Einer von Tausenden Filmen, die man sieht und ziemlich gleich wieder vergißt

„Papillon“ von Michael Noer

von Renate Wagner

Papillon
(USA 2017)

Regie: Michael Noer
Mit: Charlie Hunnam, Rami Malek u.a.
 
Filmkritiker tun es, sollten es auch tun: Sie schieben eine DVD des ursprünglichen „Papillon“-Films von 1973 ein, bevor sie in die Pressevorführung des nunmehrigen Remakes – immerhin 45 Jahre danach! – gehen. Kinobesucher, die den neuen „Papillon“ ins Auge fassen (viele von ihnen werden nicht einmal noch geboren gewesen sein, als der ursprüngliche Film entstand), sollten das tunlich vermeiden. Sich einfach mit der neuen Fassung begnügen.
 
Was Regisseur Michael Noer auf die Leinwand bringt, gleicht übrigens in sehr vielen Elementen (auch in der Ausstattung) bis ins Detail den Lösungen, die Franklin J. Schaffner seinerzeit gefunden hat. Die Geschichte liegt vor, sie kann nur wenig variiert werden. Der neue Film bietet allerdings eine Art Einleitung: Man lernt (in einem „Paris“, das nach wenig gelungener Atelier-Dekoration stinkt) in den dreißiger Jahren „Papi“ kennen, den berühmten Schrankknacker, der seinen Spitznamen von dem eintätowierten Schmetterling erhalten hat. Und natürlich hat er den Mord, den ihm seine Feinde anhängen, nicht begangen…
Er hieß an sich Henri Charrière (1906-1973), wurde tatsächlich 1932 lebenslang nach Französisch-Guayana verbannt und konnte nach verschiedenen Anläufen 1944 flüchten. Sein autobiographischer Roman „Papillon“ erschien 1970, erregte weltweites Aufsehen (auch in Österreich, wo er einer der großen Erfolge des damals blühenden Molden Verlags war) – und ob nun alles tatsächlich so war, wie er es beschrieben hat, sei dahingestellt. Jedenfalls folgen beide Filme mit geringen Abweichungen seiner Vorlage.
Und das ist eine brutale Gefängnisgeschichte, denn die Franzosen waren (wie viele andere Nationen auch) keineswegs zart besaitet im Umgang mit ihren Kriminellen. Man schob sie ans Ende der Welt, nach Französisch Guyana an der südamerikanischen Küste, wo eine Flucht im Grunde undenkbar und eine Heimkehr nahezu unmöglich war. Die Männer wurden mit aller Brutalität behandelt (auch eine öffentliche Hinrichtung per Guillotine vor versammelten Mannschaft wird dem Kinobesucher nicht erspart), aber dennoch hat ja – angeblich, der Normalmensch weiß es glücklicherweise nicht – jedes Gefängnisleben nicht nur seine Rituale, sondern auch seine Lücken. Das Geld, das man mitbringt, so man es hat, ist in den Hintern geschoben, die Wachen sind bestechlich, und letztendlich kommen doch immer wieder Leute „von außen“ ans Ende der Welt, von denen man sich Fluchtmöglichkeiten erhofft.
 
Hier also trifft „Papi“ auf Louis Dega, den Meisterfälscher, Meisterbetrüger und auch in der Gefangenschaft noch reichen Mann, dem der „Starke“ seinen Schutz anbietet. Anfangs hochmütig ablehnend, merkt Dega bald, daß er ihn braucht. Und will sich den nimmer endenden Fluchtplänen von Papillon anschließen, weil das Leben in der Strafkolonie so hart ist, daß der fragile Mann fürchten muß, es nicht zu überleben…
Tatsache ist: der Film, mit gut über zwei Stunden überlang, bietet inhaltlich nicht allzu viel. Zwei Fluchtversuche, die Papi zuerst zwei, dann fünf Jahre Einzelhaft einbringen. Das sind die Szenen, die wirklich unter die Haut gehen sollten, der Überlebenswille eines Mannes unter schier unerträglichen Umständen, die in ihrer Einförmigkeit mit höchster Spannung aufgeladen sein müssten.
Aber diese innere Dramatik gelingt weder dem Regisseur nachdrücklich, noch seinem Hauptdarsteller. Nun ist Charlie Hunnam ein gut aussehender Schauspieler, dem man in den letzten Jahren eine Hauptrolle nach der anderen nachgeworfen hat – Stefan Ruzowitzky hat ihn in „Cold Blood“ eingesetzt, er spielte in „Pacific Rim“ und „Crimson Park“, war auf der Suche nach der „Versunkene Stadt Z“ und durfte zuletzt King Arthur sein, immerhin. Überzeugt hat er nie, und er tut es auch hier nicht. Eine gewisse Starre charakterisiert hier nicht eine Figur, sondern ist einfach Mangel an darstellerischer Differenziertheit.
Währenddessen überlebt Dega im Lager auf Schreibtischposten, aber auch Rami Malek, Amerikaner ägyptischer Herkunft und für einen Franzosen der damaligen Zeit eindeutig zu „fremd“ wirkend, glaubt man nicht, was er ausstrahlen soll: Die Stärke des Schwachen, der es sich überall richten kann. Und noch einiges mehr wäre in der Figur drin.
 
Es ist müßig nachzuzeichnen, in welchen Details sich die Filme, der einzig Wahre von einst und der Unnötige von jetzt, unterscheiden. Das Original ist einfach durch die Interpreten so stark. Dieser „Papillon“ hingegen ist einer von Tausenden Filmen, die man sieht und ziemlich gleich wieder vergißt. Das wäre einem mit der Erstverfilmung, die Gesichter von Steve McQueen und Dustin Hoffman ins Gedächtnis gebrannt, nie passiert…
 
 
Renate Wagner