Über die Vereinfachung in der Kunst

von Peter Hohberger

Peter Hohberger - Foto © Frank Becker
Über die Vereinfachung in der Kunst
 
Der Bildhauer Werner Stötzer sagte in einem Gespräch, das in einem Katalog abgedruckt war: „Es bedarf großer Erfahrung, um diese Vereinfachung zu setzen. Leider wollen viele Leute heute nur Artistik sehen und nicht diese Art der Vereinfachung.“
     Ich bin mir da nicht sicher. Ich sehe in der Kunst heutzutage hauptsächlich Vereinfachung, einfache Linien und Formen, die als das Wesentliche bezeichnet werden, sozusagen die Urform. Ich sehe überall die Vernichtung des Individuellen. Ich schätze Werner Stötzer, ich will das nun nicht gegen ihn gerichtet sehen, was ich über Vereinfachung denke. Es wird mit der Vereinfachung nur so viel Schwindel betrieben, Mimikri, mit der sich Nichtkönner als Künstler ausgeben. Stötzer sagte, er sei Traditionalist im Sinne Schlüters und weiter: „Ich bin ein Bildhauer in Deutschland, und da ist das Mittelalter für mich ebenso bedeutsam wie die Figuren Schlüters. Das ist meine Romantik. Das Dichterwort, die Kenntnis der Landschaft, die alte Kunst, das sind meine Quellen, das ist Leben, aus dem ich schöpfe.“
     Auch mich hat die Kunst der Alten geprägt, es ist jedoch nicht unbedingt das Deutsche, die deutsche Landschaft, die deutsche Kunst. Es ist die Landschaft des menschlichen Körpers, des menschlichen Gesichtes, und die fand und finde ich überall: In den Skulpturen des antiken Griechenland und Rom oder in den Sportarenen unserer Welt und in den Bildwerken der großen Portraitisten. Stötzer: „Ich habe eine große Scheu vor der Perfektion.“ Ich hingegen bewundere die Perfektion, die Artistik, obwohl ich durchaus oft ein Defizit an Ausdruck sehe. Mich fesselt jedoch an einer griechischen antiken Statue die Klarheit der Linie. Die Klarheit ist es, die mich stark berührt. Das heißt nicht, daß ich das andere, das Gegenteil, das Rauhe, Grobe, Vereinfachte nicht sehe und schätzen kann. Es gibt in diesem Katalog von Werner Stötzer ein Portrait, das mich tief berührt hat, das Portrait des Dr. Werner Schade 1968, und ich ziehe es vielleicht doch der ausdrucksarmen Klarheit vor. Die Oberfläche wie zerfressen von der Zeit, ein Reiz, den auch die antiken Fundstücke haben, wenn Verwitterung und Zeit die Künstler waren, die einer einst perfekten Form etwas genommen oder besser, hinzugefügt haben.
     Dieser Kontrast, der entsteht, wenn Schönheit und die teilweise Zerstörung dieser Schönheit vereint sind, ist für mich sehr ergreifend.
 
 
© Peter Hohberger 2018