„Ronda ist der Frauen Glück.“

„Spieglein, Spieglein …“ Schön­heits­idea­le im Wer­be­film

von Frank Becker

© TACKER Film
Neckermann macht´s möglich!
 
Schönheitsideale im Werbefilm und in der Wochenschau
 
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Seit der Veröffentlichung des Märchens „Sneewittchen“ in der Sammlung der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (KHM 53) im Jahr 1812 ist diese Kernfrage der Eitelkeit zum Topos geworden. Vermutlich solange Kulturen bestehen, haben Menschen, vermutlich überwiegend Frauen, aber sicher auch Männer ihr Spiegelbild kritisch überprüft und dem Spiegel die besagte Frage gestellt. Damit sie denn auch vor dem eigenen Blick und dem der anderen bestehen, greifen sie seit anno dunnemals zu der Hilfe, die ihnen Mode und Kosmetik, Parfümerie und Galanterie bereitwillig und gewinnträchtig anbieten. Die Werbeindustrie ist dabei ideenreicher Vermittler.
 
Die Kölner Filmproduktion TACKER Film, spezialisiert auf Kino- und Fernsehwerbung der 50er bis 70er Jahre, stellt in einer unterhaltsamen Rückschau Ausschnitte aus alten Wochenschauen, sogenannten Kulturfilmen sowie Informations- und Werbefilmen vor, die den Fokus auf Mittel zur Schönheits- und Haarpflege, Deo- und Haarspray (natürlich mit Treibgas) auf die neue Mode und die teils kuriosen Zeiterscheinungen richten, die damit verbunden sind. Wolfgang Dresler hat dafür Firmenarchive durchforstet und viel Originelles und Seltenes zu Tage gefördert.




© Schwarzkopf


© Schwarzkopf

Mit oft unfreiwilliger Komik offenbaren historische Werbefilme für Kosmetik und Mode den Wandel von Zeitgeschmack und Schönheitsidealen. In den 50er Jahren schießen nach den 1000 Jahren der eher herb-schönen teutschen Frau Schönheitssalons wie Pilze aus dem Boden – ein Film aus den 50ern präsentiert z.B. die „riz Happy End“ Kosmetikstudios, eine Traumvision, die heute, aus der Zeit gefallen, fast märchenhaft anmuten. 
Die Reise durch die Werbewelt präsentiert Schönheitsideale, Beton-Frisuren und Wäsche, die heutigem Geschmack kaum noch standhalten können, damals aber durchaus der Gipfel des Erstrebenswerten waren. Und stets sind weibliche Reize, gewagte Beinahe-Nacktheit, denken Sie an die Zeit!, verpackt in Botschaften, Träger des Werbe-Anliegens.


© Odorono Company


Uschi Siebert © Lornamead GmbH

Und auch hier begegnen uns Gesichter und Stimmen von Rang. Hubert von Meyerinck und Wilhelm Bendow nahmen 1941 den Schönheitswahn auf die Schippe, Nadja Tiller trat 1951 als Mannequin auf und zeigte gut 10 Jahre später Bein als Modell für elegante halterlose Strümpfe von Ergee. Apropos Bein, auch die Kessler-Zwillinge Alice und Ellen tanzen und steppen für die Strumpfmarke „nur die“ über den Bildschirm und singen den zum Ohrwurm gewordenen Song dazu. Die schöne Hildegard Knef ist in einem Wochenschaubericht zu sehen, die zauberhafte Uschi Siebert in einer Brisk-Werbung (Sie kennen die Haarcreme Brisk für Männer nicht – die Schwester von Brisa, der Haarcreme für Damen?). Hier lernen Sie sie kennen, ebenso wie ODO-RO-NO, den Bac-Stift, taft, Wellaform, 8 x 4, Hormocenta, Patra, Trylisin und, und, und…


Nadja Tiller © Ergee, Schrems


© Hanes Germany GmbH

Der Berliner Kabarettist Bruno Fritz spricht in einem Filmchen aus dem Off frech über Damen-Strümpfe und ihren Verführungswert, aber anhand seiner Stimme ist er unverkennbar, Peter René Körner umschmeichelt die Susa-Mieder-geschnürte Frau mit „aufs Mieder kommt es an!“ – und man leidet noch heute mit den Damen, die sich in diese waffenscheinpflichtigen Panzer zwängen mußten, genauso wie die Opfer von Ronda-Miedern: „Jeder sieht´s auf einen Blick, Ronda ist der Frauen Glück.“ Das kann man ebenso wenig glauben wie 1970 das Bekenntnis von UfA-Alt-Star Marika Rökk für Hormocenta: „…der Schmelz der Jugend“. Bei ihr war er damals bereits deutlich weg.


© SUSA-Vertriebs-GmbH + Co


© Karl Rathgeber GmbH

Es ist ein Jammer, daß das Versandhaus Neckermann nicht überleben konnte – sein Werbeslogan „Neckermann macht´s möglich ist noch heute in aller Munde. Übrigens sieht man den leider schon früh verstorbenen Schauspieler Kay Sabban in einem charmanten Werbefilm für Mode von Neckermann. Der Mini-Rock, das Friseurgewerbe, das Abendkleid Braver Backfisch“ und vieles andere mehr werden vorgestellt und heiter beleuchtet.
Eine knappe Stunde blendende Unterhaltung für den Preis einer Kinokarte – aber man kann zu Hause in seinem Fernsehsessel sitzen und immer wieder zurückspulen. Macht Spaß und kann sehr empfohlen werden.


Neckermann macht´s möglich!


Kay Sabban - Neckermann macht´s möglich!

Dieser Film ist übrigens auch Bestandteil der großen Werbefilm Nostalgiebox.
 
Spieglein, Spieglein …
Schön­heits­idea­le im Wer­be­film
© TACKER Film, DVD, Farbe, Länge ca. 55 Minuten
15,- €
Weitere Informationen:  www.tackerfilm.de