Die Partei, die Partei, die hat immer recht! Eine Betrachtung zum Tag der Deutschen Einheit Die Wiederholung eines Beitrages aus aktuellem Anlaß.
Hymnen und Herzblut im sozialistischen Kulturgut
Heute habe ich einem Festakt zum Tag der Deutschen Einheit beiwohnen dürfen. An den Anfang der Feierstunde zu diesem deutschen Feiertag hatten die Organisatoren die Europahymne „Ode an die Freude“ aus dem Finale von Beethovens 9. Sinfonie gestellt, die ja stets fatal an die Hymne der DDR „Auferstanden aus Ruinen“ erinnert. Oder war das umgekehrt? Na, egal. Erst danach folgte die (Gesamt-)deutsche Nationalhymne mit dem Text der dritten Strophe von August Heinrich Hoffmanns „Lied der Deutschen“, das er ohne Hybris 1841 im Helgoländer Exil gedichtet hatte, zur Musik von Joseph Haydns Quartett „Gott erhalte Franz den Kaiser“. Der Saal war mit 620 Personen, durchweg honorigen Bürgern, bis auf den letzten Platz besetzt. Als die Hymne von einem veritablen Sinfonieorchester angestimmt wurde, standen alle nach Aufforderung zum gemeinsamen Singen gemessen auf - und aus 620 Kehlen kam ein Säuseln. Hätte ich eine Chorkritik abfassen müssen, so wäre die Formulierung angemessen gewesen: „...sehr verhalten, noch fehlt dem Chor die richtige Emphase“. Wo ist das Herzblut?
Viel mehr davon, nämlich vom Herzblut, spürt man neben unerträglichem Friede, Freude, Eierkuchen- Kitsch, Sozialismus- und Kampfeswillen-Gedusel in den von klebrigem Nationalpathos und blind ergebener Vasallen-Treue überfließenden Kampf- und Bekenntnisliedern und -hymnen der Zeit des damals angeblich real existierenden Sozialismus. Der Barbarossa Musikverlag in Kleinmachnow verfügt über einen Schatz an jedoch real existierenden Tonaufzeichnungen solch vaterländischen und Moskau-treuen Liedguts. Die Original-Aufnahmen aus dem DDR-Musikarchiv sind ein faszinierender, zugleich erschreckender Rück-Spiegel auf eine Diktatur, die gerade mal vor 18 Jahren auf deutschem Boden zu Ende ging und nach der nicht wenige mit einer gewissen Sehnsucht nach Ordnung zurückschielen. Aber das war ja nach dem Dritten Reich ganz ähnlich. Verblendete gibt es immer. Historische Fundgrube Die jedoch sind gewiß nicht das Zielpublikum der Edition, die ich Ihnen hier kurz umrissen vorstellen
Packende Hymnen Ahnend, daß ich heute das Deutschlandlied hören (und singen) würde, hörte ich mir auf dem Weg im Auto Lieder der „anderen Seite2 auf der CD »„Dem Morgenrot entgegen“ - Hymnen« an und lernte einmal mehr: eine Hymne muß vorhandene Gefühle ansprechen und da, wo diese noch nicht im nötigen Maß bestehen, für deren Kultivierung sorgen. Eine Hymne muß in Text und Ton mitreißen.
Das Lied der Partei Aber zurück zu der verdienstvollen CD-Edition mit DDR-Liedgut. Als ich ein Knabe von drei Jahren war, vom Fenster der elterlichen Wohnung die Jungen Pioniere mit ihren blauen Halstüchern marschieren sah und zu meiner Mutter sagte: „Mutti, ich will auch zu die Punieren!“, war für meine vom Dritten Reich und dem Krieg geschundenen Eltern klar: wir müssen hier weg. Sie haben mir die Begegnung mit Liedern wie „Bald bin ich junger Pionier“ (sic!), „Wir tragen die blaue Fahne“, „Hör ich die Soldaten singen“, „Freie Jugend, neues Leben“, „Herrlicher Baikal“, „Der Volkspolizist“, Unsere Patenbrigade“, „Marsch der Nationalen Volksarmee“, „Fritz der Traktorist“, „Dank an die Sowjetarmee“, „Sieger der Winterschlacht“ und nicht zuletzt das „Lied der Partei“ erspart. Danke! Immer wieder fassungslos stehe ich vor dem zuletzt erwähnten „Lied der Partei" aus dem Jahr 1950, das Louis Fürnberg in Text und Musik verbrochen hat. Man kann einfach den Kadavergehorsam nicht begreifen, wenn es auch an einer gewissen Ironie nicht gebricht, liest man die Zeilen: „So aus Lenin'schem Geist/ Wächst von Stalin geschweißt/ Die Partei, die Partei, die Partei“. Stalin hat man sich ja im März 1953 schnell von der Backe geputzt, als er in die ewigen Parteigründe einging.
Zur Abschreckung und zum Schluß hier der vollständige Text:
Lied der Partei
„Sie hat uns alles gegeben,
Sonne und Wind und sie geizte nie.
Wo sie war, war das Leben, Was wir sind, sind wir durch sie. Sie hat uns niemals verlassen, Fror auch die Welt, uns war warm. Uns schützt die Mutter der Massen, Uns trägt ihr mächtiger Arm. Refrain: Die Partei, die Partei, Die hat immer recht Und Genossen es bleibe dabei, Denn wer kämpft für das Recht, Der hat immer recht Gegen Lüge und Ausbeuterei. Wer das Leben beleidigt, Ist dumm oder schlecht, Wer die Menschen verteidigt, Hat immer recht.
So aus Lenin'schem Geist Wächst von Stalin geschweißt Die Partei, die Partei, die Partei. Sie hat uns niemals geschmeichelt. Sank uns im Kampfe auch mal der Mut, Hat sie uns leis nur gestreichelt: "Zagt nicht!" und gleich war uns gut. Zählt denn noch Schmerz und Beschwerde, Wenn uns das Gute gelingt, Wenn man den Ärmsten der Erde, Freiheit und Frieden erzwingt? Refrain: ... Sie hat uns alles gegeben,
Zimmert das Haus und die Wiege, Bauleute, seid auf der Wacht! Refrain: ...Die Partei, die Partei, Sie hat immer recht Und Genossen es bleibe dabei, Wer da kämpft für das Recht, Der hat immer recht Gegen Lüge und Ausbeuterei. Wer das Leben beleidigt, Ist dumm oder schlecht, Wer die Menschen verteidigt, Hat immer recht. So aus Lenin'schem Geist Wächst von Stalin geschweißt Die Partei, die Partei, die Partei.“ Der Beitrag erschien am 3.10.2008 erstmals in den Musenblättern.
© Frank Becker
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