Einer der letzten weißen Flecke

Douglas Preston – „Die Stadt des Affengottes“

von Frank Becker

Parasiten, Lanzenottern, Brüllaffen –
und die Reste einer versunkenen Kultur
 
Ein Bericht über eine archäologische Sensation, eine unbekannte Zivilisation, und eine gefährliche Tropenkrankheit, welche die Expedition wie ein mysteriöser Fluch verfolgte.
 
Der Schriftsteller und Journalist Douglas Preston schloß sich 2015 einer archäologischen Expedition nach Honduras an, die im undurchdringlichen Regenwald der honduranischen Bergregion nach einer durch neueste GPS- und Lidar-Technik auf Luftaufnahmen entdeckten, völlig vom Urwald überwucherten Stadt suchen sollte. Das Ziel war, die sagenumwobene „Stadt des Affengottes“ zu finden, die zu einer bislang unbekannten mesoamerikanischen Kultur gehört haben könnte. Bis heute weiß niemand, wer diese Menschen waren, woher sie kamen und wann, warum und wohin sie verschwanden. Was sich zunächst wie ein spannender Expeditions- und Abenteuer-Bericht anläßt, wird bald zu einer ernsthaften Mahnung, nicht jedes Geheimnis um jeden Preis lüften zu müssen.
 
Schon seit dem 16. Jahrhundert gab es Gerüchte über Reste prähispanischer Städte von riesenhafter Ausdehnung im gebirgigen Regenwald von Honduras, der Mosquitia, die einer reichen und prachtvollen, aus unbekannten Gründen verschollenen Kultur zugeschrieben wurden, ganz besonders die „Weiße Stadt“, die besagte „Stadt des Affengottes“. Immer wieder machten sich Abenteurer und Archäologen auf die Suche nach den Zeugnissen dieser Zivilisation, die offenbar nicht zu den Mayas gehörte. Manchmal stießen sie tatsächlich auf Ruinen, aber eine wirkliche Erforschung war in dem von giftigen Schlangen und tödlichen Krankheitserregern verseuchten und vom Dschungel überwucherten Gelände unmöglich. Manch einer verschwand für immer im Dschungel.Aber auch Betrüger und Scharlatane, wie in den 1940er Jahren der Glücksritter und Goldsucher Theodore Morde machten sich auf den Weg. Lange galt sein komplett gefälschter Bericht, wie Douglas Preston bei seinen Vor-Recherchen herausfand, als ernst zu nehmender Hinweis auf die Existenz der Stadt des Affengottes.
Erst die moderne Lasertechnik Lidar, mit deren Hilfe das Gelände aus der Luft gescannt wird, ermöglichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts ziemlich konkrete Bestimmungen, wo sich solche größeren, vom Dschungel überwachsenen Ansiedlungen befinden. Um sie allerdings tatsächlich zu finden, zu erkunden, zu vermessen und zu untersuchen, mußte sich die Expedition auf entscheidenden Wegstrecken beim ersten Versuch 2015 trotz Hubschrauber-Unterstützung zu Fuß auf den beschwerlichen Weg durch den ganz offensichtlich seit 500 Jahren von keinem Menschen betretenen undurchdringlichen Urwald machen. Tatsächlich fanden die Forscher an einem der letzten weißen Flecke der Landkarten die eindrucksvollen Ruinen sogar zweier untergegangener Städte von enormen Ausmaßen - aber sie zahlten am Ende auch einen hohen Preis dafür.
 
Douglas Preston erzählt ungemein farbig von dieser Entdeckungsreise in eine unbekannte Welt voller Natur- und Geschichtsgeheimnisse, schildert plastisch die Gefahren durch Schlangen, Insekten, Parasiten und Raubtiere, beschreibt das Konzert des Dschungels, dessen Fauna und Flora und die Strapazen in feuchter Hitze und endlosem Regen, der den Boden aufweichte und Bäche zu reißenden Flüssen anschwellen ließ. Die atemberaubenden Entdeckungen von Artefakten, die Jahrhunderte unberührt dort gelegen hatten, schienen den strapaziösen Einsatz gelohnt zu haben. Doch dann holte der „Fluch des Affengottes“ die meisten Teilnehmer der Expedition, auch Douglas Preston ein: Leishmaniose, die zweitgefährlichste Tropenkrankheit, noch nicht gänzlich erforscht und in einigen ihrer Varianten nur sehr schwer heilbar.
Wie Preston aus persönlicher Betroffenheit diese Krankheit - die in der Zeit der Maya und Inka für grauenhafte tödliche Epidemien gesorgt hat -, ihre Ursachen, Entstehung, Behandlung und die möglichen Folgen bis ins Kleinste beschreibt, zeigt dem Leser das Grauen und die Hinterhältigkeit dieser Seuche, die sich im 21. Jahrhundert durch die Mobilität und die Erreichbarkeit eines jeden Ortes auf der Erde („Ein heißes Virus aus dem Regenwald ist heute nur 24 Flugstunden von jeder Stadt der Welt entfernt,“) bereits in Nordamerika auszubreiten beginnt.
Und Preston, der aus völlig unverständlicher Motivation nach seiner Genesung 2016 noch einmal in den nämlichen honduranischen Regenwald gereist ist, hebt zum Schluß warnend die Hand: „Der Klimawandel hat den Weg nach Norden nicht nur für Leishmaniose, sondern für eine ganze Menge anderer Krankheiten frei gemacht. Zu den bekanntesten, die jetzt in die Erste Welt vorstoßen, gehören Zika, das West-Nil-Virus, Chikungunya und Dengue. Selbst Krankheiten wie Cholera, Ebola, Babesiose und die Pest könnten mehr Menschen treffen, wenn sich die Erderwärmung weiter beschleunigt.“
 
Douglas Preston – „Die Stadt des Affengottes“
© 2017 DVA, 368 Seiten, gebunden, Schutzumschlag, wenige Fotografien - ISBN: 978-3-421-04757-1
20,00 € [D]
20,60 € [A] /,90 sFr 26

Weitere Informationen:  www.dva.de