Ruhestand für Wolfgang Antweiler

Der Leiter des Wilhelm Fabry-Museums in Hilden verabschiedet sich

von Nadja Murphy

Foto © Wilhelm Fabry Museum
Ruhestand für Wolfgang Antweiler
 
Der Leiter des Wilhelm Fabry-Museums
in Hilden verabschiedet sich
 
Eigentlich hat der Leiter eines Stadtarchivs genug zu tun. Aber als man Dr. Wolfgang Antweiler 1991 antrug, dazu noch das Wilhelm Fabry-Museum zu übernehmen, zeigte er sich bereit. Man kann nur staunen: einmal darüber, was man für ein Vetrauen in Dr. Antweiler setzte, zum anderen über den Mut des Archivars, sich die Museumsarbeit aufzubürden. Gewiß, es gab tüchtige Mitarbeiter, aber von einem Museumsleiter erwartet man Ideen, Planung, Kontakte zu anderen Kulturinstitutionen, ein möglichst publikumswirksames Programm und vieles mehr.
Wolfgang Antweiler hat diese Hoffnungen nicht nur erfüllt, er hat sie alle bei weitem übertroffen.
Was für eine Lebensleistung in fast 30 Jahren! Anerkennung ist hier nicht das richtige Wort. Bewunderung ist am Platze!
 
Was macht man mit einem noch jungen, im Kern medizinisch-historischem Museum? Man kann versuchen, es weiterzuentwickeln. Man kann Fachleute ansprechen und Bildungsangebote für Schulklassen konzipieren. Aber wenn ein solches Museum nicht ein Torso bleiben, sondern eine gewisse Vollständigkeit erlangen soll, dann kostet der Ausbau eine Menge Geld, dann genügen nicht Räumlichkeiten in einer alten Kornbrennerei. Ein Blick auf das Museum der Charité in Berlin oder auf das medizinisch-historische Museum in Ingolstadt zeigt: in einer kleineren Gemeinde sind derartige Überlegungen utopisch.
Wolfgang Antweiler erkannte klar, daß seine finanziellen Möglichkeiten begrenzt bleiben würden. Er sah die Schwierigkeiten, dem Museum ein eigenes Profil zu geben. Man beachte die Nähe zur Museumsstadt Köln, zur Landeshauptstadt Düsseldorf und zu Wuppertal!
Aber es gelang ihm rasch, eigene Akzente zu setzen, und mit der Zeit kam es zu einer Kulturarbeit, die der Stadt Hilden überregionales Ansehen verschaffte. Das erforderte ein enormes Engagement und immense Mühen.
 
Mit seinen „Themenausstellungen“ im Wilhelm Fabry-Museum begründete Wolfgang Antweiler eine unverwechselbare Reihe, die vielfältige Ziele miteinander verband.
Die Auswahl der Themen hielt sich an die medizinische Ausrichtung des Museums, nahm aber immer Bereiche in den Blick, die zu einer weiteren, allgemeinen Bedeutung entfaltet werden konnten. Das begann 1999 mit „Hallo mein Herz!“, einem Auslöser vielfältiger Assoziationen. Es ging weiter über „Tischlein deck‘ dich! – Essen ist ein Bedürfnis, Genießen eine Lust“ (2004), dann mit „Dem Gehirn auf der Spur – Denken, Erinnern, Vergessen“ (2011) und steuerte 2018 mit „Placebo-Nocebo – Die Macht der Gedanken über unsere Gesundheit“ einen – vorläufig letzten! – Höhepunkt an. Das sind nur Beispiele. Insgesamt gab es zehn Ausstellungen mit eindrucksvoller Themenstellung in dieser Reihe. 10 in 28 Jahren – das zeigt auch eine zeitlich vernünftige Planung. Eine Reihe muß „atmen“ können. Nichts schrecklicher, als sich zeitlichen Zwängen auszusetzen und etwa einen jährlichen Rhythmus anzustreben!
Mit seiner Reihe von Themenausstellungen erzielte Wolfgang Antweiler mehrere wichtige Effekte:
Die Themen sprachen viele Menschen an. Die anschauliche Darstellung sorgte für weitreichendes Interesse in der Őffentlichkeit.
Die Themen wurden von Künstlern und Künstlerinnen nicht nur in Hilden und Umgebung als willkommene Herausforderung gesehen und angenommen.
Das Wilhelm Fabry-Museum löste sich aus der Gestalt einer Institution, die Vorhandenes präsentiert und arrivierte Künstler zeigt. Es gab dem Nachwuchs eine Chance, sich mit einem konkreten Gegenstand zu befassen und – auch experimentell – neuartige Lösungen zu versuchen.
Die Zahl der Künstler und Künstlerinnen, die sich der Auswahl-Jury stellten, wurde von Mal zu Mal größer. Bewerber / Bewerberinnen meldeten sich aus ganz Deutschland. Einheimische Künstler konnten sich durchaus behaupten, wie zum Beispiel die sinnenfrohe Ausstellung „Tischlein deck‘ dich!“ bewies. Aus Hilden waren Bilder von Rolf Koenzen, Fritz Küchle und Hans-Joachim Uthke dabei.
 
Mit Begleitveranstaltungen verstand es Wolfgang Antweiler, zusätzlich beim Publikum Interesse zu wecken. Man schaue etwa in das Begleitprogramm von „Placebo – Nocebo“! Da geht es z.B. um „die Zukunft der Krankheit“ oder um „Ihr Gehirn kann mehr als (Sie) denken.“ Vorträge wurden von kompetenten Fachleuten aus der ganzen Bundesrepublik gehalten. Wer zu diesen Vorträgen kam, sah sich auch die Austellung an und erwarb nicht selten einen der immer hervorragend gestalteten Kataloge. Nicht zuletzt das von Jahr zu Jahr fester etablierte Kunstcafé mit den öffentlichen Diskussionen vermehrte die Zahl der Ausstellungsbesucher.
 
Das Wilhelm Fabry-Museum wurde mit der Zeit sowohl ein viel beachtetes Kunstzentrum als auch eine Bildungsinstitution von Rang, beides mit regionaler Ausstrahlung und darüber hinausgehender Anerkennung. Beigetragen hat dazu auch eine von Wolfgang Antweiler betriebene nationale Vernetzung mit Hochschulen und Museen. Ich nenne beispielsweise das medizinhistorische Museum in Ingolstadt, das Museum der Berliner Charité, die Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden und nicht zuletzt die Heinrich Heine Universität Düsseldorf.
Wolfgang Antweiler verstand es geschickt, in den Zeiten zwischen den Themenausstellungen Veranstaltungen zu organisieren, die nie ganz den Bezug zum Bereich „Gesundheit – Krankheit“ verloren. Ich denke etwa an die Ausstellung über das Schuhwerk (mit einem prächtigen Katalog!). Zu enges Schuhwerk kann wahre Qualen erzeugen. Wer hat nicht schon deswegen schmerzende Füße gehabt!
Auch kamen immer wieder einheimische Künstler / Künstlerinnen mit einschlägigen Aspekten in ihrem Werk zur Geltung. Ich nenne Hans-Joachim Uthke mit seiner humorvollen Sicht auf die „Sezierte Medizin“ 2007, mit der Einführung von Johannes Vesper, den Menschen als Mängelexemplar und auf den Tod, der ebenso „ungelegen“ kommt wie Gläubiger und Regen (2013, mit einer adäquaten Einführung von Pfarrer Joachim Rönsch / Hilden).
Joachim Klinger zeigte 2007 seine Bilderfolge „Alter – Krankheit – Sterben“ und 2017 die Auisstellung „Vorwiegend heiter“ und gab sie auf Dauer in die Obhut des Wilhelm Fabry-Museums.
 
Ein letztes Beispiel soll veranschaulichen, wie Wolfgang Antweiler rasch und klug Gelegenheiten „beim Schopf ergriff“, um daraus ein kulturelles Event zu machen. Als Jubiläen der Dichter Christian Morgenstern (gestorben 1914) und Joachim Ringelnatz (gestorben 1934) im Jahr 2004 zusammen fielen, richtete er eine Gedenkveranstaltung aus mit Lesung aus ihren Werken, einem Beitrag des Ringelnatz-Forschers Prof. Möbius und einem Vortrag über „Schwindsucht – eine Geißel der Menschheit“ des Freiburger Medizinhistorikers. Ja, man muß schon wissen, daß beide Poeten der Tuberkulose erlagen. Eine einzigartige Veranstaltung, ohne Vergleichbares anderswo!
 
Viele Menschen sehen Wolfgang Antweiler ungern scheiden. Sie sind ihm dankbar und begleiten ihn mit guten Wünschen und Gedanken in den Ruhestand.
Wolfgang Antweiler hat das kulturelle Leben in Hilden und darüber hinaus geprägt.
Die Stadt Hilden wird seine Verdienste zu würdigen wissen und darin eine Verpflichtung für die Zukunft erkennen.