, lachen darf man bekanntlich über alles (wenn selbst Taboris Formulierung, der kürzeste Witz sei „Ausch-witz“, nicht so wirklich lustig war). Man muß es nur richtig machen.
 
Hier sind wir im Dodelland, im Dritten Reich, die „Heil Hitlers“ fliegen nur so albern durch die Lüfte, Scarlett Johansson hat ein Steirerhütl auf, sieht entzückend töricht aus und ist Rosie Betzler, die scheinbar so naive Mama des kleinen Helden: der zehnjährige Jojo (Roman Griffin Davis), der – wie die meisten Kinder damals – nichts anderes sein will als ein ganz toller Hitlerjunge. Im Trainingslager wollten sie es ihm beibringen. Daß Hauptmann Klenzendorf (Sam Rockwell) und Fräulein Rahm (unverkennbar Rebel Wilson) wie Idioten aus dem allerletzten Kabarett-Sketch daher kommen, versteht sich. Leider hat Jojo nicht die Nerven, eigenhändige ein Kaninchen umzubringen, was offenbar zu den Fähigkeiten eines Hitlerjungen gehört. Der böse Spitzname „Jojo Rabbit“ bleibt ihm.
Macht nichts, er hat einen Trost: Der „Führer“ persönlich ist sein Freund. Nun ist das eigentlich eine glaubhafte Idee: daß ein kleiner Junge, dessen Vater im Krieg ist und den er lange nicht gesehen hat, sich einen väterlichen Freund erträumt. Und warum nicht der Allerhöchste selbst? Hitler ist da, in Uniform, und plaudert mit ihm. Lobt ihn, muntert ihn auf, ist geradezu nett. Zwar ist der Gröfaz in Gestalt von Regisseur Taika Waititi geradezu schwachsinnig, wie er seine Sprüche und Theorien klopft, aber ja… das könnte als Jungen-Phantasie stimmen.
Daß die Mama von Jojo gar keine so überzeugte Nazisse ist (was sie später mit dem Leben bezahlt), bemerkt man, als Elsa (Thomasin McKenzie) aus ihrem Versteckt auftaucht. Denn Rosie Betzler gibt ihr Unterschlupf, und Jojo, der von den Juden das Allerabscheulichste gehört hat, kann sich nun eine „echte“ Jüdin ansehen, die nur ein wenig älter, aber viel klüger ist als er – und imstande, über alle antisemitischen Vorurteile zu scherzen. Daß Jojo am menschlichen „Lokalaugenschein“ hier ein paar Erkenntnisse gewinnt, die ihn über den Tellerrand der ideologischen Verhetzung hinaussehen lassen – ja, auch das wäre für einen Film brauchbar gewesen.
 
Wenn die Geschichte nicht dermaßen brutal holzhammermäßig auf „witzig“ gemacht und dabei eigentlich witzlos wäre, wenn die Mischung mit echten Brutalitäten (nicht nur die Hinrichtung der Mutter) einem nicht den Magen umdrehten; wenn man überhaupt imstande ist, über solche Dinge zu lachen. Nicht einmal mit Befriedigung, wenn der Krieg dann aus ist und die Amerikaner den Hauptmann Klenzendorf wegschleppen.
Es ist eine absolut unverdauliche Mischung, die Waititi hier als Drehbuchautor, Regisseur, Produzent und Darsteller abliefert, aber offenbar hat er viele Menschen (auch Kritiker, wenn auch glücklicherweise nicht alle) davon überzeugt, daß er sich souverän über die Nazis lustig gemacht hat. Hat er nicht. Er hat sich nur keinen billigen Gag entgehen lassen und spekulativ ein bißchen Schock dazwischen gemischt. Wozu eigentlich?
Wenn schon Nazi, dann Christoph Waltz in Tarantinos „Inglourious Basterds“, wo Lachen und Terror so unvergleichlich auf einer höheren Filmebene amalgamiert wurden. Anders geht es nicht.
 
 
Renate Wagner