Ein abgeschlossenes Kapitel

Eberhard Kittler / Michael Dünnebier - „Deutsche Autos - Personenwagen und Nutzfahrzeuge in der DDR“

von Frank Becker

Titel: Wartburg 312/0 - 1965
DDR-Automobilgeschichte
von EMW bis Melkus
 
Ein abgeschlossenes Kapitel
 
Für den „Wessi“, der sich bislang kaum mit der Automobilgeschichte der DDR beschäftigt hat, ist dieser opulent bebilderte großformatig Band über den automobilen Osten Deutschlands eine Überraschung: Es gab weit mehr als den Trabant, der gerade eben seinen 70. Geburtstag gefeiert hat und nach dem Ende der DDR noch immer zogtausendfach unermüdlich über deutsche Straßen rollt, den Wartburg und den Barkas. Wer glaubt, daß in der DDR nur diese drei (und die Schwalbe) knatternd ihre blauen Zweitakt-Abgase in die Luft des Arbeiter- und Bauernstaates pusteten, täuscht sich. Nun war natürlich  das Straßenbild der DDR beileibe nicht so vielfältig und schick wie das des Bruders im Westen, aber ein paar mehr gab es schon.
Michael Dünnebier und Eberhard Kittler haben zu diesem Thema ein Buch zusammengestellt, das sich mit seiner erstaunlichen Auswahl an Fotos aus der DDR-Automobilgeschichte sehen lassen kann. Gut, die Zahl der Automobilwerke und die Auswahl an Baureihen ist überschaubar, doch im Vergleich mit den realpolitischen Verhältnissen der völlig chaotischen Planwirtschaft, der Materialknappheit und des chronisch fehlenden Kapitals der DDR haben die Autobauer einiges auf die Beine gestellt.
 
Im Personenwagenbereich gab es nach 1945 zunächst die an ihren alten Standorten weitergebauten Hinterlassenschaften des Deutschen Reichs mit Horch, EMW/BMW und IFA (mit Modellen der Reihen F8, F9 und P70 in unterschiedlichster Ausführung bis zum flotten Cabriolet) und mit

  IFA F9/1 1951 - Foto: Archiv Musenblätter
Awtowelo. Später beherrschten die Eigenproduktionen von Sachsenring – da gab es sogar Luxuskarossen, die allerdings der Staatsführung vorbehalten blieben, ab 1957 kam der Wartburg als Mittelklasse-Modell mit den unterschiedlichsten Anleihen bei Mercedes, Renault und Karmann-Ghia, dazu ab 1958 der Trabant, die „Rennpappe“. Der war übrigens aufgrund seiner Wendigkeit und seiner vielseitigen Einsetzbarkeit auch als offener Geländewagen bei der NVA sehr beliebt. In geringer Stückzahl wurden auf der Basis des vorhandenen Materials auch tatsächlich Rennwagen gebaut und schnittige Karosserien, z.B. von Heinz Melkus (RS 1000) auf das Wartburg-Chassis aufgebaut.
Pkw aus den sozialistischen Bruderländern wie Tatra, Skoda, Warszawa, Dacia, Lada, VAZ, Moskwitsch und Polski Fiat kamen als begehrte Exoten dazu, wobei die großen Modelle von GAZ, ZIL auch wieder der Staatsführung vorbehalten waren.
Lastwagen – alle natürlich mit militärtauglichem Chassis und Fahrwerk – wurden von Horch, Sachsenring, IFA, Robur und Framo gebaut, Kleintransporter von Barkas, IFA, Framo u.a., auch auf diesem Sektor ergänzten russische, polnische, rumänische, bulgarische, tschechische und ungarische Konstruktionen die für den Bedarf nicht ausreichenden eigenen Produktionen.
 
Michael Dünnebier und Eberhard Kittler beschreiben alle bekannten Fahrzeuge und Modellreihen von Pkw und Lkw der DDR und Importserien samt ihrer Entwicklung, mit detaillierten technischen Tabellen, Texten und fast 600 Abbildungen, davon die meisten in Farbe. Ein hochinteressanter Rückblick auf ein abgeschlossenes Kapitel deutscher Automobilgeschichte.


Trabant P 50/2 - 1962

Eberhard Kittler / Michael Dünnebier - Deutsche Autos - Personenwagen und Nutzfahrzeuge in der DDR
© 2017 Motorbiuch Verlag, 304 Seiten, gebunden, 23 x 26,5 cm, 120 s/w-Bilder & 436 Farbbilder  -  ISBN: 978-3-613-04000-7
29,90 €
 
Weitere Informationen:  www.paul-pietsch-verlage.de