Mehr als Äpfel und Wanderwege

Ein Bozener Speisebericht

von Frank Becker

Bozen - Walther-Denkmal © Bozen
Mehr als Äpfel und Wanderwege

Südtirol präsentiert sich mit seinem attraktiven Zentrum Bozen/Bolzano als kulinarisch aufstrebende, landschaftlich abwechslungsreiche und kulturell vielfältige Region.
So hat man ihn vor Augen, den legendären Minnesänger: „Ich saz ûf eime steine, und dahte bein mit beine: dar ûf satzt ich den ellenbogen: ich hete in mîne hant gesmogen daz kinne und ein mîn wange.“  In Bozen sitzt er nicht sinnend auf einem Felsen, die Beine locker übereinander geschlagen, das Kinn aufgestützt. Schräg gegenüber dem Dom, der auf Grundmauern von 1320 ruht, auf der Piazza Walther, dem Waltherplatz, steht er aufrecht in Stein gehauen, mit der Leier in der Hand, den energischen Blick nach Süden gerichtet: Walther von der Vogelweide, den nicht allein Bozen für sich reklamiert. Doch es wäre durchaus denkbar, daß die zauberhafte Landschaft Südtirols oder gar Bozen selbst, Ende des 12. Jahrhunderts natürlich noch ohne die drangvolle Enge der ins liebliche Tal am Zusammenfluß von Etsch, Talfer und Eisack hinein wuchernden Industrie, seine Heimat gewesen sein könnte.    
      
Ein beschenktes Land

Schönheit und Reichtum, um besungen und bedichtet zu werden bietet - das wissen Kenner schon lange - dieses beschenkte Land in Fülle. War Südtirol touristisch betrachtet lange Jahre überwiegend das Ziel für Wanderer, Naturfreunde und Ruhesuchende, sowie für Liebhaber robuster Weine und deftiger Küche (das alles ist es in hohem Maß noch immer), hat sich das „Tor zu den Dolomiten“ neben einem aufstrebenden Industriestandort dank emsiger Mühe auch zum lohnenden Ziel für kulturell Interessierte und Gourmets gemausert. Man nutzt, was man hat – und Bozen und seine Umgebung hat reichlich kulturhistorische und kulinarische Pfunde, um damit zu wuchern. Fachleute aus Bozen sind als Seilbahnbauer in aller Welt gefragt, Bozener Hersteller von Bergsteiger-Artikeln sind Marktführer und die einzige Berg- und Skisport-Messe Italiens wird hier ausgerichtet. Am Kreuzpunkt alter Handelswege gelegen ist Bozen die Stadt in Europa mit den meisten Schlössern und Burgen. Viel davon sind zu besichtigen, einige beherbergen Museen und Restaurants.

Bozen ist zweisprachig

Nicht jeder Gast kann das Glück haben, Stadt und Land mit Dr. Roberto Seppi, dem rührigen Direktor des Verkehrsamtes Bozen kennenzulernen, doch werden vom Verkehrsamt so umfangreiches Informationsmaterial und sorgsam ausgearbeitete Broschüren mit Vorschlägen zum Erleben der touristischen Angebote bereitgehalten, daß jeder auf seine Kosten kommt. Die 1919 in Folge des 1. Weltkrieges Italien zugeschlagene, ehemals österreichische Provinz Südtirol ist  attraktiv für Individualreisende und Bustouristik, ihre Hauptstadt Bozen, Verkehrsknoten, Bischofssitz,

Bozen ist zweisprachig - Foto © Frank Becker
Verwaltungs- und Handelszentrum eine Perle. Die politische Entwicklung der vergangenen 85 Jahre hat dem Land nach Umbrüchen eine Teilautonomie beschert, in der es merkbar aufblüht. Zu den alten Werten und Tugenden der historischen Einwohnerschaft, die sich selbst als deutsch bezeichnet und heute 27 % der Bevölkerung ausmacht, kommt die elegante Lebensart der jetzt 70 % Italiener. Die Ladiner, „Urbevölkerung“ Tirols, machen nur noch 3 % aus, werden aber in ihren Traditionen geachtet. Der Reisende kommt in den Genuß der Tugenden aller Bevölkerungsteile und wer aus dem deutschsprachigen Raum kommt, wird überall verstanden und es wird ihm auf deutsch geantwortet.
Ein guter Beginn bei einen Bozen-Besuch ist, sich einen Überblick zu verschaffen. Dazu taugt besonders ein Ausflug mit der Kohlerer Seilbahn (1908 zunächst als Lastenbahn auf den Bozener Hausberg gebaut) hinauf zum Kohlern (1135 m Seehöhe). Man erreicht die Talstation mit der Buslinie 11 vom Zentrum aus. Wer danach noch die 36 Meter über die Treppen zur Plattform des Aussichtsturmes auf sich nimmt, kann bei klarem Wetter eine berückende Fernsicht genießen. Und vielleicht wird er ja auch von Petra Herbst, der Empfangschefin des Hotel Kohlern mit einem Glas Prosecco begrüßt...


Petra Herbst Foto © Becker
Gediegene Küche...

Da wir schon einmal oben sind, lohnt auf jeden Fall ein Mittagessen im Gasthof/Hotel Kohlern gleich nebenan – das Steinpilz-Risotto ist eine Empfehlung wert, denn die Kunst des Risotto ist nicht jedem Koch gegeben, und auch der Terlaner Grauburgunder, der dort auf der Weinkarte steht, sollte nicht unerwähnt bleiben. Für Wanderer ist der Kohlern übrigens der Bozener Ausgangspunkt des Europäischen Fernwanderweges nach Venedig. Wer es droben aber schon schön genug findet und gar nicht weiterwandern möchte, kann im Hotel Kohlern ein Zimmer mit Aussicht nehmen. Der Blick ist phantastisch.
Gediegene Küche bekommt man auch auf der Haselburg, seit Heiner Oberrauch sie 2002/03 in den ursprünglichen baulichen Zustand inklusive Ambiente hat zurückversetzen und mit einem Restaurant und einem vorzüglichen Weinkeller ausstatten lassen. Die raffinierte Speck-Graukäserolle auf Salatbett z.B. und der zart rosa gebratene Kalbsrücken (ein Hauch schwarzer Pfeffer aus der Mühle) mit Pilzen und Petersilienwurzel-Ragout sind gelungen, der 2005er Weißburgunder aus 1 ha eigenem Anbau paßt vorzüglich. Da wir schon mal dabei sind. Eine weitere Steigerung habe ich hier noch

Polenta © Frank Becker
anzubieten (sicher habe ich etliche gar nicht kennengelernt): das Restaurant „Zur Rose“ in St. Michael/Eppan, einen lohnenden kurzen Ausflug von Bozen entfernt. Hier finden sie eine Weinkarte, die allein köstliche Lektüre ist. Den Kolbenhof Gewürztraminer 2005 von J. Hofstätter, den Weißburgunder Cornell 2004 von Schreckbichl oder Diverses von Elena Walch zu verkosten ist allerdings noch besser  - und wer Lust hat, kann auch auf dem Weingut Walch selbst eine Weinprobe machen. Der frische, fruchtige Grauburgunder Castel Ringberg 2005, eine Ruländer-Traube im Barrique ausgebaut, kommt dem Wunsch nach Leichtigkeit entgegen. Der trockene Gewürztraminer Alto Adige 2005, mild, duftig, aromatisch, ist in Italien zu fast allen Speisen beliebt und der Lagreiner Riserva Castel Ringberg ist ein Genuß. Ein einfacher Cabernet Istrice zur auf offenem Feuer gekochten Polenta mit Speck und Hauswurst lässt nichts vermissen.

 ...mit Höhepunkten

Aber ich bin abgeschweift: ich möchte nicht vergessen, ihnen von den köstlichen Garnelen auf

Rindswange in Lagreinsoße - Foto: "Zur Rose"
Tomaten-Carpaccio und Paprikaschoten-Eis zu erzählen, die Herbert und Margot Hintner in der "Rose" offerieren, bei der Erinnerung an die Polenta-Ravioli mit schwarzen umbrischen Trüffeln (eine Offenbarung mit einem passenden Vernatsch!) in Schwärmerei verfallen und vor der geschmorten Rindswange in Lagreinsauce auf die Knie sinken, zu der ein granatroter, athletisch gebauter Lagrein paßt, der Vernatsch aber noch besser. Das Glück wird mit dem Dessert vollkommen: Orangenhippe mit Kastanien auf Quittenragout und Nougat-Eis, dazu ein Rosen-Muskateller von Laimburg – kein weiteres Wort!
Bei so vielen Köstlichkeiten sollte man den Ausgleich der Bewegung suchen – und davon findet man in landschaftlicher Schönheit reichlich in Bozen und Umgebung. Nach dem Essen vielleicht noch ein Bummel durch die Altstadt mit ihren insgesamt 360 Metern intimen Arkadengängen, die eine Auswahl an eleganten Geschäften und gemütlichen Lokalen bieten. Auf dem Walther-Platz kann man mit Blick auf den Barden noch einen Espresso nehmen.

Aktivitäten

Anderentags ist aber wirklich Aktivität angesagt. Da kommen die Jeneser Höhen, nördlich und der Ritten nordöstlich oberhalb Bozens gelegen, gerade recht. Mit dem Bus Nr. 12 kommt man zur

Das Bozener Tal - Foto © Frank Becker
Talstation der Jenesien-Seilbahn, und nur 500 m vom Bozener Bahnhof entfernt führt die Rittner Seilbahn den Wanderer hinauf. Von der Bergstation Jenesien aus öffnen sich herrliche Wanderwege über den Salten, auch für Ungeübte ein Vergnügen. Wer mal nicht gut zu Fuß ist, kann eine Kutschfahrt buchen. Von der Bergstation Oberbozen führt die Wanderung über den Ritten Richtung Klobenstein. Hier kann man die gemütvollen Haflinger-Pferde, die besonders bei den Kindern beliebt sind, für einen Ritt ausleihen.
Eine Attraktion besonderer Art ist ein Besuch des „MMM Firmian (Messner Mountain Museum)“

Sigmundskron © Frank Becker
auf Schloß Sigmundskron. In der weitläufigen Anlage der größten Burganlage Südtirols hat der berühmte Bergsteiger und Grenzgänger zum Übermenschlichen, Reinhold Messner, ein einzigartiges Museum zur Geschichte der Alpinistik und zum Verständnis der Denkweise der Himalaja-Völker eingerichtet. Eröffnet im April 2006 gehört es schon jetzt zu den ganz großen Anziehungspunkten für Reisende. Bringen sie Zeit mit! Der Rundgang, will man ihn aufmerksam und vollständig machen, verlangt Aufmerksamkeit, oft auch innere Einkehr und ein gerüttelt Maß Zeit. Es lohnt, auf Sigmundskron einen halben Tag einzuplanen um all die Exponate, Originalstücke aus dem Leben berühmter Bergpioniere, Modelle, Dioramen, Bilder, Film- und Tondokumente aufzunehmen. Ein Gasthaus gibt es dort auch, so ist der Hungrige zum Essen nicht seine Tour abbrechen.

Der Mann aus dem Eis

Die zentrale Attraktion Bozens ist das Archäologie-Museum, welches die Stadt in Nullkommanichts sozusagen um den „Mann aus dem Eis“ herum gebaut hat, nachdem Südtirol als rechtmäßiger „Besitzer“ des 1991 auf dem Schnalstaler Gletscher gefundenen Frühzeit-Menschen anerkannt wurde. Eine Ironie der Zeitgeschichte: ohne die fatale, vom Menschen gemachte globale Erderwärmung wäre der 5.000 Jahre im „ewigen“ Eis der Hochalpen konservierte Ötztal-Mensch nie gefunden worden. Jetzt kann er von jedermann angeschaut werden – ein zweifelhaftes Vergnügen, auf das viele aus verständlichen Gründen gerne verzichten. Ein Paravent vor der verglasten Tiefkühlkammer schützt ihn und die, welche die Totenruhe respektieren möchten.
Wirklich interessant sind die Sammlung und Ausstellung von Tiroler Exponaten von der Altsteinzeit bis zur Karolingerzeit, die mit Film- und Dia-Vorführungen, Raumbildern, Modellen und Rekonstruktionen ein umfassendes Bild der Entwicklung Tirols zeigen. Es gibt im historischen Altstadtkern, den vielen Sammlungen und Museen Bozens und auf den Schlössern der Umgebung viel zu sehen. Langeweile wird auch bei schlechtem Wetter nie aufkommen können. Was auch immer Reisende nach Südtirol führt – in Bozen sind sie gut aufgehoben.

Fotos © Verkehrsamt Bozen (1), Restaurant "Zur Rose" (1) Frank Becker (6)

Informationen
bekommt man beim:
Verkehrsamt Bozen - Piazza Walther 8 - I-39100 Bolzano – Italien – Tel. 0039-471-980128
oder unter:

Südtirol, Land der Burgen - Foto © Frank Becker

www.bolzano-bozen.it
www.messner-mountain-museum.it
www.idyllischeplaetze.com
www.iceman.it
www.kohlern.com
www.zur-rose.com
www.elenawalch.com
www.laurin.it
www.greif.it