Notizen

Aus dem Zettelkasten

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch
Notizen
 
...über falsche Männer
 
Ich kannte eine Frau, die war immer mit den falschen Männern zusammen. Wenn ich irgendwo einen Mann sah, der nicht zu ihr paßte, war das meistens ihr Freund. Ich dachte immer nur, wo findet sie die nur? Stehen die alle auf einem Haufen und tragen ihre Anzugjacken auf links? Oder gibt sie in der Zeitung eine Annonce auf: „Suche falschen Mann zum unglücklich werden, Problemfälle angenehm.“ Einmal war sie mit einem Mann zusammen, der sang immer beim Gähnen. Er zog dabei sein Gähnen in die Länge, als würde es Besitz von ihm ergreifen, als könnte er es nun nicht mehr abstellen. Er riß dazu den Mund auf, als würden nun die Töne, die aus ihm entweichen, nicht seinen eigentlichen Standpunkt wiedergeben. „Uaaaah“ machte er dann und streckte sich, als würde er Schmerzen erdulden. „Yesterday“ von den Beatles sollte das sein. Ich dachte immer, wo findet sie die nur? Wo laufen die denn rum? Wo hat sie die her? Einmal war sie mit einem Mann zusammen, der wollte, daß sie eine blonde Perücke trug und ihn „Tarzan“ nannte. Er nannte sie dann Jane. Wo findet sie die nur? Sie hat mal einen Freund gehabt, der brachte drei Kinder, zwei Katzen und seine Mutter mit in die Beziehung, ließ sich aber selbst nie sehen. Wo hat sie die her? Sie hatte mal einen Mann, der schaute sich beim Lieben immer selbst im Fernsehen zu, während ihm ihre Mutter die Haare schnitt. Ich dachte immer nur, wo laufen die denn rum? Wo hat sie die her? Sie hat mal einen Freund gehabt, der kannte die Lösungen für alle Probleme dieser Welt, weigerte sich aber, den Müll nach draußen zu bringen. Sie war mal mit einem Mann zusammen, weil sie dessen Exfrau so sympathisch fand. Auf dieser Grundlage kann man doch keine glückliche Beziehung aufbauen, oder? Sie hatte mal einen Freund, der war nicht so groß und kaute immer an den Fingernägeln. Ich dachte, wenn der so weiter macht, dann ist er bald weg. Der sprach auch so wenig. Manchmal nickte er nur mit dem Kopf als Antwort. Sie nannte ihn immer „He!“, „He, sag doch mal was“. Irgendwann war er dann wirklich weg. He, wo findet sie die nur? Wo laufen die denn rum? Wo hat sie die her? Sie hat mal einen Freund gehabt, der mochte sie nur, wenn er betrunken war. Okay, er war immer betrunken, aber so glücklich machte sie das auch nicht. Sie hat mal einen Freund gehabt, der konnte kein Instrument spielen, spielte aber den ganzen Tag Saxophon. Wo findet sie die nur? Wo laufen die denn rum? Wo hat sie die her? Sie war mal mit einem Mann zusammen, der schrieb Kindergedichte. So Sachen wie: „Die Zukunft läuft uns niemals weg/ sie ist uns immer nah/ selbst wenn wir nichts tun, ach du Schreck/ ist schon die Zukunft da.“ Was soll denn das? Das will man doch nicht beim Essen hören. „Die Zukunft ist, was man draus macht/ wenn man sie haben will/ Ich hab sie einfach ausgelacht/ da war die Zukunft still.“ Können sie was damit anfangen? Mich macht das ganz rammdösig. „Den jungen Menschen ist nicht klar/ das wir die Zukunft sind/ die Zukunft hat oft weißes Haar/ Und spielt mit einem Kind.“ Unglaublich, oder? Mit dem konnte man doch kein vernünftiges Wort reden. Einmal war sie mit einem Mann zusammen, der wollte immer, daß sie als Model arbeitete, ich meine, ich hätte auch gerne, daß meine Frau Boxweltmeisterin wird und meine Mutter in der Nationalmannschaft spielt, aber so einfach ist das alles nicht. Wo findet sie die nur? Wo hat sie die her? Sie war mal mit einem Mann zusammen, der mochte sie immer am liebsten, wenn sie traurig war. Auf dieser Ebene kann man doch keine glückliche Beziehung führen, oder? Als er ging, war sie darüber so traurig, daß er am liebsten geblieben wäre, da hat sie ganz schnell gelacht.
 

© Erwin Grosche

 Redaktion: Frank Becker