Eine Freak-Show

„Shockheaded Peter“ vom Rheinischen Landestheater Neuss

von Daniel Diekhans

Shockheaded Peter, Laila Richter - Foto: Marco Piecuch

Eine Freak-Show
 
„Shockheaded Peter“ vom Rheinischen Landestheater Neuss
 
Eine „Junk Opera“ von Phelim McDermott und Julian Crouch nach „Der Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann. Mit Musik von The Tiger Lillies. Ins Deutsche übersetzt von Andreas Marber. Altersempfehlung: ab 14 Jahren.
 
Inszenierung: Philipp Moschitz - Bühne und Kostüme: Isabelle Kittnar
Besetzung: Philippe Ledun, Ulrich Rechenbach, Laila Richter, Antonia Schirmeister, Sarah Wissner
Band: Matthias Flake, Leo Henrichs und Pablo Liebhaber
 
Generationen von Kindern hat das „Struwwelpeter“-Buch das Gruseln gelehrt. 1844 erstmals veröffentlicht, glänzen die vom Arzt Heinrich Hoffmann erdachten Geschichten noch heute durch Drastik und Grausamkeit. Charaktere wie Suppenkasper und Zappelphilipp sind sprichwörtlich geworden. Vor gut 20 Jahren nahmen sich die britischen Theatermacher Phelim McDermott und Julian Crouch den „Struwwelpeter“ vor und destillierten daraus – gemeinsam mit der Band The Tiger Lillies – ein schwarzhumoriges Musiktheaterstück.
Mit diesem „Shockheaded Peter“ tourt zurzeit das Rheinische Landestheater Neuss und machte auch Station im Remscheider Teo Otto Theater. Auf die komische Szenenfolge stimmt die Band ein, die mit auf der Bühne sitz. Schon während die 150 Gäste ihre Plätze einnehmen, spielen „The Shockheads“ – Matthias Flake, Leo Henrichs und Pablo Liebhaber – angenehm schräge Melodien. Dann hatte der Struwwelpeter seinen großen Auftritt. Genauer: Schauspielerin Laila Richter.


Shockheaded Peter, Ulrich Rechenbach - Foto: Marco Piecuch

Mit Scherenhänden und verwuschelter Langhaarperücke kommt sie nah ran an den „garstigen“ Buhmann aus der Buchvorlage. Ihre rot-blaue Uniform erinnert dagegen an einen Zirkusdirektor. Wie dieser macht Richter Ansagen, führt durch die Handlung und kommentiert sie. Und gibt zu Beginn ein Versprechen ab: „Unsere Freaks sind nicht die Kinder, sondern die Eltern.“ Das klingt nach einem echten „Anti-Struwwelpeter“. Nach einem Stück, in dem nicht die Kleinen, sondern die Großen – Vertreter der Ordnung und Autorität – karikiert werden.
Vielversprechend ist auch das Bühnenbild von Isabelle Kittnar. Auf einer Drehbühne erscheint mal eine geschlossene Hausfront, mal ein grell ausgeleuchteter Innenraum. Klar, Familien sind geschlossene Systeme, in die Außenstehende selten einen Einblick bekommen. Für Einblicke sorgt hier die rotierende Bühne, die der Struwwelpeter von Szene zu Szene in Gang setzt. Was das Publikum zu sehen bekam, war nun aber nicht wie angekündigt eine Satire gegen Erwachsene und ihr Fehlverhalten.
 

Shockheaded Peter, Band - Foto Marco Piecuch

Von A bis Z zeigt Philipp Moschitz eine Freakshow. Familien, deren Mitglieder sich allesamt ungehemmt daneben benehmen. Im rasant-hektischen Spiel von Philippe Ledun, Ulrich Rechenbach, Antonia Schirmeister und Sarah Wissner ist für Nuancen kein Platz. Zwischendurch fielen ein paar Gags ab, die das Publikum dankbar beklatschte. Der Zappelphilipp ist ein ADHS-Kid, der Suppenkasper magersüchtig – auch aus den modernen Lesarten, die „Shockheaded Peter“ bietet, macht der Regisseur nicht viel.
Stattdessen setzt er auf visuelle Effekte. Da fackeln die Schauspieler ein Puppenhaus ab oder verspritzen Kunstblut. Ganz zum Schluß schwebt eine Struwwelpeter-Puppe gen Schnürboden, und Richter beschwört „die Kraft der Fantasie“. Die Frage ist nur: Hilft einem Fantasie aus realen, bedrückenden Familienverhältnissen heraus? Bezeichnend war, daß die Musiker beim Gastspiel im Teo Otto Theater stärkeren Beifall bekamen als die Schauspieler.
 
Weitere Informationen: https://rlt-neuss.de