Die Musik-Macher

Rüdiger Bloemeke – „Die TELDEC-Story - Wie eine Plattenfirma unser Leben veränderte“

von Frank Becker

Die Musik-Macher
 
TELDEC
Ein faszinierendes Stück
Schallplatten- und Rundfunkgeschichte
 
Wer die deutsche Nachkriegszeit und die Neuanfänge Ender der 1940er erlebt hat oder in den 50ern und 60ern des verflossenen Jahrhunderts groß geworden ist, wird seine Erinnerungen an diese auch musikalisch aufregende Zeit gewiß mit dem Erscheinungsbild einiger bekannter Schallplatten-Labels verbinden. Schallplatten, noch bis Mitte der 1950er in Schellack gepreßt und mit 78 U/pM abgespielt wurden, wichen nach und nach den neuen, unzerbrechlichen Singles und Langspielplatten aus Vinyl. Bis
Ende der 50er drehten sich auf dem Telefunken Plattenwechsler TW 560 in der Musiktruhe meiner Eltern u.a. die Schellacks mit Musik von Kurt Henkels (Amiga), den Vier Casanovas ((Metrophon), Helmut Zacharias (Brunswick), den 3 Tavellers und Kurt Widmann (Odeon), Werner Müller und Bully Buhlan (Polydor), Gitta Lind und Teddy Stauffer (Telefunken), Harry James (Columbia), Willy Berking (Philips), der Kleinen Cornelia und Glenn Miller (Electrola) und von Nat King Cole und Ray Anthony (Capitol).


Irgendwann reichten die Ersparnisse, Zuwendungen der Omas und der Verkauf der Märklin-Eisenbahn für die Anschaffung des ersten Radios (Neckermann Kleinsuper Rubin) und des ersten Koffer-Plattenspielers von Philips. Das eigene Taschengeld ging fortan nicht mehr nur für Jerry Cotton Hefte und heimliche Cliff-Zigaretten (12 Stück für eine Mark) drauf, sondern, sobald vier Mark angespart waren, für die heiß begehrten
Singleplatten, die grade die Hitparaden stürmten und dann zum Leidwesen der Eltern ununterbrochen abgenudelt wurden. Hinter den Plattenproduktionen steckten auch jetzt wieder die Marktführer, wenn sich auch gelegentlich die Label-Konstellationen, die Logos und die Schriftzüge änderten. Wir wußten damals natürlich nicht, daß Konzerne wie AEG oder Siemens hinter den Anfängen der westdeutschen Platten-Industrie steckten, wie die amerikanischen Jazz- und Rock n Roll-Platten ihren Weg in unsere Läden fanden, in denen wir uns an der Plattenbar die Neuigkeiten auflegen ließen, welches Label mit welchem kooperierte, bzw. übernommen wurde – und es interessierte uns auch nicht. Daß der Name „Telefunken“ für gute Radiogeräte, Plattenspieler und Mikrophone stand, war landläufig bekannt. Wie sehr auch Musiker das zu schätzen wußten, belegt der „Telefunken Blues“, den Ernie Wilkins 1955 komponierte und mit dem Titel den Mikros widmete.
 
Uns interessierte einzig und allein, wie wir an unsere Ohrwürmer von Ted Herold und Peter Kraus, Conny und Gerd Böttcher, Fats Domino und Elvis Presley, Paul Anka und Ricky Nelson, Neil Sedaka und Connie Francis, den Everly Brothers und den Kalin Twins, Manuela und Rocco
Granata, Ivo Robic und Mina, Little Eva und Vico Torriani, Pat Boone und den Telstars und nicht zuletzt von den Beatles, den Rolling Stones und Manfred Mann kommen konnten. Begehrt waren auch die kostenlosen Werbeschallplatten „Klingende Post“, die mit Clips eine Übersicht über die aktuellen Hits boten und vom wohlwollenden Händler auch mal dem jugendlichen Käufer überlassen wurden.
 
Wir wußten seinerzeit auch nicht, daß viele unserer Lieblings-Plattenlabels unter dem großen Dach des Musik-Konzerns TELDEC vereinigt waren. Telefunken und DECCA, klar. Das leuchtete ein. Aber auch RCA Victor, London, Capitol, Warner Brothers, Monument und MCA gehörten unter
dieses Dach und noch ein paar mehr. Diese Entwicklung der TELDEC, die ein Stück unseres Lebens war, ihre Hintergründe und Macher, hat der auf die Geschichte der Schallplatte spezialisierte Autor und Musikhistoriker Rüdiger Bloemeke anhand vieler Quellen und in Archiven recherchiert und für sein Buch „Die TELDEC-Story“ zusammengetragen. Nachlesen kann man das jetzt alles in diesem opulenten Band, der zu Recht den Untertitel trägt: „Wie eine Plattenfirma unser Leben veränderte“. Es war nämlich so. Die Hits aus dem Pop-Imperium TELDEC haben uns begleitet und wohl auch nachhaltig beeinflußt. In der Rückschau ist es heute unbedingt interessant und spannend.
 
In fundierten Kapiteln, chronologisch angeordnet, werden Entwicklung, Firmen- und Labelzusammenhänge, die Biographien der wichtigsten Männer hinter den Kulissen - von Herbert Heymann und Hans Lieber bis Thomas Stein und Manfred Atzert -, die Künstler der Klassik-Sparte, die
vermarkteten Pop-Stars und ihre Produktionen übersichtlich und bei aller detailfreudigen Sachlichkeit überaus unterhaltsam aufgezeichnet und erläutert.
Unbekanntes und Interessantes über Plattenstars der TELDEC wie Slavko Avsenik und seine Oberkrainer, Lys Assia, Annunzio Mantovani, Elvis Presley, Chris Howland, Vico Torriani, Werner Müller, Peter Maffay, Udo Lindenberg, Jürgen Marcus, Willie Nelson, Drafi Deutscher, The Rolling Stones, Fats Domino, Ricky Nelson, The Everly Brothers und viel andere mehr macht Rüdiger Bloemeke seinen Lesern zugänglich, und Technisches wie das Füllschrift-Verfahren von Eduard Rhein, das den Weg zur EP (Extendes Play) und Langspielplatte freimachte, wird populär erklärt.
Diese detailreiche Chronik einer Marke, deren Ende 1988 kam, als WEA die TELDEC-Bausteine übernahm, ist eine nahezu unerschöpfliche Fundgrube voller bestens recherchierter Fakten, reich illustriert mit Label-Abbildungen, Plattencovern, Prospekten und Fotos aus der TELDEC-Geschichte. Sicher ein künftiges Standardwerk zum Thema, und wenn auch ein Namens- und Sach-Index leider fehlt, für Musikfreunde, Schallplattensammler, Musikhistoriker, Archivare oder einfach nur Nostalgiker durch nichts zu ersetzen.



 

Rüdiger Bloemeke – „Die TELDEC-Story - Wie eine Plattenfirma unser Leben veränderte“
Vorwort von Bear Family-Gründer Richard Weize
© 2018 Voodoo Verlag, 284 Seiten, gebunden, 21 x 26 cm, mit über 800 Abbildungen – ISBN: 9783000596988
38,- €

 


Weitere Informationen: http://voodoo-verlag.com