Europapark Rust

Können knapp 6 Millionen Besucher 2018 irren?

von Theo Reisner

Foto © Theo Reisner

Europapark Rust 2018
 
Knapp sechs Millionen Besucher alleine 2018 können nicht irren - oder doch?
 
Vielleicht gerade weil es immer nur das Spektakulärste, Neueste und Schnellste sein darf, lohnt sich ein Blick zurück in seine gemütliche Geschichte. Und die begann in Rust nahe dem Schwarzwald, keine 10 km vor der französischen Grenze entfernt, 1975 mit einer Idee der Karussell-Bauer Mack und Söhne. Sie stellten einen alten Märchenspielplatz im 550 Jahre alten Schloßpark unter das Motto „Europa“ und gliederten ihn in geografische Themenbereiche. England, Holland, Skandinavien und Spanien machten den Anfang. Damals wie heute standen die „Fliegenden Bauten“ (auf TÜV-Deutsch) im Mittelpunkt. 1995 kamen schon 2,5 Millionen Besucher, den Autor dieses Berichtes mit eingerechnet. 2017 waren es 5,6 Millionen und der Preis stieg in dieser Zeit von € 16 auf das Dreifache.
Trotzdem: Die schiere Menge bedrückt nicht, Wartezeiten sind auch in Ferienzeiten und an Wochenenden tragbar. Auch der Eintritt relativiert sich in Hinblick auf die einzigartige Dichte an technischem Aufwand. Z.B. die neueste Achterbahn „Megacoaster“ läßt ihn für ein paar Minuten vergessen und die alleine hat 20 Millionen Euro an Baukosten verschlungen. Immerhin 38 Meter hoch. „Expresszugänge“ wie bei Mitbewerbern (gegen zusätzliche Gebühr) gibt es beim europäischen Marktführer und Gewinner aller wichtigen Auszeichnungen aus Gründen der Philosophie nicht und das wirkt sich gut auf die allgemeine Stimmung aus. Apropos Stimmung: Die ist auch in längeren Warteschlagen entspannt quer durch alle Sprachen- und Kulturkreise. Auffällig groß ist der Anteil von außereuropäischen Besuchern. Damit hat es der Europark wohl geschafft, zu einem „Muß“ im Deutschland-Programm jüngerer internationaler Touristen zu werden. Frei adaptiert heißt das alte Weltenbummler-Motto dann Friday, it must be Germany´s Europapark.

 
  Poseidon - Foto © Theo Reisner

Das Grundkonzept aus 1975 wurde beibehalten und bis an die Schmerzgrenze weitergetrieben. Mit 5g erreichen die bis zu 130 km/h (im Silver-Star) schnellen Fahrgeräte Weltraum-Niveau und beschleunigen von 0 auf 200 km/h in 4 Sekunden … in einer eigene Welt, abgeschlossen von außen, mit eigenen Regeln, kann der Blutdruck auf Wunsch stets auf hohem Niveau gehalten werden. Für die Tiefenentspannung gibt es aber genauso Rasenflächen zum Hinsetzen, ein elektronisches Vogeltheater, einen riesigen Biergarten, eine Fahrt auf den guten alten Euro-Tower - mit optimaler Aussicht auch zugunsten der Planung durchaus weitläufiger Wegstrecken in dem knapp 950.000 m² großen Parkgelände. Ortskundige sehen von hier aus, wie man bequem per z.B. Panorama-Bahn oder EP-Express in Grimms Märchenwald oder zur Ice-Show kommt. Jedes Jahr kommt Neues hinzu, 2018 z.B. der neue Can-Can-Coaster (rast im Frankreich-Gelände u.a. durch das Moulin-Rouge). Oder „Jim Knopf: Reise durch Lummerland“ und das Musical „Rulantica“ im Europapark-Teatro. 18x Achterbahn gibt es jedenfalls sonst nirgendwo auf der Welt. Und 2019 geht eine neuartige, riesige Wasserwelt in Betrieb. Bis dahin bleibt die Wasserachterbahn Poseidon, sehr feucht und 70 km/h schnell, der Top-Favorit bei Sonnenschein und trockener Luft.
Hinter der gewaltigen Technik steckt Werner Stengel aus Bochum, 81. Er hat alles zusammen gut 750 Geräte entwickelt, nicht nur in Rust. Auch die „geilsten“ Gerätschaften auf dem Münchner Oktoberfest sind seine Ideen. So kam er vermutlich zum Kosenamen „Pate des organisierten Erbrechens“. Mit der Kreisform „Klotoide“, dem Vertikal-Looping, der „Herzlinie“ und mit einer umgedrehten Tropfenform für Achterbahnen schafft der in München lebende Diplom-Ingenieur Höhen von bis zu 140 Metern (in New Jersey) und Geschwindigkeiten von bis zu 240 km/h (in Abu Dhabi) ohne Genickbruch.


France - Foto © Theo Reisner

Und wie geht es weiter? VR, die so genannte Virtual Reality eröffnet bei der rundum-Bespaßung ein Feld unendlicher Kombinationsmöglichkeiten der „klassischen“ Achterbahnen und Co. mit einer zusätzlichen Extra-Welt, im wahrsten Sinn des Wortes aufs Auge gedrückt. Die „Coastality“ im Österreich-Gelände z.B. eröffnet Wahlmöglichkeiten bei Schwierigkeitsgraden oder altersgerechten Inhalten. In die Brille eingespielt werden z.B. Filme wie „Sky Express“, durch die man in die Rolle von Piloten versetzt wird und alles aus luftiger Höhe sieht, Überschall inklusive. Beim Programm „Valerian“ verstärkt sich die Wirkung, weil gleichzeitig mit dem fliegenden Kino auf einer Achter-Bahn im Finsteren der Eurosat-Kugel die Runden gedreht werden. Schwindel-Anfällige können hier u.a. kann die Flughöhe anpassen.
Auch das angegliederte Hotel-Dorf mit direktem Zugang hält sich an den EU-Leitfaden und ist häufig ausgebucht. Aber keine Bange: schon 2019 eröffnen das nächste Riesenhotel „Kronasar“ mit 1.300 Betten. Bei 4-5 Sternen sind pro Nacht und Person ca. € 100 fällig, Kinder von 4-11 zahlen ein Drittel weniger. In drei Häusern sind die Wellness-Abteilungen auch Tagesgästen zugänglich. Damit ist die Unternehmer-Familie Mack ihrem Ziel, aus einen Vergnügungspark-Besuch einem Kurzurlaub zu machen, schon sehr nahegekommen. Anfällig für Freizeit-Stress wird jedenfalls, wer sich ein genaues Studium des Geländeplans sparen möchte.

 
 Foto © Theo Reisner

Auch Michael S., 15, Besucher aus Österreich und seine Mutter Tatjana sind schon den zweiten Tag hier und meinen, einer wäre zu wenig. Was die beiden besonders beeindruckt sind die Service-Qualität, Freundlichkeit und die vielseitige Gastronomie. Von Spezialitäten aus Rußland über die Taverna Mykonos bis zum Pariser Bistro - alles da und ziemlich originalgetreu gestaltet. Vom Kitsch der 90er Jahre ist seit meinem letzten Besuch nicht viel übriggeblieben ...
Können also knapp 6 Millionen (geschätzt) Besucher alleine 2018 irren? Nein, tun sie nicht.
Und was kann lernt man im Europapark, zusammen mit gut 20.000 anderen Besuchern an besonders starken Tagen? Wie ein „Spezial-Europa“ mit 15 Staaten-Bereichen perfekt durchorganisiert funktioniert, bei allerbester Stimmung, mitunter recht eng, teuer, aber gut, betreut von 3.800 Mitarbeitern und bei einer Quote „Will wiederkommen“ von 99 Prozent? Das sollte doch im „richtigen“ Europa auch klappen!


Foto © Theo Reisner

Weitere Informationen:
www.europapark.de,  Europa-Park-Straße 2, 77977 Rust. Info-Line 07822-77-6688.
Öffnungszeiten zumeist 9-18h, u.a. Ferien länger, Preise: € 40-50 pro Tag, div. Ermäßigungen.