Besser schön schräg als schön

Folkwang-Schüler zum hundertsten Geburtstag des Dadaismus

von Martin Hagemeyer

DADA-Ensemble - Foto: Wuppertaler Bühnen

Besser schön schräg als schön
Folkwang-Schüler bringen eine erfrischende
Dada-Hommage in den Engelsgarten
 
„Ach, knallige Welt!“ DADA trifft GAGA.
Zum hundertsten Geburtstag des Dadaismus.
 
Regie: Claudia Hartmann - Musikalische Leitung: Matthias Flake - Dramaturgie: Gerold Theobalt - Technik: Ralf Rodloff, Tim Lenzing
Mit: Leo Meier, Franziska Roth, Anne Weise, Yannik Heckmann, Slavko Popadic, Clara Kroneck, Rudolf Klein, Anne Stein
 
Einen Abend rund um Dada – das war beim Gastspiel der Folkwang-Schule „Ach, knallige Welt!“ im Theater am Engelsgarten zu erleben. Viel konkreter auf einen Nenner mochte man das Gezeigte nicht bringen, aber dem Vergnügen tat das keinen Abbruch. Ebensowenig wie den Entdeckungen, für die das Programm des dritten Schauspieljahrgangs die reinste Fundgrube war.
 
Erste Entdeckung der ersten Hälfte: Spannende Dada-Texte, entweder von Protagonisten wie Hans Arp („Die Schwalbenhode“) oder aber von späteren Brüdern im Geiste. Die Studierenden brachten das in der Regie von Dozentin Claudia Hartmann stark und lebendig dar und bewiesen nebenbei auch die Bühnentauglichkeit dieser Werke. Kennen und lieben lernen mochte man da etwa Helge Schneiders „Schachtelhalm“, mit dem Franziska Roth (sehr ernsthaft und daher sehr komisch) die Entwicklung des Lebens ab der Frühzeit erklärte, als es bekanntlich noch „keinen Salat, keinen Spinat“ gab. Nach dem Einstieg mit, jawohl, Ovids Metamorphosen hatte es Ernst Jandl gegeben, genauer eine szenische Variante zu seinem berühmten „schtzngrmm“. Der paßte natürlich auch deshalb hinein, weil die Dada-Bewegung unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs aufkam, und präsentiert wurde der bittere Wort-Kampf heute im Chor – ein wenig wie ein Heer, jenes andere Kollektiv, in das eben Soldaten gezwungen werden. Beiträge wie dieser wirkten letztlich wie kleine Klassiker-Inszenierungen, denn Klassiker ist so mancher Dada-Text ja doch längst.
 
Eine ganz andere Fundgrube gab es nach der Pause. Hier spielten die Schauspielschüler Texte, die sie selbst geschrieben hatten. War Teil eins zwar aus verschiedenen Zeiten zusammengeklaubt, dies aber mit viel Bedacht, gab es nun mehr Potpourri. Freilich wieder mit Entdeckungen, zum Beispiel „Windige Wattwanderung“ von und mit der auch vorher famosen Clara Kroneck. Yannik Heckmann, zuvor mit einer charmanten Gentleman-Version von „Anna Blume“, stellte nun seine „Schlechten Neuigkeiten“ vor; „dadaesk“ allerdings waren diese vielleicht nur sehr allgemein im Sinne von „frech“, lautete doch die Hiobsbotschaft: „Der Nikolaus hat Krebs.“ Schön und fast beruhigend bei alledem: Auf plumpe Nachmache verzichteten die Autor-Spieler durchweg. Mit müden Abwandlungen etwa von „ottos mops“ anderswo tun Epigonen der Anarchie subversiver Sprachspiele ja manchmal gar keinen Gefallen.
 
Und so möchte man die „Knallige Welt“ sogar dafür loben, daß der rote Faden nicht immer so klar leuchtete. Was sich besonders bei den Lieblingsliedern aus Klassik bis Charts sagen ließe, von denen jeder eines ausgewählt hatte und zur Begleitung von Matthias Flake am Klavier vortrug: manchmal schön schräg, manchmal aber eher fast zu schön. Gut vielleicht, wenn dafür dann manches nicht zu gut paßte: Viel besser als eine rebellische Ära brav zu reproduzieren, ist wohl tatsächlich etwas Mut zum Stückwerk. Ausgerechnet einem Dada-Abend Unordnung zum Vorwurf zu machen, wäre nun wirklich ziemlicher Quatsch.