Mozart über die Hintertreppe (1)

Ein Essay über Wolfgang Amadeus Mozarts Leben, Krankheiten, Frauen, Spiel und Ende

von Johannes Vesper
Mozart über die Hintertreppe

(1. Teil)

Der Titel „Mozart über die Hintertreppe“, scheint erläuterungsbedürftig. Die Hintertreppe ist nicht der offizielle Wohnungseingang. Die Hintertreppe ist oft nicht so aufgeräumt, nicht so frisch gestrichen und zurechtgemacht wie die offizielle Eingangstür der Wohnung in Erwartung eines Gastes. Aber auch über die Hintertreppe kommt man zu dem Menschen, der dort wohnt. Beim Besuch über die Hintertreppe erhält man ganz andere Informationen über ihn als beim Besuch über den Vorderaufgang. Man erfährt private Dinge. Guten Freunden wird dieser Aufgang über die Hintertreppe gestattet.
Und das ist das Ziel: Ich möchte Ihnen Mozart sozusagen von Mensch zu Mensch nahebringen, über seine Lebensumstände, seine Krankheiten, über seine Ausstrahlung bis hin zu einem Ort mit dem merkwürdigen Namen „Wuppertal“ berichten. Sie lesen also keine musikwissenschaftliche Abhandlung. 

     Mozart wird am 27. Januar 1756 in Salzburg in einem ereignisreichen und geschichtsträchtigen Jahr geboren. 1756 wird das Fieberthermometer in moderner Form erfunden. Friedrich der Große beginnt den Siebenjährigen Krieg um Schlesien gegen Österreich und Maria Theresia und legt mit diesem Krieg die Grundlagen für ein Klein-Deutschland ohne Österreich. Frankreich ändert seine Strategie gegenüber dem Deutschen Reich und schließt mit Österreich einen Bund gegen Preußen. Nach nahezu 250 Jahren Erzfeindschaft gegenüber Habsburg, von dem sich Frankreich in die Zange zwischen Spanien und dem Reich genommen sah, wurden die  Bündnisse umgedreht.  Parallel zum 7-jährigen Krieg kommt es zu einem allerersten „Weltkrieg“, denn mit diesem Krieg beginnt die Auseinandersetzung  zwischen Frankreich und England um die koloniale Aufteilung der Welt. 1756 flieht Casanova  aus den Bleikammern Venedigs und Johann Sebastian Bach ist sei 6 Jahren tot. Über Mozarts erste Lebensjahre ist nicht viel bekannt - über Krankheiten in den ersten Jahren ist nichts berichtet worden. Von seinem 4. Geburtstag an erhielt er zusammen mit der älteren Schwester Nannerl (*1751) vom Vater Klavierunterricht. Anläßlich seines 5. Geburtstages hatte ihm sein Vater aus Wien eine kleine Geige mitgebracht. Zu dieser Zeit hat sich die folgende Episode zugetragen, über die ein Freund der Familie, der Hoftrompeter J.A. Schachtner berichtet:
„Wolfgangerl bat, daß er das 2te Violin spielen dürfte... und der Papa glaubte, daß er nicht (dazu) im Stande wäre. Wolfgang sagte. Um ein 2tes Violin zu spielen, braucht man es ja wohl nicht erst gelernt zu haben... ... Wolfgang geigte mit... und so spielte er alle sechs Trio... wir mussten uns fast zu Tode lachen, als er auch (das 1te Violin), wie wohl mit lauter unrechten und unregelmäßigen Applicaturen (Fingersätzen) doch so spielte, daß (er) doch nie ganz stecken blieb".
     Vater Mozart scheint von dem Violinspiel nicht viel gehalten zu haben. Wolfgang A. Mozart schreibt in seinem Tagebuch am 14. August 1771: „heute hört ich den Herrn Papa zur Mama sagen, mit meiner carriere beim Militär sei es nichts, da der kriegsminister forchtet, mein Violinspiel könnte das eigene Heer vernichten. Hehe, auch gut. Scheiss Militär“ (Mozart Tagebuch, Egner S. 14)
W.A. wurde von seinem Vater seit frühester Jugend musikalisch gefördert, ebenso wie Nannerl. Leopold Mozart (1719 – 1787) hatte zunächst Jura studiert, war dann Kammerdiener eines Grafen von Thurn und trat 1743 als Geiger in das Orchester der Fürst-Erzbischöflichen Kapelle zu Salzburg ein. 1762 wurde er zum Vize-Kapellmeister befördert. Im  Jahre 1756, also im Geburtsjahr seines später so berühmten Sohnes gab er eine gründliche Violinschule heraus, die ins Französische und Holländische übersetzt wurde und mehrere Auflagen erlebte. Vater Mozart erkannte das Genie seines Sohnes bald und widmete sich in einzigartiger Weise dessen musikalischer Bildung und der Präsentation Wolfgangs und Nannerls in Österreich, Deutschland und dem übrigen Europa. Vater Mozart hat weder Wolfgang noch Nannerl je eine Schule besuchen lassen, und wenn Mozart sich später Englisch, Französisch und italienisch gut verständigen konnte, dann hatte die väterliche Erziehung die Grundlagen gelegt. Aber auch mathematisch war Wolfgang interessiert: Schachtner berichtet:
„Was immer man ihm zu lernen gab, dem hing er so ganz an , daß er alles Übrige, auch die Musik , auf die Seite setzte z.B. als er Rechnen lernte, war Tisch, Sessel, Wände ja sogar der Fußboden voll Ziffer mit Kreide überschrieben“.
Dem Vater wurde oft vorgeworfen, er habe seine Kinder, insbesondere Wolfgang, dressiert.  Erstaunlich dann, daß Vater und Sohn sich durchaus schätzten. Davon zeugen die vielen Briefe an „Mon tres cher Pere“ Offene Konflikte mit dem Vater in der Jugend sind nicht belegt. Mit der Wahl der Ehefrau seines Sohnes war Vater Mozart dann allerdings nicht einverstanden. Hier gab es Konflikte, doch davon später.
Die erste Reise des zu dieser Zeit 6-jährigen  Wolfgang Amadeus mit Vater und Schwester ging im Januar1762 nach München, wo man drei Wochen blieb, die beiden Geschwister dem Kurfürsten vorspielten und große Erfolge hatten.
Im September des selben Jahres reiste die Familie dann nach Wien, wohin die Begeisterung über die Wunderkinder schon gedrungen war. Bei der Vorstellung am Kaiserhofe präsentierte sich der 6-jährige Wolfgang Amadeus als lebhaftes, munteres und unbefangenes Kind. Der Kaiserin sprang er auf den Schoß und küßte sie. Der Prinzessin Marie Antoinette, die während der Französischen Revolution als französische Königin später geköpft wurde, sagte er, nach dem sie ihn nach einem Sturz vom  Fußboden aufgehoben hatte, daß er sie heiraten wolle.
Im Juni 1763 startete die Familie in ihrem eigenen Reisewagen zur 3-jährigen Europareise nach Paris, London, Den Haag, Paris, Lyon. Am 29.11.1966 kehrte man zurück nach Salzburg. Wolfgang Amadeus war also vom seinem 7.-10. Lebensjahr in Europa konzertierend unterwegs.
Vom 11.09.1767 - 10.01.1768 reist die Familie nach Wien, Brünn und Olmütz, um den Blattern (Pocken) zu entgehen, was aber nicht gelingt. Beide Kinder erkranken.

     Im 13.-15. Lebensjahr  finden drei Reisen des Knaben nach Italien statt.  Während der ersten dieser Italienreisen kam es zu der berühmt gewordenen Situation, daß er den päpstlichen Orden erhielt, nachdem er das mehrstimmige Miserere (mit 9-stimmigem Schlußchor) von Gregorio Allegri, welches immer am Karfreitag in Rom aufgeführt wurde und über ein Jahrhundert nicht publiziert worden war, nach einmaligem Hören aus dem Gedächtnis in Noten niedergeschrieben hatte (Er war damals 13 Jahre alt!).
1773: drei Monate nach Wien, 1774: drei Monate nach München, 1777: mit der Mutter nach Augsburg (zwei Wochen mit seiner Kusine, dem Bäsle) und nach  Paris, wo er nicht sehr glücklich war. Schon wenige Wochen nach seiner Ankunft in Paris war ihm die Organistenstelle in Versailles für ein Jahresgehalt von 2000 Livres (entsprechend etwa 915 Gulden) angeboten worden. Warum er diese Stelle abgelehnt hat, weiß man nicht. Er fühlte sich in Paris nicht wohl und schrieb seinem Vater am 1. Mai 1778: „ …wenn hier ein Ort wäre. wo die Leute Ohren hätten, herz zum empfinden, und nur ein wenig etwas von der Musik verstünden  und gusto hätten, so würde ich von herzen zu allen diesen sachen lachen, aber so bin ich unter lauter Viehern und bestien, was die Musik anbelangt“. Vielleicht war er mit 22 Jahren auch einfach zu jung für eine eigenständige Musiker-Komponistenkarriere in der Weltstadt Paris. Während des Aufenthaltes in Paris stirbt seine Mutter. Auf Veranlassung des Vaters reist er zum ersten Male selbständig zurück nach Salzburg. Für diese Reise benötigt er vier Monate (!).
Obwohl Mozart 1779 zum Salzburger Hoforganisten ernannt wird, mochte er  Salzburg und die Salzburger zunehmend weniger. Er schrieb an seinen Vater: „Ich schwöre bei meiner Ehre, daß ich Salzburg und die Ihnwohner: ich rede von geborenen Salzburgern: nicht leiden kann. Mir ist ihre Sprache ihre Lebensart ganz unerträglich.“ (Fritz Hennenberg, S. 71)
1781 erfolgt der Umzug nach Wien und der Bruch mit dem Erzbischof von Salzburg. Graf von Colleredo-Walsersee war 1772 zum Fürstbischof von Salzburg gewählt worden. Er war der Aufklärung zugetan, sein Kunstsinn hielt sich aber in Grenzen. Die Hofkapelle wie auch die Salzburger Kirchenmusik litten unter seiner schlichten und pedantischen  Hofhaltung. Zwar bewilligte er den Mozarts ihre Italienreisen und hatte 1780  Mozart auch frei gegeben, für den kurfürstlichen Hof in München eine Oper zu schreiben. So war dieser (damals 25 Jahre alt) wochenlang in München mit seiner Oper „Idomeneo“ beschäftigt. Salzburg erschien ihm zunehmend kleinkariert. Er wollte einfach weg von der Stadt und dem Fürstbischof. So kam es  am 09.05.1781 zum großen Krach. Mozart schreibt: „Colloredo nennte mich einen Buben…ich sei der liederlichste bursch den er kenne… hieße mich einen lumpen, lausbub  einen fexen… dort ist die Thühr, ich will mit einem solchen elenden buben nichts mehr zu tun haben – endlich sagte ich (schreibt Mozart) und ich mit ihnen auch nichts mehr also geh er und ich (Mozart) es soll dabei bleiben morgen haben sie es schriftlich!“ Als am nächsten Tag Mozart dem Kammerherrn Arco, das war der oberste Küchenmeister des Fürstbischofs, seine Kündigung  überreichte, „da schmeist er mich zur thüre hinaus und gibt mir einen Tritt im hintern. Das heist auf Deutsch, daß Salzburg nicht mehr gut für mich ist, ausgenommen mit guter Gelegenheit dem Grafen wieder ingleichen einen Tritt im Arsch zu geben, und sollte es auf öffentlicher Gasse geschehen“.  

Im August 1782 heiratet Mozart  Konstanze.
1787 reist er mit ihr und seinem Diener nach Prag  zur dortigen Aufführung des Figaro (Uraufführung im Mai 1786  in Wien). 1787 stirbt der Vater Leopold Mozart.
Am 6.Dezember 1787 wird Mozart in Anerkennung seiner Kenntnisse und Fähigkeit mit einem Jahresgehalt von 800 Gulden zum Kammermusikus ernannt.
Von ihm selbst haben wir in seinem Tagebuch von 1780 – 1984 keine Eintragungen.
 1789 reist er nach Dresden, Leipzig und Berlin.
Im Herbst 1790 geht  er auf seine letzte große Reise im eigenen Wagen  nach Nürnberg-Frankfurt (Krönung Leopolds II. zum Deutschen Kaiser) - Mannheim-München-Wien.
Dezember 1790: Abschiedsessen für Josef Haydn, der nach England geht.
Im Sommer 1791 mehrfach Besuche bei Konstanze in Baden bei Wien, wo sie zur Kur weilt. Am 2. September1791 dirigiert Mozart eine Festvorstellung des Don Giovanni in Wien, am 6. September ist er zur Uraufführung der Oper „Titus“ in Prag, kehrt Mitte September zurück nach Wien. Er erkrankt am 20. November und stirbt am 05. Dezember 1791.
Einer seiner letzten Tagebucheinträge stammt vom 3.12.1791 - offensichtlich war er schon etwas derlirant: „Heute war zu erfahren, ganz Nord- und Mitteleuropa sei inzwischen von den amerikanischen Wilden, welche Indianer genannt, niedergeworffen und besetzt. Eine Invasion Wiens steht bevor. O Wut und Not“.
So viel in Kürze zu seinem Lebenslauf.
Ergänzend zum kursorischen Lebenslauf seien noch die Kinder Mozarts mitgeteilt:
Reimund Leopold (17.06.1783-19.08.1783), Carl Thomas (29.09.1784-31.10.1858), Johann Thomas (18.10.1786-315.11.1786), Theresa (27.12.1787-29.06.1788). 16.11.1789 Anna Maria, sie starb eine Stunde nach der Geburt), Franz Xaver Wolfgang (26.07.91-29.07.1844).

Die Krankheiten Mozarts

Hinweise auf Krankheiten Mozarts finden sich in dem umfangreichen Briefwechsel der Familie Mozart. Vor allem der Vater schien an medizinischen Dingen interessiert zu sein.
Ich will hier nur auf die wichtigsten Erkrankungen eingehen:

Erythema nodosum (1762)
Von der 1. Reise nach Wien mit dem 6-jährigen Wolfgang Amadeus (1762) berichtet der Vater:
„Wir hatten beständig Regen und viel Wind. Der Wolfgangl hatte schon in Linz einen Catarrh und aller Unordnung, frühen Aufstehen, unordentlich Essen und Trincken, Wind und Regen ohngeacht blieb er gottlob, gesund“. Diese Briefstelle zeigt etwas von dem nicht vorhandenen Reisekomfort im 18. Jahrhundert auf nicht asphaltierten Straßen, in kaum gefederten und natürlich nicht geheizten Kutschen. Auf derselben Reise folgte dann in Wien eine ernsthaftere Erkrankung, die in einem oft zitierten Brief des Vaters Mozarts geschildert wird. Ich will ihnen diese Stelle nicht vorenthalten: ..“Gott hat uns ein kleines Kreuz geschickt  und wir danken seiner unendlichen Güte, daß es noch so abgelaufen ist, den 21.10. (1762) waren wir abends um 7 Uhr abermals bei ihrer Kayserinnen Majestät: unser Wolferl war aber schon nicht recht wie sonst, und ehe wir dahin fuhren, wie auch, da er zu Bette ging, klagte er über Schmerzen am Hintern und den Füßen: Als er im Bette war, untersuchte ich die Orte, wo er die Schmerzen zu fühlen vorgab; und ich fand etliche Flecken in der Größe eines Kreutzers , die sehr rot und etwas erhaben waren, auch bei dem Berühren ihm Schmerzen verursachten. Es waren aber nur an beiden Schienbeinen, an beiden Ellbogen und ein paar am Podex; auch sehr wenig. Er hatte Hitzen und wir gaben im Schwarzpulver und Markgrafenpulver“. (Schwarzpulver: Mischung aus Hirschhorn, Myrrhen, Korallen, Regenwürmern, Froschherzen, Plazenta und weiteren wenig vertrauenerweckenden Substanzen. Markgrafenpulver: Eichenmistel-, Iriswurzel, Veilchenwurzelmischung zusammen mit Magnesiumkarbonat, Blattgold und weiteren Ingredienzien) - zitiert nach Franken. Es wurde ein Arzt der Gräfin von Sinzendorf hinzugezogen, der sich laut Brief rührend gekümmert hat. Er hielt den Ausschlag für Scharlach, änderte die Medizin und 2 Wochen später war Wolfgang wieder gesund. Der Arzt wurde mit einer Musik bezahlt. Die medizinische Deutung dieser Erkrankung ist schwierig. Von der Beschreibung her hat es sich um ein Eryrthema nodosum gehandelt, welches im Rahmen verschiedenster Erkrankungen (von der Tuberkulose, über den Gelenkrheumatismus bis hin zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen) auftritt.     
Bei dem gutartigen Verlauf handelte es sich aber am ehesten um eine Kinderkrankheit mit unspezifischer Symptomatik. Für Leopold Mozart war diese erste größere Erkrankung seines Wunderkindes  deswegen von erheblicher Bedeutung, weil Wolfgang für ca. 4 Wochen für Konzerte ausfiel.
1764 auf der großen Europareise wurde Wolfgang in Paris erneut krank: „ Meinem lieben Wolfgang überfühle ein gählinges Halswehe und Catarh, daß er in der Nacht  ein solches Stechen im Halse bekam, daß er in Gefahr war zu ersticken. …Nach 4 Tagen stund er wieder vom Bette auf und befindet sich nun wieder besser.“ Dabei handelt es sich wohl um die klassische Beschreibung eines Pseudokrupp im Rahmen einer Rachenentzündung.
1769 auf der 1. Italienreise berichtet der Vater über Hautrötungen im Bereich von Händen und Gesicht von der Kälte. Es dürfte sich um Erfrierungen 1. Grades gehandelt haben, was für den jungen Pianisten größte Bedeutung hätte bekommen können. Ende Juni 1770 kurz vor Rom überlebten die Mozarts einen Verkehrsunfall: die Kutsche stürzte um, was Wolfgang ohne Blessuren überstanden hat.
Von 1774 bis zum 20.11.1791 gibt es nur wenige Dokumente über Krankheiten Mozarts. Auch im letzten Brief Mozarts vom 14.10.91 an seine Konstanze findet sich kein Hinweis auf Krankheit oder Unwohlsein. Zusammengefaßt weist die Krankengeschichte Mozarts eigentliche keine Besonderheiten auf: Zusätzlich zu den soeben berichteten Krankheiten hatte Mozart mit 9 Jahren Typhus abdominalis, mit11 Jahren Pocken, mit 18 Jahren Zahnweh, mit 22 Jahren „Karthar“, mit 28 Jahren „rasende Coliquen mit Erbrechen“, die er auf Empfehlung seines Arztes Dr. Barisani mit Reiten erfolgreich bekämpfte. Mozart ritt tatsächlich nahezu täglich. Sein Pferd hat er erst im Oktober 1791 verkauft.
Woran ist Mozart schließlich gestorben? Diese Krankengeschichte weckt jedenfalls nicht den Verdacht auf eine chronische zum Tode führende Erkrankung. Er war bis zum 20.11.1791 aktiv tätig und verstarb am 5.12.1791 morgens um 1 Uhr  nach einem Essigwickel, den der behandelnde Arzt Dr. Closset zuvor angeordnet hatte. Seit Jahren ist die zum Tode führende Erkrankung Mozarts nicht klar. Es gibt einige Hypothesen. Bereits eine Woche nach seinem Tode erschien im Berliner Musikalischen Wochenblatt ein Artikel, in welchem der Verdacht auf eine Vergiftung geäußert wurde, da „sein Körper nach dem Tode anschwoll“.  Später kam das Gerücht auf, Salieri, habe altersdement die Vergiftung Mozarts zugegeben. Aus diesem Stoff wurden von jeher Opern gemacht („Mozart und Salieri“ von Nikolai Rimsky-Korsakow/Alexander Puschkin 1898). Nachdem Salieri von Zeugen und durch Gutachten weitgehend entlastet werden konnte (Klaviervirtuose Ignaz Moscheles berichtet über seinen Besuch bei Salieri 1823), tauchten andere Tatverdächtige auf: Über Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayr, der das Requiem - Mozart letztes Werk - vollendet hat, wird später in anderem Zusammenhang noch einmal berichtet. Weitere Verdächtige waren Gottfried van Swieten, Leiter der Wiener Studienhofkommission, die Freimaurer und Franz Hofdemel, auf den wir auch noch einmal zurück kommen werden. Als Gifte kämen Quecksilber, Arsen und Blei in Frage. Mozart hatte sich aber unter Anleitung seines Vaters immer wieder selbst mit verschiedenen Mischpulvern  behandelt, wovon wir ja schon hörten, und eine unerwünschte  Nebenwirkungen dieser Medikationen könnten nach heutiger Sicht die finalen Krankheitssymptome erklären. Aderlässe waren damals sehr gebräuchlich. Auch Mozart erhielt im Laufe seiner Todeserkrankung Aderlässe.
Gesichert sind folgende Symptome : Mozart hatte während seiner zum Tode führenden Erkrankung zwei Wochen lang hohes Fieber. Es gab schmerzhafte Gelenkschwellungen und ein Exanthem, also einen auffälligen Hautausschlag. Mozart war bis wenige Stunden vor seinem Tod bei Bewußtsein. Von den Symptomen her hat es sich um eine hochfieberhafte akute Infektionskrankheit gehandelt. Prof. Franken, der ehemalige internistische Chefarzt des St. Josef-Krankenhauses in Wuppertal, nimmt folgerichtig eine bakterielle Sepsis durch Staphylokokken oder Kolibakterien mit einer toxischen Herzentzündung im Gefolge an. Andere Autoren vermuten eine Urämie, also ein Nierenversagen. Im Deutschen Ärzteblatt (1/2006) wird eine medikamentöse Interaktion mit dem Aderlaß als unmittelbare Todesursache vermutet. Insgesamt finden sich  in der medizinischen Literatur elf einigermaßen begründbare Todesursachen: Ermordung, Vergiftung durch Selbstmedikation, Morbus Basedow (Schilddrüsenüberfunktion: diese Diagnose beruht darauf, daß auf verschiedenen Gemälden hervorstehende Augen im Sinne eines Exophthalmus sichtbar sind, der typisch sein könnte für den Morbus Basedow), rheumatisches Fieber, eine Purpura Schönlein-Henoch (seltene, in Schüben verlaufende Erkrankung ausgelöst durch Infekte oder Medikamente), Niereninsuffizienz, akute Infektionskrankheit , Tuberkulose, Trichinose, Fehlbildung („Mozart Ohr“ bei seinem Sohn könnte korreliert sein mit Zystennieren oder Hirnarterienaneurysma) und natürlich könnte ein ärztlicher Behandlungsfehler letztendlich den Tod herbeigeführt haben. Zusammenfassend  gibt es keinen sicheren Hinweis darauf, daß Mozart ermordet wurde oder an einer chronischen Erkrankung gelitten hat. Die Diskussion um Mozarts Tod spiegelt vor allem wohl die Medizin als Wissenschaft wieder, in der vieles, damals natürlich noch viel mehr als heute, eben einfach unklar bleibt.   


Lesen Sie morgen hier im 2. Teil über
Mozart und die Frauen, seinen gesellschaftlichen Umgang und seine Spielleidenschaft.

© Johannes Vesper - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2007