Also so ’ne Art Politbarometer...

von Fritz Eckenga

Foto © Frank Becker

Also so ’ne Art Politbarometer...
 
Weil ich sowieso noch Zigaretten brauchte bin ich mal eben raus zur Bude Kippen holen, und, hab’ ich gedacht, okay, bei der Gelegenheit kannst du auch gleich mal so ’ne repräsentative Umfrage machen, also so ’ne Art Politbarometer.
Aktuelleres Material können sie praktisch nirgendwo bekommen. Damit die Leute da an der Bude/ in der Kneipe sich nicht so erschrecken, hab’ ich die Umfrage ganz klassisch angelegt.
Der erste, den ich gefragt hab’, war ein Mann (ca. 50 J. alt, 0,5 l Bier):
 
Guten Tag. Wen würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre?
 
Nächsten Sonntag kann ich nicht wählen. Nächsten Sonntag hab’ ich die Kinder. Ich hab’ ja alle drei Wochen die Kinder. Ich hab ja nur so ’n Besuchsrecht, daß die Kinder alle drei Wochen am Freitag Abend zu mir kommen und ich bring’ die dann am Montag früh wieder zurück. Also die Kleine bring’ ich in den Kindergarten und den Jungen zur Schule. Montag Mittag könnt’ ich dann wählen. Aber dann ist es ja zu spät.
 
Dann war da noch ’ne jüngere Frau (ca. 25, 0,3 l Wodka Red Bull) und die hab’ ich gefragt: Wer bekommt die europäische Schuldenkrise besser in den Griff, Frau Merkel oder …?
 
Ich krieg’ das schon innen Griff. Ich bin seit acht Wochen im Methadon-Programm. Da brauch’ ich keine Merkel und keinen irgendwen für. Verpiss Dich, Du Wichser.
 
Und dann fragte ich noch einen älteren Herrn (70, Frühstückskorn 0,25 l): Wer ist Ihrer Meinung nach der fähigste deutsche Politiker?
 
Tot oder lebendig?
 
Lebendig.
 
Der Dings. Der … ach, wie heißt der denn nochmal …? Die Besten gehen ja immer zu früh. Denk‘ doch nur mal an den Dings, den Joseph Fischer. Ja, wenn wir den noch hätten. Und dann nehm’ ich noch ne Dose Imperial zum Stopfen (gib’ mal noch
’n Korn).
 
Dann kam nochmal der Mann vom Anfang zurück und sagte: 
 
Ich hab’ mal überlegt, ob ich Briefwahl mache. Das könnte ich ja auch montags machen, wenn ich die Kinder wieder abgeliefert habe.
 
Und wen würden Sie wählen, wenn am Montag Briefwahl wäre?
 
Ach, ich weiß nicht, vielleicht würd’ ich es erst dienstags machen. Montags bin ich immer sehr niedergeschlagen. Wissen Sie, wenn ich die Kinder weggebracht habe, dann kommen die ganzen alten Geschichten wieder hoch.
 

Soweit das Stimmungsbild außerhalb dieses Saals. Und? Wie isses hier drin? Mindestens genauso gut, oder? Ja, das merkt man sofort. Wenn aktuelle, brisante Ereignisse angesprochen werden, dann ist da sofort so ’ne ganz andere Spannung – da ist Strom in den Tapeten, es brizzelt, da merkst du als Künstler, du hast den Nerv der Menschen getroffen. Du hast alles richtig gemacht. Du hast deinen Platz gefunden. Auf der Bühne. Ganz nah bei ihnen.
 
Gut – mit meinen Fähigkeiten könnte ich selbstverständlich auch nochmal woanders von vorn anfangen… also, ich will nicht unnötig bescheiden wirken, aber ich könnte jederzeit auch ’ne amtliche Leitungsfunktion bekleiden. Freie Wirtschaft. CEO (Chief Executive Officer). Top-Manager. Ja, was denn?
 
Mach’ ich doch locker, mit links. Und wieso mit links? Weil ich die rechte Hand frei haben muß. Zum Annefüßespielen. Oder Nasebohren. Oder die Gegensprechanlage bedienen: Sandra  – jetzt mal bitte drei Stunden lang keine Gespräche durchstellen, ich muß die neuen Quartalszahlen prüfen. Oder irgend so ’n anderen Nullsatz abhusten. Irgendwas, was  auffen ersten Hieb so klingt, als wär’ schwer Bedeutung mit drin. Irgendwas mit Zeitfenster, Entwicklungsprognose, Restrukturierungskonzept. So ’n Leitungsfunktionshosenträger-Geblubber, mit dem die Top-Führungskraft sich beatmet, aufpumpt, solange, bis das Ego dermaßen pralle ist, dass die Top-Führungskraft an ihrem eigenen Heißluftballon hoch über den Dingen schweben kann und sich selbst glaubt, was sie ständig behauptet.
 
Gut, sie sagen jetzt, der Kleinkunst-Kasper soll mal den Kopp zumachen. Was weiß er denn vom Anforderungsprofil eines Top-Managers im globalisierten dritten Wirtschafts-Jahrtausend? Nix weiß er davon.
Und wissense was? Ich gebe ihnen ansatzlos recht. Nix weiß ich davon. Kein Schimmer. Ich bin hoffnungslos unterqualifiziert. Blöd wie Brot.
 
Ehrlich, wenn sie mich auf irgend so ’n Vorstandsposten bei Thyssen-Krupp gesetzt hätten, ich hätte glatt für Zig-Milliarden Stahlwerke in brasilianischen Sumpfgebieten bauen und absaufen lassen. Oder stellen sie sich mal vor, so’n Top-Konzern wie General Motors hätte mich auf den Vorstandssessel von Opel Bochum geliftet. Ich hätte die Klitsche aber sowas von vor die Wand gefahren. Die könnten sie jetzt höchstens noch als Endlager für Schrott-Handys von Nokia gebrauchen. Oder als Derivat-Container der WestLB / Hypo-Real, Commerz- oder ’ner andern Bad-Bank.
Ich will wirklich nicht mit meiner Unfähigkeit kokettieren. Ich will nur ehrlich sein. Und die Wahrheit ist: Ich würde mir noch nicht mal zutrauen, in Berlin einen Großflughafen zu bauen. Nein, ich würd’ das nicht hinbekommen.
 
Ganz klar: Bei den richtig wichtigen Problemen müssen die richtigen Experten ran. Ich halte es da mit dem hochdekorierten Weltenretter Bruce Willis, der in einem ähnlichen Zusammenhang mal ganz richtig sagte: „Gottseidank, daß es diese verdammt guten Leute gibt, die diese verdammten Drecks-Job für uns machen!“
 
 
© Fritz Eckenga

Redaktion: Frank Becker