Der fliegende Holländer wird zum Kinohelden

Gefeierte Inszenierung von Kay Metzger im Teo Otto Theater

von Daniel Diekhans

links: Inga-Britt Andersson - Foto © Kerstin Schomburg

Der fliegende Holländer wird zum Kinohelden
 
Detmolder Intendant Kay Metzger deutet die Oper als Kopfgeburt eines Mädchens.
 
„Der fliegende Holländer“. Romantische Oper in drei Akten. Dichtung und Musik von Richard Wagner.
 
Musikalische Leitung des Gastspiels: Peter Kuhn - Inszenierung: Kay Metzger - Bühne und Kostüme: Petra Mollérus - Dramaturgie:    Elisabeth Wirtz
Besetzung:
Daland, ein norwegischer Seefahrer (Christoph Stephinger) – Senta, seine Tochter (Inga-Britt Andersson) – Erik, ein Jäger (Ewandro Stenzowski) – Mary, Sentas Amme (Lotte Kortenhaus) – Dalands Steuermann (Stephan Chambers) – Der Holländer (Derrick Ballard)
Opernchor, Extrachor und Statisterie des Landestheaters Detmold (Einstudierung: Marbod Kaiser); Bergische Symphoniker
 
Das Landestheater Detmold gastierte in Remscheid mit früher Wagner-Oper
 
Schiffsattrappen, künstliches Meer, Sandstrand? Nichts davon sah das Remscheider Publikum beim diesem Gastspiel des „Fliegenden Holländer“. Kay Metzger, der auf der Bühne des Landestheaters Detmold schon den kompletten „Ring“ gestemmt hat, deutet Wagners frühe romantische Oper als Psycho-Drama. In seinem Fokus steht nicht der zum ewigen Herumsegeln verdammte Seefahrer, sondern Senta. Ihr spukt die Holländer-Sage im Kopf herum. In seiner Lesart ist die Ursache für diesen „Wahn“, von dem Senta selbst spricht, die moderne Traumfabrik Film.
Deshalb versetzt Bühnenbildnerin Petra Mollérus die Handlung weg von Küste und Meer in ein Kino mit Bar-Tresen, plüschigen Möbeln und Tapeten. Ein Fünfziger-Jahre-Setting, das sehr gut ins stilreine Teo Otto Theater paßt – und zu Metzgers Senta sowieso. Während Peter Kuhn und die Bergischen Symphoniker die Ouvertüre spielten und den Meeressturm mit scharf gezeichneten Klangwogen heraufbeschworen, hatte Inga-Britt Andersson als Senta den ersten Auftritt. Die deutsch-schwedische Sängerin sprang beim Gastspiel für die Stammbesetzung Susanne Serfling ein. In mehrfacher Wiederholung sieht man Andersson einsam an der Bar sitzen und dann die Treppe zum Kinosaal hinaufgehen. Jedes Mal schmachtet sie den Holländer an, der auf einem Kinoplakat mit dem vielsagenden Titel „Fluch der Meere“ prangt.


Derrick Ballard - Foto © Kerstin Schomburg

Wie es sich für einen Filmhelden gehört, ist der Auftritt von Holländer-Sänger Derrick Ballard spektakulär. Sentas Vater Daland – ein abgehalfterter Kapitän mit Schnapsflasche im Arm – ist der einzige Gast an der Kino-Bar, als plötzlich der Raum im Dunkeln liegt. Das Licht flackert wieder auf – und Ballard liegt samt Seesack in der Bühnenmitte. Leer ist das Kinoplakat und sobald Ballard steht, singt er so mächtig, wie seine Statur und seine Löwenmähne aussehen. Das Meer, das die Musiker im Orchestergraben lebendig machen, scheint auf seinem Gesicht zu toben. Mit Hut, Ledermantel und Revolver im Holster hat dieser Holländer mehr von einem Western- als einem Seehelden. Ohne zu zögern, richtet der Verzweifelte die Waffe erst gegen Dalands Steuermann (bei Metzger ein harmlos-freundlicher Barmann), dann gegen sich selbst. Doch als Daland seine heiratsfähige Tochter erwähnt, glätten sich die Wogen. Allerdings nur kurz, denn das Psycho-Drama zweier Außenseiter – dem erlösungssüchtigen Holländer und der erlösungswilligen Senta – nimmt jetzt erst richtig Fahrt auf.
 
Daß sich die Spannung bis zum Schluß hält, liegt ganz klar am Team Andersson und Ballard. Hervorragend mimen sie das Liebespaar, das zwischen den Extremen Anziehung und Feindseligkeit oszilliert. Auch ihre Stimmen passen zueinander. Da trifft Anderssons in Höhen wie Tiefen weicher Sopran auf Ballards fein nuancierenden Baßbariton. Starke Stimmen hört man auch im übrigen Ensemble. Wenn Mezzosopranistin Lotte Kortenhaus als Mary auf der Bühne steht, klingt ihre Stimme im Vergleich mit Andersson manchmal sogar präsenter. In der Rolle des Daland ist Christoph Stephinger das komische Gegengewicht zum bitterernst agierenden Ballard und sein wandlungsfähiger Baß lockert die Stimmung weiter auf.


Derrick Ballard, Inga-Britt Andersson - Foto © Kerstin Schomburg

Nicht zuletzt sind die Tenöre eine sichere Bank. Glänzend bringt Ewandro Stenzowski die Verzweiflung des verschmähten Liebhabers Erik auf den Punkt. Den lyrischen Part füllt Steuermann Stephen Chambers gut aus. Lebendig und ausgewogen singt auch der Chor. Nach zweieinhalb Stunden Gastspiel überschütteten die Zuschauer die Sänger mit Bravorufen – und Peter Kuhn bekam donnernden Applaus, als er zusammen mit dem Ensemble des Landestheaters auf die Bühne kam.
 
Am Mittwoch, 27. September gastiert das Landestheater Detmold mit dem „Fliegenden Holländer“ im Theater und Konzerthaus Solingen.
 
Weitere Informationen unter: www.theater-solingen.de  
 
Daniel Diekhans