Keiner traut keinem - und alle lügen

„The Secret Man“ von Peter Landesman

von Renate Wagner

The Secret Man
Mark Felt: The Man Who Brought Down the White House
(USA 2017)

Regie: Peter Landesman
Mit: Liam Neeson, Diane Lane, Bruce Greenwood, Maika Monroe, Marton Csokas u.a.
 
Damals, als Bob Woodward und Carl Bernstein (unvergeßlich im Kino durch Robert Redford und Dustin Hoffman) von der „Washington Post“ den Watergate-Skandal aufdeckten, kannte man weder den Namen des Informanten, dessen Deckname „Deep Throat“ lautete, noch den Begriff „Whistleblower“. Mittlerweile weiß man, daß ohne diese wackeren Leute, die von den Regierungen und Mächtigen gehaßt und verfolgt werden, noch viel mehr Schmutz unter dem Teppich bliebe, als es vermutlich ohnedies der Fall ist.
Der Tipp über die Watergate-Schmutzerei der Nixon-Administration kam aus dem FBI direkt, und zwar von oberster Stelle: Mark Felt (1913-2008) war als FBI-Vizechef eine der höchsten Führungspersönlichkeiten, zumal nach dem Tod von Edgar Hoover (1972). Wie es dazu kam, daß er zum „Verräter“ wurde, versucht nun dieser Film des amerikanischen Regisseurs Peter Landesman zu klären, der als Spezialist für „kritische Themen“ gilt.
 
So ganz gelingt es ihm nicht – weder die Motivation von Felt (war er vielleicht doch verletzt, daß er nach Hoover nicht FBI-Direktor wurde?) noch die Ereignisse an sich, weder rund um Watergate (wo Nixon-Mitarbeiter vor seiner Wiederwahl 1972 in den Räumen der rivalisierenden Demokratischen Partei einbrachen, um dort Wanzen anzubringen), noch was im FBI selbst geschah. Durch diese Fülle von Personen und Intrigen ist kein Durchblick zu gewinnen. Aber ist es nicht bekanntlich so, daß selbst die Insider sich nicht auskennen, was dort vorgeht? Und das nicht nur, weil die Geheimnistuerei ja geradezu notorisch ist und jeder jedem alles unter dem Vorwand „It is classified“ verschweigt…
Jedenfalls geht es darum, die Geschichte eines „ehrenwerten Mannes“ zu erzählen, mit vielen privaten Einsprengseln – eine unruhige Ehefrau (Diane Lane) und eine verschwundene Tochter (Maika Monroe) bekommen relativ etwas Raum, damit die Sache nicht nur in den Büros spielt. Hauptsächlich aber geht es darum, daß der viel geschmähte Hoover das FBI stets unabhängig vom Weißen Haus geführt hatte, für das er persönlich (mit seinen Akten über einfach jedermann) stets eine Bedrohung darstellte. Diese Unabhängigkeit des FBI, das politisch nicht weisungsgebunden war, gehörte auch zum Credo von Mark Felt, der nach Hoovers Tod erkennen mußte, daß hier nur gefällige Führungskräfte eingesetzt wurden, die gewissermaßen dem Präsidenten berichteten. Der neue FBI-Direktor Patrick Gray (Marton Csokas) versuchte alles, was über Watergate auf den Schreibtischen landete, möglichst schnell unter diese Tische zu kehren.
Wie das nun genau war mit Watergate – das wissen vielleicht nur Insider. Hier spielt Liam Neeson (so abgemagert und gespenstergleich, daß man ihn gleich in den Sarg legen könnte) den aufrechten Mann, der die Schmutzereien von Präsident Nixon und seiner Mitarbeiter nicht decken wollte und sich darum mit Bob Woodward in schmutzigen Coffee Shops traf, um ihm die Tips zu geben, die der für seine Aufdeckungsstory brauchte (die Monate später dann tatsächlich zum Sturz Nixons führte).
 
Es ist eine fast trockene Polit-Story, die an die Filme von Oliver Stone erinnert. Der Zweck? Vielleicht wieder einmal zeigen, daß man durch das Geflecht von Politik nie durchsieht? Daß keiner keinem traut (und auch nicht trauen darf?). Oder einfach einen ehrenwerten Mann posthum ehren, der ja nun doch Nixons Absetzung in die Wege geleitet und damit zweifellos den Gang der Geschichte verändert hat.
Süffiges Unterhaltungskino ist das nicht. Man kann eine Menge mitdenken und sich Grundsätzliches überlegen. Das ist ja nun auch etwas wert. Allerdings ist Politik im Kino auch schon spannender gemacht worden. Aber dann hätte man wiederum simpler verfahren müssen.
 
 
Renate Wagner