„Der Fall Furtwängler“
mit Charles Brauer und Manfred Zapatka
Gastspiel des Euro-Studio Landgraf
in der Stadthalle Hilden
Als Deutschland nach 12 Jahren Nazi-Herrschaft und nationalem Wahn in Trümmern lag, machten sich die Sieger daran, die Verantwortlichen zu finden und die Schuldigen zu richten. Vor einen militärischen Untersuchungsausschuß der US-Zone wird auch Wilhelm Furtwängler (Charles Brauer) zitiert, der Weltstar am Pult der Berliner Philharmoniker. Ihm, der von den NS-Größen hofiert und zum Bannerträger deutscher Kultur im Dritten Reich gemacht wurde, wird vorgeworfen, durch sein Arrangement mit den Mächtigen mitschuldig geworden zu sein. Ermittler Major Arnold (Manfred Zapatka) konzentriert sich auf die Frage, warum der angesehene Künstler nicht wie seine Kollegen, etwa Otto Klemperer und Erich Kleiber, das Land verlassen hat, sondern blieb und durch sein Wirken im Dunstkreis der Brandstifter diesen zu Ansehen verhalf. Ist das Bleiben schon Schuld, hat sich Furtwängler dadurch in den Dienst brutaler Obrigkeit gestellt und nicht in den der unpolitischen großen Kunst, wie er für sich reklamiert?
Ronald Harwoods Stück um die Vernehmung Furtwänglers ist ein brillanter Schlagabtausch, in dessen Verlauf beide Kontrahenten auf dogmatischen Positionen verharren, weder in der Lage noch willens, Einsicht in die Gedankenwelt des Gegenübers zu nehmen. Zugleich stehen beide, der eine in intellektueller Selbstgerechtigkeit, der andere in bornierter Vorverurteilung, im Zwielicht. Ein Sieger kann aus diesem Duell nicht hervorgehen. Die hinreißende Verkörperung der in jeder Hinsicht ungleichen Gegner, zu der hier zwei großartige Schauspieler angetreten sind, setzt Marken. Brauer als Furtwängler zeigt standfest und starrköpfig einen tief gekränkten und gedemütigten, jedoch ungebrochenen und auch unbelehrbaren Intellektuellen. Einen Mann von vornehmer Haltung und Gesinnung. Zapatka gibt den US-Major von kurzsichtigem Haß zerfressen. Sein Steve Arnold, für die Aufgabe wegen fehlender intellektueller Belastung ausgesucht, gerät letzten Endes ins gleiche häßliche Zwielicht wie der Mann, den er zerstören will. Alexander Muheim zeigte Qualitäten als 2. Geiger Helmut Rode, Verkörperung des Verführbaren, des bedingungslosen Opportunisten, der sich für aufrecht und ehrlich hält und in jedem Strom mitschwimmt, wenn er nur die Strömung erkennt. Die übrigen Rollen blieben marginal, wobei Jan Becker als Leutnant Wills und Antipode Zapatkas eine wichtige Funktion gut erfüllte. „Partei ergreifen (Taking Sides)“ heißt das Stück im Original. Man konnte es schließlich weder so noch so - und das war wohl auch das Ziel der Inszenierung von Fred Berndt.
Frank Becker, 26.4.04
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