Reisen zu Andrea Palladio

Stadt und Region Vicenza feiern den 500. Geburtstag des Renaissance-Baumeisters

von Frank Becker

Andrea Palladio - gemalt von El Greco
Foto © Frank Becker

Reisen zu Andrea Palladio


Stadt und Region Vicenza laden mit ihren architekturhistorisch

einzigartigen Reichtümern zu einem Besuch und zu den Feiern

seines 500. Geburtstags ein


Die Häuser der Altstadt von Vicenza drängen sich dicht an die Basilica Palladiana, wie um Schutz in der Nähe ihrer trutzigen Mauern zu finden. Weithin sichtbar glänzt im Sonnenlicht das frische Kupfer auf dem Dach des mächtigen Gebäudes, das auch „Palazzo della Ragione“ genannt wird, „Palast der Vernunft“. Vicenza, Verwaltungssitz seit 49 n.Chr. und seither mit Stadtrechten ausgestattet, mehr als „nur“ irgendeine Provinzhauptstadt, putzt derzeit sich und die Architekturen, die einen Gutteil für die Berühmtheit der Stadt getan haben, mit viel Aufwand und Liebe heraus.

Der Anlaß ist die Mühen wert: Vor 500 Jahren, genauer: am 8. November 1508 wurde der wohl berühmteste Architekt der Renaissance und einer der einflußreichsten Baumeister der Architekturgeschichte schlechthin im nicht weit entfernten Padua geboren. Andrea Palladio, Sohn eines Müllers, erkor Vicenza von 1523 an zum Mittelpunkt seines Wirkens, wenn er auch viel in Rom und Venedig arbeitete und seine wichtigsten Kirchen später in Venedig entstanden.


Vicenza, eine beschenkte Provinz


Im nordöstlichen Italien liegt im Herzen des fruchtbaren Veneto die kulturhistorisch beschenkte

 
Basilica - Foto © Frank Becker
Provinz, die ihren Namen von ihrer Verwaltungshauptstadt herleitet und die ihren historischen Glanz zu großen Teilen auch durch die erhalten gebliebenen Architekturen bewahrt: Vicenza. Kein Reisender, der diese Region besucht, wird an den prächtigen, bis heute genutzten Villen und Palazzi, den Landhäusern, Brücken, Schlössern, Befestigungsanlagen und Burgen vorbeikommen, die in einem dichten Netz und ungeahnter Fülle Vicenza umgeben. Vor allen anderen Architekten, die dem Bild der Landschaft mit ihren markanten Bauten bis auf den Tag Charakter verleihen, ist Andrea Palladio der größte. Sein Name steht für eine Hochblüte der Baukunst und eine charakteristische Stil-Entwicklung, die als „Palladianischer Klassizismus“ Weltruhm erlangte. Das architektonische Erbe Palladios, Weltkulturerbe der UNESCO, wird sorgfältig gepflegt und nicht nur museal bewahrt. Wer mit offenen Augen (und vielleicht mit einem kleinen Architektur-Reiseführer in der Hand) Vicenza und Umgebung bereist, wird nicht nur mit Respekt und Andacht vor den Zeugnissen der Kultur Italiens stehen – der interessierte Reisende ist in den meisten Fällen auch willkommen, das Erhaltene zu besichtigen.


Die Basilica


Beginnen wir unseren kleinen virtuellen Rundgang bei der oben bereits erwähnten Basilica mit dem Torre di Piazza im Kern des alten Vicenza an der Piazza die Signori, zwischen den Piazze delle Biade und delle Herbe. Die Geschichte der Bauzeit spannt sich über nahezu 200 Jahre, die schließliche Vollendung geht auf verbesserte stilistische und statische Pläne Andrea Palladios zurück, nach denen 30 Jahre nach seinem Tod abgeschlossen wurde, was er genial entworfen hatte. Bis 2010 wird die fällige Erneuerung der hoch aufstrebenden Holzkonstruktion des Dachstuhls und der kupfernen Dachkuppel dauern, danach wird die Basilika zu einer ständigen Palladio-Ausstellung. Eine andere Ausstellung kann derzeit noch bis 20. Juli im Palazzo Barbaran da Porto besichtigt werden: Holzmodelle im Maßstab 1:33 zeigen auf mehreren Etagen beeindruckend den Adel des palladianischen Stils. Die handgefertigten Modelle, welche im Aufriß auch das Innenleben der nachgebauten Villen und Palazzi präsentierenden, sollen nach dem Verständnis der Aussteller


Teatro Olimpico - Foto © Frank Becker
Einladung sein, sich intimer mit den Gebäuden zu beschäftigen. Wir werden auf diesen Palazzo in der Contrà Porti Nr. 11, den Palladio 1569-71 verwirklichte, noch einmal zu sprechen kommen, denn dort befinden sich die Oberintendanz für Denkmalsschutz, das Internationale Zentrum für Architekturstudien und ein Palladio-Museum.


Teatro Olimpico - Palladios Vermächtnis


Der Weg zu den anderen Sehenswürdigkeiten, ebenfalls dem Weltkulturerbe zugerechnet, ist nicht weit, denn Vicenza ist überschaubar und auch die außerhalb gelegenen Villen (Landhäuser) in erreichbarer Nähe. Man erreicht sie leicht mit dem eigenen Wagen oder mit interessanten geführten Rundfahrten. Doch zunächst wenden wir uns einem weiteren legendären Bau im Zentrum der Stadt zu – dem Teatro Olimpico. Am nordöstlichen Ende des an Bauten Palladios reichen Corso Andrea Palladio – wie auch sonst sollte der Boulevard heißen? - gelegen zählt dies zu den interessantesten Bauwerken der Region gehörende Theater quasi zum Nachlaß des genialen Baumeisters. 1580, nur wenige Monate vor seinem Tod, hat Palladio die Entwürfe fertiggestellt. Sein Sohn Silla vollendete diesen ersten modernen Theaterbau der Geschichte mit Hilfe des Architekten Vicenzo Scamozzi. Ein Besuch des halbrunden Theatersaals mit seinen steil aufsteigenden Rängen, Stilelementen der römischen wie griechischen Historie, der schrägen perspektivischen Bühne, die raffiniert Tiefe vortäuscht, den Deckenfresken und mit den ringsum die Galerie krönenden Skulpturen aus anonymer Werkstatt gehört zum Pflichtprogramm. Ohne das Teatro Olimpico, Palladios letztes Projekt, hätte man eines einer wichtigsten Gebäude versäumt.


 
La Rotonda - Foto © Frank Becker
"La Rotonda"


Durch den Arco delle Scalette an der Piazzale Fraccon im Südosten verläßt man Vicenza in Richtung Süden, wo man schon nach knapp zwei Kilometern auf einem Hügel der imposanten Villa Almerico Capra Detta „La Rotonda“ ansichtig wird – einer der prächtigsten Palladio-Bauten der Region und durch ihre Lage und die charakteristische Kuppel ein Blickfang und Wahrzeichen ohnegleichen. Stein gewordener Ausdruck von Wohlstand und Macht mit mächtigen Säulen ist der würfelförmig konzipierte Bau, den Kardinal Paolo Almerico wohl um 1550 (andere Untersuchungen vermuten 1570, also ein Spätwerk Palladios) in Auftrag gab. Auch hier wird Vincenzo Scamozzi als Nachfolger genannt. Eine Besichtigung zu arrangieren ist schwer. Vier Wochen vorher sollte man schon eine Verabredung mit den Besitzern des bis auf den Tag bewohnten und genutzten Prachtbaus aus dem Jahr 1566 (Fertigstellung 1569) treffen.



 
Valmarana ai Nani - Foto © Frank Becker
Zu Gast in der Villa Valmarana ai Nani...


Weit leichter, nämlich ständig, bekommt man Zutritt zu einer anderen sehr ansehnlichen Villa in unmittelbarer Nähe. Es ist die von einem großzügigen Park und einer auf Elena Garzadori (1736) zurückgehenden gepflegten Gartenanlage umgebenen Villa Valmarana ai Nani. Ihren Namen hat sie von den Zwergen, den "Nani", die grotesk von ihrer äußeren Umfassungsmauer das Areal bewachen. Aus dem Jahr 1669 zwar nicht von Palladio stammend, doch im Besitz des bekanntesten Portraits Palladios und durch die wunderbaren Fresken von Vater und Sohn Tiepolo aus dem Jahr 1757 im Nebengebäude, der Foresteria weltberühmt, ist die Valamarana in der Via dei Nani den romantischen Spaziergang auf den Hügel, den sie mit Park und Nebengebäuden krönt, allemal wert. Schon die "göttliche" Sarah Bernardt und Guglielmo Marconi waren hier zu Gast und haben gewidmete Fotos hinterlassen.


...und bei der Contessa Maria Sofia Valmarana


Hinzu kommt, daß der Glückliche unter den Besuchern auf die liebenswerte Contessa Maria Sofia Valmarana treffen kann, die das Obergeschoß der Palazzina, des Herrenhauses bewohnt und


Contessa Maria Sofia Valmarana Foto © Frank Becker
polyglott auch in bestem Deutsch aus ihrem Leben und der Geschichte der Familie erzählt. Hier atmet ein Museum den Hauch der Jahrhunderte und lebt mit dem Charme seiner Besitzerin, die erlaubt hat, ihr Alter zu nennen: 85. Ein Foto auf der Kredenz zeigt sie als bildhübsche 18-jährige. In der später erbauten Forestia überwältigen den Betrachter neben einer erlesenen Bibliothek die Tiepolo-Fresken mit Szenen des bäuerlichen und des adeligen Lebens sowie Impressionen Chinas. Die kultivierte Atmosphäre der Gesamtanlage lädt auch zum Quartier nehmen im angeschlossenen Gästehaus ein, das zeitgemäßen Luxus in archaischen Mauern bietet.


 
Adel Elgendy in Aktion
Foto © Frank Becker
Station in Marostica


Wer in Vicenza Quartier genommen hat und einen schönen Tagesausflug unternehmen möchte, der ihm ein weiteres glänzendes Bauwerk Andrea Palladios präsentieren soll, wendet sich noch Nordosten. Knapp 20 Kilometer geht die Fahrt bis zur sehenswerten Zwischenstation, der  Burganlage von Marostica, deren an den Berg geschmiegte Festungsmauern mit einem Hauch von chinesischer Mauer eine touristische Attraktion sind. Nach einem Mittagessen im „Ristorante al Castello Superiore“, das einzig wegen des filmreifen ägyptischen Oberkellners Adel Elgendy lohnt, geht die Fahrt knapp fünf Kilometer weiter ins malerische Bassano del Grappa.


Bassano - Perle an der Brenta


Hier lockt nicht nur eine pittoreske Altstadt mit engen Gassen, hübschen kleinen Piazze, gediegenen Restaurants und einer wehrhaften Stadtmauer – die Hauptattraktion ist die Ponte Vecchio, heute

 
Bassano Ponte Vecchio - Foto © Frank Becker...
unter dem Namen Ponte degli Alpini bekannt. Schon seit dem 12. Jahrhundert spannt sich die überdachte Holzkonstruktion über den Fluß Brenta und bildet seit je den Übergang zwischen Bassano und Vicenza. Mehrfach fiel die Konstruktion dem Hochwasser der Brenta zum Opfer, bis 1569 Andrea Palladio sie mit wellenbrechenden trapezförmigen Pfeilern neu konstruierte. 1750, 1813 und 1948 wurde bei notwendigen Erneuerungsarbeiten klug auf Palladios Entwürfe zurückgegriffen. Als Wahrzeichen der Stadt und Region ist die bildschöne Ponte Vecchio ein prächtiges Dokument architektonischen Genies. Nicht versäumen, lieber Reisender!


 
...und in einem Gemälde von Roberto Roberti (1825)
2008 - das Jahr Palladios


2008 ist bereits als das Jahr Andrea Palladios (1508-1580) apostrophiert. Die Anstrengungen in Stadt und Provinz Vicenza, dem Welterbe gerecht werdend zum internationalen Treffpunkt der Palladio-Verehrer zu werden, zeigen Erfolg. Höhepunkt wird eine Ausstellung im Palazzo Barbaran da Porto vom 20. September bis zum Januar 2009, für die alle erhalten gebliebenen Zeichnungen Andrea Palladios, Modelle, Bilder, Schriften, und Dokumente, 86 Gemälde aus allen Ecken der Welt, Animationen, Rekonstruktionen von Ideen, Originalstücke von Säulenkapitellen und ein angebliches Original-Portrait des ansonsten nur auf Portraits zweiter Hand dargestellten Renaissance- Baumeisters herbeigeschafft wurden. Der Briefwechsel des Malers El Greco mit Palladio wird als Beweis für die Echtheit des in der dänischen Königlichen Gemäldegalerie Kopenhagen aufgefundenen Bildes ins Feld geführt. Die Ausstellung wird auf jeden Fall in ihrer Form einmalig sein, weil die Zeichnungen danach zur Regeneration für die folgenden 20 Jahre im Dunkeln bleiben müssen. Leihgaben kommen u.a. aus dem Louvre, dem Rijksmuseum, der Sammlung Windsor, dem Kunsthistorischen Museum Berlin, dem Prado, aus Manchester, Kopenhagen, Baltimore Florenz, Rom, Berlin. Diverse Bilder Canalettos, der palladianische Architekturen häufig gemalt oder in seine Bilder eingebaut hat, werden zu den ausgestellten Kostbarkeiten zählen. Wenn


Blick von der Rotonda über das Land
Foto © Frank Becker
man an anderer Stelle bemerkt, daß große Ereignisse ihre Schatten voraus werfen, so darf man hier getrost sagen: „Dies große Ereignis schickt sein Licht voraus“.


Hinweise

Ich habe Ihnen hier nur von wenigen der wunderbaren Architekturen berichten können, die Stadt und Provinz Vicenza schmücken, ihnen einen besonderen Reiz geben. Es gibt viel, viel mehr. Die Literatur zum Thema ist mannigfaltig und auch in deutschen Buchläden zu haben.

Informationen über Vicenza, die Region und die mit Andrea Palladio zusammenhängenden Veranstaltungen, sowie die Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier:

In Italien: Consorzio Vicenzaè, Via E.Fermi, 134 – I-36100 Vicenza –
Tel. 0039-0444-994770 - Fax 0039-0444-994779
Oder im Internet www.vicenzae.org - e-mail: info@vicenzae.org

In Deutschland: ImaTur Italia Marketing Touristik Service GmbH, Hohenstaufenring 63, 50674 Köln
Tel. 0221/921 34 30, Fax: 0221/921 34 39 e-mail: info@imatur.de

Von vielen deutschen Flughäfen und Gesellschaften, darunter auch der Lufthansa, wird das benachbarte Verona direkt angeflogen.

Weitere Informationen über Andrea Palladio unter:
www.palladio2008.info und www.andreapalladio.it