Gedärm-Kaskaden bei Kresniks Abschied aus Bonn

Unappetitliches vom Theaterberserker beim 2. Teil des "Ring"

von Andreas Rehnolt
Kresnik-Abschied in Bonn 
mit düster-blutigem 2. Teil des "Ring"


Während der knapp 90-minütigen Inszenierung bersten Flügel 
und fliegen Gedärm-Kaskaden über die Bühne des Opernhauses

Bonn - "Der Ring des Nibelungen - zweiter Teil", mit dem sich Theaterberserker Johann Kresnik am 9. Februar von Publikum und Opernhaus in Bonn verabschiedete, ist harte Tanztheater-Kost, selbst für eingefleischte Fans des für seine lauten und oft düsteren Inszenierungen berühmt-berüchtigten Choreographen. Nach "Rheingold und Walküre" im Dezember 2006 nun also Kresniks Abschieds- Nummer "Siegfried/Götterdämmerung". Sein letzter Streich in Bonn, da die Kultur-Verantwortlichen der Stadt nicht nur seinen Vertrag nicht mehr verlängert, sondern zugleich die ganze Tanzsparte am ehrwürdigen Schauspiel Bonn abgeschafft haben.

Mime kotzt, Blut schwappt, Kresnik zeigt Amok

Ganz zum Anfang des Spektakels übergibt sich Siegfrieds Ziehvater Mime, es dampft schier unablässig im Bühnenhintergrund, in dem Schwerter gehämmert und gehärtet werden. Der wütende Wotan wird im Rollstuhl über die Bretter gekarrt und im Hintergrund läuft für Minuten der brillante Disney-Film "The Führers Face" mit Donald in Nazi-Uniform. Mittendrin Richard Wagner mit brauner Kappe nebst monströser Cosima. Siegfried trägt schwarzes Leder, schwarze Haare und ist mit weiß geschminktem Antlitz von Beginn an Tod geweiht. Sein flacher Bauch dient Kresnik als Projektionsfläche für Dias von Osama Bin Laden, George W. Bush, Wladimir Putin. Aber auch islamistische Selbstmordattentäter, schießwütige Amokläufer an Schulen und Diktatoren werden auf den Körper des Antihelden gebannt.
Ab und an werden Schwerter gezogen, ein riesiges, weißes Bettgestell bricht donnernd in sich zusammen, zwei Flügel gehen mitsamt den blondierten Rheintöchtern im Operngraben "baden" und immer wieder ist da der Ring, der für alle, die mit ihm in Berührung kommen, zur tödlichen Falle wird. Golden und riesig liegt der Traktor-Reifen da, ganz oben schwebt ein uralter Kühlschrank, der wenige Sekunden vor der Schluss-Szene Dutzende mit Theaterblut gefüllte Coca-Cola-Flaschen auf die Bühne spuckt. Da paart sich die Brühe mit jeder Menge rohem Tiergedärm, Fleischresten und Schlamm, die für die Grausamkeiten stehen sollen, die mit Wagnermusik von Nazis ausgeführt wurden.

Applaus für ein brillantes Ensemble und Helnweins Bühnenbild

Der stolze und grimme Hagen von Tronje ist in Kresniks Version des "Ring" ein Schwarzer, der sich gleich einem Vampir auf Siegfried stürzt und ihn nicht mit dem Speer, sondern mit bloßen Zähnen zerfleischt und ihm das Blut aussaugt. Was dann folgt ist dunkelste Götterdämmerung. Ein güldener US-Straßenkreuzer knallt brutal auf Schrottautos. Alte Reifen, Autowracks und Abfallberge und jede Menge Leichen stehen für den Untergang der Welt samt Menschen und Göttergestalten.
Das Premierenpublikum sparte nicht mit Beifall für diese letzte Kresnik-Premiere im Bonner Opernhaus und für Tänzerinnen und Tänzer, die einmal mehr bis an die Grenze ihrer physischen Leistungsfähigkeit gehen. Der 68 Jahre alte Regisseur und war's zufrieden. Kein Buhruf drang aus dem Publikum. Nur seine Fans schienen gekommen zu sein, um ihn zu verabschieden. Der Applaus galt auch dem Bühnenbild, das Österreichs Schockmaler und Kresnik-Begleiter Gottfried Helnwein einmal mehr mit reichlich spritzendem Theaterblut, Flammen, Dampf und viel Getöse in Szene setzte. Am Rande der Premierenfeier verlautbarte, Kresnik sei als freier Regisseur an zahlreichen Häusern mindestens bis zum Jahr 2012 ausgebucht.

Ende einer Ära

In Bonn wird es künftig nur noch Gastauftritte von Tanz-Kompanien geben. Dabei wird es sicherlich anders sein, als in der Kresnik-Ära, vermutlich vor allem leiser, gedämpfter, unpolitischer. Schade eigentlich.

Nächste Vorstellung: 27. März
www.theater-bonn.de