Musikstunde

Plaudereien über Schwetzingen, Spargel und Musik

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Musikstunde

Plaudereien
 
Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich Ihnen, liebe Leser der Musenblätter – heute mal mit einem Blick auf eines der schönsten Schlösser der Welt, das Schloß Schwetzingen. Vor dem Schloß ist der wirklich wunderbare Schloßpark, einer der feinsten, die es noch gibt – muß ja nicht immer Salzburg sein, oder?! – und im Schloß ist das entzückende Rokokotheater, in dem schon der 7-jährige Mozart sein Bestes gab. Ich habe in diesem Theater auftreten dürfen, ich sage Ihnen: eines der größten Vergnügen, das mir jemals gegönnt war. Schwetzingen kann in diesem Jahr 186 Jahre Stadtrecht feiern: 1833 erhielt die Gemeinde durch Großherzog Leopold diesem reizenden Ort die Stadtrechte verliehen und das wird stets natürlich auch mit dem gefeiert, wofür Schwetzingen immer schon berühmt war: mit dem Schwetzinger Spargel.

Bis 25. Mai sollten Sie noch vorbeischauen: da sind wieder die Schwetzinger Festspiele - und  Spargel gibt es reichlich – ich hab mein Schälmesser ja immer dabei, also da steht den Freuden nichts mehr entgegen. Für mich übrigens am liebsten klassisch: mit etwas zerlassener Butter und fertig. Oder mit der Bozener Sauce mit Weißweinessig, Senf, Cornichons, hartgekochten Eiern, Zitrone und Schnittlauch... Ich glaube, Max Reger hätte seine Freude daran gehabt, hat er doch für sein Leben gerne gegessen. Er war allerdings mehr auf Quantität aus denn auf Qualität, wofür es eine hübsche Geschichte gibt: er spielte in Hamburg den Klavierpart in Schuberts Forellenquintett. Am nächsten Morgen brachte der Hotelportier die Fanpost, darunter ein bezauberndes Briefchen, Billett nannte man so was damals, von einer Verehrerin, die ihm mitteilt, daß sie sich erlaubt habe, dem Meister in Anerkennung seiner Leistung fünf lebende Forellen zu schicken, Dreiviertelpfünder. Reger freute sich natürlich, gab der Küche entsprechende Anweisungen und bedankte sich bei der unbekannten, hoffen wir doch: Schönen. Er schloß: „Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß ich in meinem nächsten Konzert in Hamburg das ‚Ochsenmenuett’ von Haydn spielen werde“.
 
Und auf Kritiker hatte er es besonders abgesehen. Einem, der ihn fürchterlich verrissen hatte, schrieb er: „Ich sitze auf dem kleinsten Orte meines Hauses und habe Ihre Kritik vor mir. Bald werde ich sie hinter mir haben!“
Ach, wo Sie grad sagen Max Reger: wissen Sie, was Camille Saint-Saens über seine Musik gesagt hat? Die Musik von Reger hat keinen Anfang und hat kein Ende – sie dauert einfach nur. Boshaft, hehe, und – wenn Sie mich fragen – auch überhaupt nicht wahr.
 
Reger wußte zu leben, apropos - „Mehr Zeit zu leben – Chancen einer alternden Gesellschaft“. Wir erleben ja quasi eine auf den Kopf gestellte Biologie: wir Alten werden immer mehr! Ganz von allein! Und wir sind so fit wie nie zuvor! Das stellt uns vor neue Aufgaben und zwar in allen Bereichen. Das hat aber auch seine großen Vorteile: was haben wir in all den letzten Jahrzehnten darunter gelitten, da man ständig und überall die Jugend umworben hat. Gut, die waren wir damals selbst, aber eben nur damals! Ich meine jetzt noch nicht mal die Werbung, schauen wir uns doch nur in unserem eigenen Bereich um, in der klassischen Musik. Musikmanager, Kulturverantwortliche, Dirigenten, Musiker – alle haben sich Gedanken gemacht, wie man denn wohl die Jugend wieder in die Konzertsäle bekommen kann, in die Konzertsäle, die zunehmend von Häuptling Silberlocke dominiert wurden. Da wurden Classic – Lounges erfunden, after job Konzerte angeboten, Sie wissen schon: raus aus dem Büro und von 18 bis 19 Uhr mal eben bei Mozart und Konsorten chillen, natürlich nix Aufregendes, eher das Entspannungsangebot, so Wellness – Gesäusel,
das läßt den Tag schön von der Haut abperlen und man kommt entspannt zu Hause an, wunderbar. Das hat jetzt ein Ende! Mit der Alterspyramide kommen wir Alten wieder zu Ansehen und zu unseren Rechten. Gucken Sie mal: angesichts der Tatsache, daß die Alterspyramide oben immer dicker wird, lohnt es sich doch gar nicht mehr, um die paar jungen Hansln zu buhlen. Sollen die doch bleiben wo sie sind und wir bekommen unseren Bruckner wieder so geboten, wie wir es gewohnt sind: in festlicher Kleidung, unter uns, ungekürzt und in bester Qualität. Da stören die jungen Leute doch nur, oder?! Man wird sich wieder um uns kümmern und wir werden das dankend annehmen. Kein Opernregisseur muß sich mehr Gedanken darüber machen, ob er den Wagner’schen Ring als „Herrn der Ringe“ inszeniert mit Siegfried als Frodo, damit auch ein paar junge Leute nach Bayreuth kommen oder den Tamino als Harry Potter über die Bühne zaubern läßt – hier sitzen wir, parsifalerprobt und eisern, endlich dürfen Sängerinnen und Sänger wieder ausgeruht auf der Bühne stehen und vor allem eins tun: singen! Manchmal hatte man in den letzten Jahrzehnten ja den Eindruck, daß ohne angereichertes Eigenblut und Doping die Rollen ja gar nicht mehr zu bewältigen waren. Vielleicht war mit dem Liebestrank im Tristan und Isolde ja so was gemeint...!
 
Man wird uns also wieder mit Klassik verwöhnen, uns das bieten, was wir immer schon hören wollten und da wird dann auf die Dauer für Neues kein Platz mehr sein – oder wollen Sie sich noch mit 70 auf neue Kompositionen einstellen? Na also: man wird Repertoire spielen und nichts als Repertoire und dann sind Oper und Konzertsaal endlich das, was die Pessimisten immer schon prophezeit haben: tot! Halt, nein, liebe Freunde: Das dürfen wir unserer großen Liebe, der Musik, nicht antun. Zeigen wir lieber den Jungen, daß wir Alten – weil wir schon so viel gehört haben – aufgeschlossen und neugierig geblieben sind. Machen wir die Ohren auf für das Neue und zeigen es – Das wäre der richtige Weg, auch für uns selbst. Und plötzlich hält die Musik uns jung – alle!
 
Ihr Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in den Musenblättern 2009 - in dieser Form 2019
Redaktion: Frank Becker