Merz und das Asylrecht: Er hat recht – im Prinzip

Ein Kommentar

von Ulli Tückmantel

Foto © Anna Schwartz
Merz und das Asylrecht:
Er hat recht – im Prinzip
 
Ein Kommentar von Ulli Tückmantel
 
Natürlich hat der gefühlt auf Platz zwei liegende Kandidat um den CDU-Parteivorsitz nicht zufällig bei der ersten Regionalkonferenz ausgerechnet in Thüringen das Gespräch auf das Thema Asyl gebracht, sondern weil er Punkte machen will.
 
Und nein, Friedrich Merz will das deutsche Asylrecht nicht abschaffen. Er will vielmehr das tun, was die CDU in den letzten Merkel-Jahren eben nicht getan hat: „irgendwann mal“ eine große öffentliche Debatte darüber führen, ob man vielleicht einen gesetzlichen Vorbehalt zum Asyl ins Grundgesetz schreibt.
     Das allein reicht in Deutschland im nervösen Herbst 2018 offenbar schon aus, um als Tabubruch zu gelten, den Populismus-Vorwurf gegen Merz zu erheben. Und daß er dann auch noch erklärt, daß er schon lange der Meinung sei, daß offen darüber geredet werden müsse, ob das deutsche Asylrecht in seiner heutigen Form fortbestehen könne, wenn eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik ernsthaft gewollt sei – das ist offenbar zu viel auch für Teile der in ihren Meinungsbildungsfähigkeit offenkundig GroKo-geschädigten Union.
Schon allein dafür hat sich die Kandidatur von Friedrich Merz gelohnt: Weil er offen ausspricht, was viele bereits wissen, viele längst wissen könnten und ebenso viele schlicht nicht wahrhaben wollen. Merz mag im Detail irren (Deutschland ist keineswegs das einzige Land mit einem Individualrecht auf Asyl), aber im Prinzip hat er recht. Denn nahezu jeder, der aus welchem Grund auch immer nach Deutschland flieht, landet früher oder später im Asylverfahren – das nie als allgemeines zweites Flüchtlingsrecht gedacht war. Entsprechend endet eine hohe Zahl von Verfahren mit der Ablehnung, aber aus vielerlei Gründen eben nicht mit einer durchsetzbaren Ausweisung; soviel zur Eignung des Asylgrundrechts zur Bewältigung allgemeiner Migrationsphänomene.
     Wenn nur ein Prozent aller Antragsteller tatsächlich politisches Asyl zugesprochen bekommt, sollte das Tabu nicht sein, darüber zu sprechen. Das Tabu sollte die permanente Aufforderung zur Problemverschweigung sein. Warum gibt es in der deutschen Öffentlichkeit ein rasant wachsendes Mißtrauen gegen den sogenannten UN-Flüchtlingspakt? Weil alle das 32-Seiten Papier (liegt seit Juli in deutscher Übersetzung vor) gelesen, verstanden und darin grobe Gefahren erkannt hätten? Oder eher, weil das Mißtrauen im Raum steht, das Papier könne neue Probleme schaffen, über die dann wieder nicht geredet wird?
Die Wahrheit, das weiß auch Merz, hat noch nie jemandem geschadet - außer dem, der sie sagt. Sich davon nicht beeindrucken zu lassen, ist eine Qualität, die viele vermissen. Nicht nur in der CDU.
 
 
Der Kommentar erschien am 22. November 2018 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.