Von innen nach außen

Otto Boll im Wuppertaler Skulpturenpark Waldfrieden

von Jürgen Kasten

Otto Boll - Foto © Jürgen Kasten

Otto Boll

im Wuppertaler Skulpturenpark Waldfrieden
 
Sieben Objekte im oberen Pavillon des Skulpturenparks installierte Otto Boll, und bei der Präsentation stellte er gleich klar: Es sind nicht „nur“ sieben, sondern genau die, die diesem Raum angemessen sind und ihn deshalb zu einem „Seh-Erlebnis“ machen.
Tony Cragg knüpfte dort an: „Künstlerische Arbeiten funktionieren immer, wenn ein Beobachter dazu kommt.“ Egal, was ein Künstler bei der Arbeit denkt, der Betrachter des fertigen Produktes macht sich ein eigenes Bild, interpretiert das Werk für sich.
In dem sechs Meter langen Stab aus Aluminium und schwarzem Stahl, der waagerecht vor der weißen Wand des Pavillons schwebt, sieht Cragg eine Metapher für das Menschsein: Die dünne Spitze links symbolisiert die Geburt, der ansteigende Durchmesser bis zur Mitte den Verlauf der ersten Lebenshälfte, danach verjüngt sich der Stab wieder, bis in der rechten Spitze das Leben zu Ende geht.
Otto Boll zeigt sich einigermaßen konsterniert. Diese Interpretation gehe ihm jetzt nie mehr aus dem Kopf, gedacht habe er sich selber anderes. Was genau, läßt er im Ungewissen. Er erzählt aber, daß er sich jeden Raum, in dem er ausstellt, vorher anschaut und sich dann überlegt, was in diesen Raum passen würde und welche Wirkung es erzielen würde. So hat er sich im Pavillon für fünf Stangen aus Aluminium und Stahl entschieden. Stangen ist sicherlich nicht der richtige Ausdruck. Es sind handwerklich gefertigte und geschliffene Gebilde, die Otto Boll mit an- und absteigendem Durchmesser formt und sie in einer kaum wahrnehmbaren Spitze enden läßt. Dann hängt er sie als Gerade vor einen kontrastreichen Hintergrund, läßt sie als Winkel unter der Decke schweben oder montiert sie kunstvoll geschwungen auf einer pyramidenartigen Holzstele oder als Schneckenform beginnend auf den Boden. Für den Betrachter ändert sich mit jedem Schritt, mit dem er seine Position zu dem Objekt verändert, nicht nur seine Sichtweise, sondern das gesamte Gebilde als solches.


Otto Boll Helix 7, 2017 - Foto © Jürgen Kasten

In dem lichtdurchfluteten, fast vollständig verglasten Pavillon ergibt das im Zusammenspiel mit dem draußen sichtbaren Grün des üppigen Parks eine Wirkung, als fühle man sich gleichsam federleicht schweben, wie die Objekte selbst.
Otto Boll sagt es selber so: Für die Ausstellung seiner Werke habe er eine Auswahl getroffen, bei der es um „Begegnung mit einem Gegenüber im Raum, die körperliche Erfahrung des skulpturalen Gegenstandes geht“. Voraussetzung dieser prozeßhaften Erfahrung ist in der Tat Körperlichkeit als Bewegung des Betrachters.
Otto Boll, 1952 am Niederrhein geboren, hatte ursprünglich Kunsterziehung und Philosophie auf Lehramt studiert, bevor ihn Mitte der siebziger Jahre ein „Aha-Erlebnis“ zu der Erkenntnis brachte, daß er künftig nur noch als freischaffender Künstler arbeiten wolle. Beim Betrachten einer Flöte bekam er plötzlich einen anderen Blick auf die Dinge, sah in ein Flötenloch hinein und stellte sich vor, daß sei ein Raum, in dem er selber stünde und dann aus seiner Sicht heraus diesen Raum zeichnen würde. Seine vollständige Hinwendung zur Kunst, manifestierte er danach mit einem Kunststudium an der Akademie Düsseldorf in der Abteilung für Kunsterzieher Münster bei Ernst Hermanns.


Otto Boll Ohne Titel - Foto © Jürgen Kasten

Diese Betrachtungsweise von innen nach außen demonstriert Otto Boll mit einem weiteren Ausstellungsstück, quasi als Modell. Inmitten von kreisrund aufgestellten Wänden steht ein kleines Männchen. In realer Größe stünde dort ein Mensch, der vor sich nur die schmalen Enden der Mauern sieht und sich somit von Pfählen umgeben wähnt. In Wirklichkeit wären dies gigantische Mauern, die er von seinem Betrachterpunkt her, nicht ausmachen kann. Ein solches Projekt in der freien Natur zu verwirklichen, hat Boll noch nicht konkret bedacht. Ein weiteres kleines Objekt, wieder ein Winkel, hat Boll in einen offenen schwarzen Kubus gesetzt. Auch hier verändert sich, je nach Standpunkt des Betrachters, die Form.

 
Otto Boll, Modell ohne Titel - Foto © Jürgen Kasten

Diese innovative Ausstellung ist bis zum 22. September 2019 im oberen Pavillon des Skulpturenparks zu besichtigen. Sonderführungen werden zum 4. August und 15. September angeboten.
 
Skulpturenpark Waldfrieden
Hirschstr. 12, 42285 Wuppertal