Auch die Musik wurde verdächtig

Vor 80 Jahren starteten in Düsseldorf die „Reichsmusiktage“ der Nationalsozialisten.

von Andreas Rehnolt

© 2015 ConBrio Verlag
Auch die Musik wurde verdächtig
 
Am 22. Mai vor 80 Jahren starteten in Düsseldorf
die „Reichsmusiktage“
der Nationalsozialisten.

Zugleich eröffnete die Haß-Ausstellung
„Entartete Musik“
 
Düsseldorf - Nach den nationalsozialistischen Bücherverbrennungen 1933 und der Vertreibung und Inhaftierung regimekritischer Künstler sowie der Ausstellung „Entartete Kunst“ im Jahre 1937 wurde den braunen Machthabern ein Jahr später auch die Musik verdächtig. Vom 22. bis zum 29. Mai 1938 - vor 80 Jahren also - fanden unter der Schirmherrschaft des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels in Düsseldorf die „Reichsmusiktage“ statt.
 
Düsseldorf galt den Nationalsozialisten damals als „Kunststadt des Westens“. So wundert es nicht, daß die „Reichsmusiktage“ am 125. Geburtstag  Richard Wagners eröffnet wurden. Goebbels nannte sie in seiner Ansprache eine Veranstaltung für „musikpolitische Grundsatzerklärungen und Weichenstellungen“. Richard Strauss dirigierte selbst sein „Festliches Präludium Op. 61“, ein Werk für Orchester und Orgel aus dem Jahr 1913, das er extra für diese Gelegenheit neu besetzte.
Zudem gab es auf verschiedenen Plätzen in der ganzen Stadt Platzkonzerte. Weiterhin fanden musikwissenschaftliche Symposien sowie Fachtagungen von Komponisten und Musikpädagogen statt. Bei all diesen Veranstaltungen wurde die Verkörperung und Darstellung des „Deutschen“ in der Musikkultur diskutiert. Ähnlich wie in der Kunst stellten die Nazis auch in der Musik vor allem die ästhetischen und stilistischen Tendenzen der Moderne als „Degeneration“ und „Zersetzung“ dar.
 
Als einen Höhepunkt der „Reichsmusiktage“ inszenierten die Nationalsozialisten in Düsseldorf zudem die vom NS-Funktionär Hans Severus Ziegler (1893-1978) organisierte Hetz-Ausstellung mit dem Titel „Entartete Musik“, die später auch in Weimar, München und Wien gezeigt wurde. Die Musik der Moderne wie etwa von Gustav Mahler, Arnold Schönberg, Anton Webern, Alban Berg oder Kurt Weill wurde als „undeutsch“ ebenso diffamiert, wie die jüdischen Operetten- und Schlagerkomponisten diskriminiert und atonale Werke sowie der Jazz als „artfremd“ eingestuft wurden.
Ziegler war promovierter Staatsrat und Generalintendant des Deutschen Staatstheaters in Weimar. Schon 1930 hatte er in Thüringen einen Erlass „Wider die Negerkultur“ verfasst. Für die Düsseldorfer Schau „Entartete Musik“ brachte er eine Broschüre mit dem Titelmotiv der Karikatur eines schwarzen Saxophonspielers heraus. Dabei handelte es sich um die Titelfigur der Oper „Jonny spielt auf“ von Ernst Krenek. Das Gesicht des Musikers ist bewusst überzeichnet, statt einer Nelke prangt im Knopfloch des Saxophonspielers der Davidstern. 
Für Ziegler, der nach dem Zweiten Weltkrieg wieder als Lehrer in Essen und auf der Nordseeinsel Wangerooge tätig war, war die „entartete“ Musik „Abbild des frivolsten geistig-künstlerischen Kulturbolschewismus“ sowie Abbild „des Triumphes von Untermenschen, arroganter jüdischer Frechheit und völliger geistiger Vertrottelung“.

Dr. Albrecht Dümling - Foto © Johannes Vesper
 
Im Rahmen der Reichsmusiktage und der Ausstellung „Entartete Musik“ wurden neben Musikern auch Musikwissenschaftler, Musikkritiker, Musikpädagogen sowie Dirigenten und deren Werke und Schriften angeprangert. Ihre Musik bezeichneten die Nationalsozialisten auch als „Verballhornung der Musik des Gastvolkes“.
 
Bis zum 27. Mai zeigt das Richard Wagner Museum Bayreuth übrigens die Wanderausstellung „Das verdächtige Saxophon. Entartete Musik im NS-Staat“. Die hatten 1988 Peter Girth und Albrecht Dümling als kommentierende Rekonstruktion der NS-Hassschau rekonstruiert. 2007 wurde sie dann im Auftrag der Stiftung Berliner Philharmoniker und der Tonhalle Düsseldorf neu gestaltet.
 
2013 hatte die deutsche Punkrock-Band „Tote Hosen“ gemeinsam mit den Sinfonikern der Robert-Schumann-Hochschule mit einem großartigen Konzert unter dem Titel „Willkommen in Deutschland“ in der Düsseldorfer Tonhalle an die von den Nazis als „entartet“ eingestufte Musik erinnert. Die „Reichsmusiktage“, die nach dem Wunsch von Goebbels ursprünglich jährlich stattfinden sollten, gab es nach ihrer Premiere vor 80 Jahren nur noch einmal im Jahre 1939. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs fanden sie dann nicht mehr statt.

Redaktion: Frank Becker