Arzt, Visionär, Literat, Kommunist

Friedrich-Wolf-Kulturtage 2002 in Remscheid

von Frank Becker

Friedrich Wolf - Foto: Bundesarchiv
Arzt, Visionär, Literat, Kommunist

Friedrich-Wolf-Kulturtage 2002 in Remscheid
 
Nach den Sachthemen gewidmeten Vorträgen und Diskussionen des Vortags und der Jahreshauptversammlung der Friedrich-Wolf-Gesellschaft gehörte der Samstagabend den Texten Wolfs in unterhaltsamer, doch nicht weniger informativer Form.
 
Nur sehr gerade mal ein Jahr lebte der Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf in Remscheid, wo er 1920/21 die neu eingerichtete Stelle eines Stadtarztes inne hatte. Als vorbildlicher Mediziner, dem die Volksgesundheit entsprechend den Idealen der Weimarer Republik am Herzen lag, setzte er sich engagiert für die noch immer unterprivilegierte Arbeiterklasse ein und warnte vor den Folgen zu frühen Fabrikeinsatzes Jugendlicher in der Remscheider Werkzeugindustrie. Seit der Teilnahme als Truppenarzt am 1. Weltkrieg erklärter Pazifist, stellte er sich während des Kapp-Putsches auf die Seite der Republik und ihrer Arbeiter, deren Wunden er versorgte und die er als Redner stärkte. Seine zweite Frau Else Dreibholz traf Wolf in Remscheid. Mit ihr hatte er später die Söhne Konrad und Markus, als er schon in Hechingen bei Stuttgart lebte.

Musikalisch unterstützt von Oliver Gier (Gitarre) lasen Ilse Faeskorn und Detlef Franzen im Vaßbender-Saal etwas hölzern aus Briefen und Dokumenten zu Zeit und Wirken Wolfs in Remscheid. Porträtiert wurde ein bemerkenswerter Charakter, ein außergewöhnlicher Philanthrop und Literat, der als Dramatiker, Prosaschriftsteller und Lyriker große Verdienste erwarb und dessen erfolgreiches Buch „Die Natur als Arzt und Helfer“ neben anderen 1933 der nationalsozialistisch verblendeten Bücherverbrennung zum Opfer fiel. Exil, Internierung in Frankreich, schließlich Flucht mit sowjetischem Paß nach Rußland zeichnen seinen weiteren Lebensweg. Als erster Botschafter der DDR 1950/51 in der VR Polen trat der Dichter Friedrich Wolf, Mitbegründer des in Moskau aus deutschen Exilkommunisten zusammengestellten „Nationalkomitees Freies Deutschland“ und Träger des Ordens „Roter Stern“ auch auf die politische Bühne, bevor er 1953 in Lehnitz starb. An den Schluß der Lesung wurde Wolfs Gedicht „Verzeiht!“ gestellt, das 1945 in offenkundiger Abkehr von Brechts „An die Nachgeborenen“ (1938) die Lebensfreude über die Resignation hebt: „Verzeiht, daß ich ein Mensch bin/Den in dieser eisernen Zeit/Auf einer grünen Wiese/Eine bunte Blume erfreut/...../Verzeiht, dass ich ein Mensch bin/Und nicht ein Heiliger.“
 
Frank Becker, 12.10.02