Musikstadt Leipzig

Ein Reise-Essay nach Noten

von Jörg Aufenanger

J.S. Bach - Gemälde von Elias Gottlob Haußmann

Musikstadt Leipzig


Diese Stadt ist voller Musik. Auf den Plätzen spielen mehr und bessere Straßenmusiker als anderswo, in der Thomaskirche hören wir eine Orgel, natürlich Bach, in der Nikolaikirche einen Chor eine Motette singen, im Schumannhaus spielt ein Pianist Schubert, im Musikinstrumentenmuseum hören wir seltene Instrumente, im Wohnhaus Mendelssohns herrscht zwar Stille, doch wir meinen seine Lieder ohne Worte dennoch zu vernehmen. Sind wir vom musikalisch Rundgang zur Thomaskirche zurückgekehrt, so spielen zwei Streicher neben dem Bachdenkmal, nein nicht Bach, sondern Mozart. Klingt Musik hier etwa anders als andernorts? Oder ist das nur Täuschung, weil wir nun wissen, wie viele Komponisten und Musiker in Leipzig leben und gelebt haben?

 

Siebenundzwanzig Jahre lang, jede Woche eine Kantate

Vor allem natürlich Johann Sebastian Bach. Gegenüber der Thomaskirche hatte unser Rundgang begonnen, im Bachhaus. Hier hat der Thomaskantor zwar nicht gewohnt, ging aber im Barockhaus seines Freunds Georg Heinrich Bose ein und aus. Steigt man nun dieselben Stiegen wie einst Bach hoch, taucht man in seine Welt sofort ein, schaut einer Bachbüste in die Augen, erblickt Instrumente seiner Zeit wie die Oboe d’amore oder die Viola d’amore, findet Notenblätter von seiner Hand, Originaltextbücher seiner Kantaten, aber auch banalere Schriftstücke wie Honorarquittungen, dann des Komponisten Handbibel oder einen Stammbaum, auf dem seine kaum zu zählenden Kinder verzeichnet sind.
Siebenundzwanzig lange Jahre war Bach Stadtkantor und hatte jede Woche eine Kantate zu komponieren, die zumeist in der Thomaskirche aufgeführt wurde. Wir gehen die wenigen Schritte zu ihr hinüber und unter leisen Orgelklängen finden wir im Chorraum eine schlichte Grabplatte, unter der seine Überresten begraben sein sollen.

Besuch bei Mendelssohn

Bevor wir nun unseren Rundgang in Musik fortsetzen, haben wir die Wahl, nehmen wir im Bachstübl ein Bachbier zur Erfrischung oder sächsische Quarkkeulchen zur Stärkung. Ob wir uns danach zum alten Rathaus wenden, das Bach häufig aufsuchte, oder zur Nikolaikirche, wo sein


Felix Mendelssohn-Bartholdy
Weihnachtsoratorium uraufgeführt wurde, überall folgen wir seinen Spuren, überlassen sie nun aber anderen. Das Gewandhaus, dessen Orchester seit mehr als 250 Jahren das Konzertleben der Stadt prägt, lassen wir rechts liegen, queren den Ring, biegen in die Goldschmidtstraße ein und erreichen das Wohnhaus Felix Mendelssohns, der nicht nur ein großer Bachverehrer war, an der Orgel der Thomaskirche Bach spielte, ihn einen Prachtkerl nannte, ihm ein Denkmal stiftete, sondern auch seine Matthäuspassion vor dem Vergessen rettete. In der Bel Etage hat der Komponist und zeitweilige Leiter des Gewandhausorchesters die letzten Jahre bis zu seinem Tod verbracht. Heute erzählt ein Museum von seinem Leben und Werk, beherbergt sein Klavier, den Schreibtisch, stellt Schreibfedern, Noten und Visitenkarten in liebevoll mit originalen Möbeln der Zeit ausgestatteten Kabinetten aus. Felix Mendelssohn-Bartholdy war nicht nur Komponist, sondern auch ein begeisterter Maler, und so zieren die Wände Aquarelle von seiner Schweiz- und Italienreise, so den Wasserfall von Schaffhausen. Schließlich verharren wir vor seinem Totenzimmer.

Erst kurz nach der Wende wurde das Haus auch auf Drängen des Gewandhaus-Dirigenten Kurt Masur vor dem Verfall gerettet und zu einen privat geführten Museum umgestaltet. Hier fühlen wir uns wie bei Mendelssohns eingeladen, so ist man aus der Gegenwart der heutigen Großstadt herausgerissen, zumal, als wir den Rosengarten hinter dem Haus betreten, um Rast auf dem Rundgang zu machen und der Frage nachzusinnen, warum Leipzig ein Mekka der Musik ist. Hier wäre frühzeitig eine bürgerliche Kultur entstanden, die sowohl das Gewandhausorchester als auch viele Chöre und Musikvereine hervorgebracht hätte. Zudem wäre  in den Familien die Hausmusik gepflegt worden, meint die Leiterin des Museums Christiane Schmidt zu unserer Frage. Und natürlich wäre es der Schatten Bachs gewesen, der nicht nur Mendelssohn und Schumann angezogen hätte.

Robert und Clara Schumann gleich um die Ecke

Fünfzehn Minuten Fußweg führen uns von Mendelssohn zu den Schumanns in die Inselstraße zu einem prachtvollen Bürgerhaus, das Robert und Clara Schumann ebenfalls in der Bel Etage bewohnt haben. Clara entstammte einer angesehen Bürgersfamilie der Stadt, der Vater Friedrich Wieck


Eheleute Schumann 1850
Daguerrotypie
handelte mit Instrumenten und war Klavierpädagoge, bildete seine Tochter zu einer Virtuosin aus und verbot ihr vergeblich, den Komponisten zu heiraten. Im Schumannhaus ist nun ein Tafelklavier Wiecks zu bewundern, auf dem die Tochter und der ungeliebte Schwiegersohn spielten und dieser seine Frühlingssinfonie schuf. Wir lesen in der Ehe-Urkunde und im Ehe-Tagebuch der Schumanns, finden das Programm eines Gewandhauskonzerts mit Clara als Pianistin, sind entzückt von einer Bleistiftzeichnung, die die zarte Frau in aller Anmut portraitiert, entnehmen einer Tafel, Franz Liszt und der in Leipzig geborene Richard Wagner waren wie nun wir hier zu Gast. Zugleich wundern wir uns, daß kein Museum in der Musikstadt seinem Leben und Werk gewidmet ist. Wagner ist ein eher ungeliebter Sohn Leipzigs, auch wenn das Opernhaus im November mit seiner Oper „Rienzi“ wiedereröffnet wird.

  Wir nehmen uns vor, am Abend einem Konzert im wunderschönen spätklassizistischen Saal des Schumannhaus zu lauschen. Konzerte gibt es in der Musikstadt nahezu täglich, ob nun bei Schumann, Mendelssohn, Bach, im Gewandhaus oder in einer der Kirchen, gelegentlich auch mit dem weltberühmten fast 800 Jahre alten Thomaner - Knabenchor. Wir machen noch einen Abstecher in die Instrumentensammlung im Grassihaus, denn der Besuch ist nicht nur für den Musikliebhaber ein besonderes Ereignis.

  Leipzig war immer schon nicht nur eine Stadt der Musiker, sondern auch der Instrumentenbauer, die wie wir lesen die „Sehnsucht nach dem vollkommenem Klang“ trieb, was heute noch die Pianofabrik Blüthner bezeugt. Wir bestaunen Instrumente aus alten Zeiten, wie den krummen Zink, das Krummhorn, die Oktavgeige, mit mythischen Szenen oder Ansichten des Canal Grande von Venedig vielfarbig bemalte Cembali, winzige Tanzmeistergeigen, die Pandurine. Drückt man einen Knopf, so kann ein jeder hören, wie diese heute unbekannten Instrumente klingen. In einem Klanglabor kann man ihnen gar selbst Töne entlocken, wozu erstaunlich sachkundige Aufseher Erklärungen geben.


Richard Wagner 1862 - Gemälde von
Cäsar Willich

 Da Leipzig Deutschlands Kaffeehauptstadt, in der Bach seine Kaffeekantate schuf, kehren wir nach soviel Musik im „Arabischen Coffebaum“ ein, spielen den „Kaffeesachsen“, genießen ein „Schälchen Heeßen“ und erfahren, hier trank schon Robert Schumann als Stammgast seinen Kaffee, schuf mit seinen Freunden gegen die Spießer der Stadt den „Davidsbund“, gründete nicht nur eine heute noch existierende Musikzeitschrift, sondern komponierte auch die „Davidsbündlertänze“, die er auch einen „Polterabend“ in Musik nannte.

Der Leipziger Tourist Service bietet ein Spezialarrangement „Bach. Leipzig und mehr“ an.

Informationen Tel. 0341/7104-275 oder www.lts-leipzig.de


© Jörg Aufenanger - Dieser Artikel erschien erstmals am 5.3.2008 in der Frankfurter Rundschau
Redaktion: Frank Becker