Autobahn, Die / Autofahrer

Aus dem Zettelkasten

von Erwin Grosche

Erwin Grosche - Foto © Frank Becker
Aus meinem Zettelkasten
 
Autobahn, Die: Die A 44, da juckeln alle rum, als könnten sie ankommen, wann sie wollen. Fahren da die Chefs in Urlaub? Wo leben die eigentlich? Die A 1, dreispurig, rechts die LKW, in der Mitte die Trödler und links dann die Wichtigen, die es eilig haben. Das ist die Theorie. In der Praxis gibt es eine neue Generation von Autofahrern, verdammt gut ausgebildet, ja überqualifiziert, die blinken gar nicht mehr, wenn sie die Spur wechseln. Die fahren freihändig, manche haben sogar die Augen geschlossen. Da hatte die Fahrschule Bergkemper aus Holzwickede ihre Hand mit im Spiel. Bergkemper, der hat schon ausgebildet, da gab es noch keine Autos. Da fuhr man noch mit dem Pferdewagen Rennen im Circus und hatte kurze Hosen an. Die neuen Raser, die steuern die Ausfahrt Schwelm an, müssen aber erst in Ronsdorf raus. Das ist Autoscooter in Echt. Die müssen nirgendwohin und dort erwartet sie keiner. Die sind nur auf der A1 um den Zeitgeist zu spüren. Hier will man Dampf ablassen. „Achtung, Achtung: Auf der A1 kommt ihnen ein Falschfahrer entgegen.“ „Das bin ja ich.“ „Einmal ein Star sein und keiner kann mich aufhalten.“ Die würden am liebsten einen AUDI Q3 fahren, können sich aber nur einen FIAT leisten. Das tut weh. Das kriegt der Motor zu spüren. Die essen während der Fahrt. Die essen Suppe. Die fangen in Remscheid an und sind in Wermelskirchen satt. Da gibt es Leute, die fahren wie die Irren über die B 68, um dann eine Stunde im Warteraum eines Arztes warten müssen, der bei ihnen Bluthochdruck feststellt. Ich kenne andere, die rasen wie bescheuert durch die Straßen, um dann auf dem Parkplatz eine Viertelstunde bis zum Parkscheinautomat rennen zu müssen, damit sie in der VHS ihren Vortrag über die Entschleunigung halten können. Ich kenne welche, die fahren so langsam, daß selbst Fahrradfahrer sie überholen können. Zum Glück gibt es die Paderborner, denen kann man nicht nur während der Fahrt zuwinken, die winken sogar zurück. Paderborner kommen einem immer nur entgegen, weil sie nach Paderborn wollen. Heimweh ist ihr zweiter Vorname. Manchmal stelle ich mich kurz in diesen Stau am Westhofener Kreuz, wo sich alles schiebt, um auf die A 45 zu kommen, sammele dort meine Kräfte, reihe mich ein in den bundesdeutschen Schmerz und passe mich an. Bei manchen Autoschlangen frage ich mich nur, warum man diese Schlange gerade von einem LKW anführen läßt..., dann darf sich doch niemand über dieses Schneckentempo beklagen. Ich weiß noch, wie ich mal eine Frau mit dem Auto nach Hause brachte und sie mich kurz vor der Ankunft fragte, ob ich noch auf einen Kaffee mit nach oben wollte und mein Navi dann sagte: Sie haben ihr Ziel erreicht. da wußte ich, daß ich ein Verkehrsteilnehmer war und Stillstand noch haben kann, wenn ich tot bin.
 
Autofahrer: Viele machen den Fehler und schließen von der Fahrweise eines Autofahrers auf seine charakterlichen Eigenschaften als Mensch. Ein schlechter Autofahrer kann trotzdem ein guter Gehirnchirurg sein. Eine Frau, die nicht gut einparken kann, kann trotzdem zu Haue den Haushalt im Griff haben und eine gute Mutter sein. Ein Autofahrer, der nicht blinkt, kann trotzdem als Bademeister seine Badeanstalt im Griff haben. Ein Jugendlicher, der rücksichtslos durch die Innenstadt rast, kann trotzdem an den Geburtstag seiner Oma denken und ihr einen Rollstuhl schenken.


© Erwin Grosche
 

Das
„Weltlexikon“, das sich aus Erwin Grosches Zettelkasten speist, wird im Oktober im Bonifatius Verlag erscheinen.