Blondgelockter Mogli

„Das Dschungelbuch“ am Schillertheater NRW Wuppertal

von Frank Becker

v.l.: Patricia Hermes, Tessa Mittelstaedt - Foto © Jürgen Diemer

Blondgelockter Mogli
 
„Das Dschungelbuch“ am Schillertheater NRW Wuppertal
 
Mit dem „Dschungelbuch“, frei nach Rudyard Kipling, sah sich Holk Freytag auf der sicheren Seite, als er das letzte Familienstück seiner ablaufenden Intendanz in Wuppertal auf den Weg zu bringen hatte. Lag das nun am Stoff, mit dem er die 12jährige Tradition begonnen hatte, daran, daß er wieder Gerold Theobalt als Dramaturgen zur Seite hatte oder daß wie seinerzeit Janusz Kica inszenierte? Das alles, viele schöne Melodien von Otto Beatus und ein bis in die kleinste Rolle bestens besetztes Ensemble waren die Garanten für den Erfolg, mit dem Freytag das Wuppertaler Publikum zum Lachen brachte.
 
Ein Stadtjunge schläft über der Lektüre eines Bilderbuches ein und träumt sich in einen Urwald – das hat schon einen Hauch von „Alice“. Die Geschichte des Menschenkindes Mogli, das im Dschungel von Wölfen aufgezogen wird, durch Verrat der Affen um ein Haar in die Gewalt des bösen Tigers Shir Khan gerät und schließlich mit Hilfe seiner Freunde aus dem Tierreich den Tiger besiegt, ist durch Disneys Trickfilm (1976) unsterblich geworden. Die dramatischen englischen Verfilmungen des Bestsellers aus dem Jahr 1894/95 (1936 und 1941 mit Sabu) sind hingegen weitgehend vergessen. So zog denn das Familienstück seine Spannung und seinen Humor aus der Karikatur des Zeichentricks, wobei alle Beteiligten aus dem Schatz ihres Komödiantentums schöpfen konnten: Kathrin Höhne als geschmeidig-strenge Pantherdame Bagheera und Thomas Schrimm als der tapsige Bär Baloo mit riesigem Herzen, Renate Regel als Affenkönigin und Patricia Hermes als Wolfsmutter, Hans Richter mal als wilder Affe, dann als abgeklärter alter Wolf.
This Maag zeigte im zerstreuten Vater Wolf schon beste Form, dann aber als etwas abgehalfterte Schlangen-Diva Kaa („Wir sind das Kaa und Kaa Hypnotisier-Regimen!) eine „Transe“ im Glitzerkleíd mit Biß und Handtäschchen. Auch Jörg Reímers brillierte doppelt: Der Affenköníg Lui und der dämliche Tiger-Kraftprotz Shír Khan waren ihm auf den Leib geschrieben.
Tessa Míttelstaedt tobte und tollte als erster blondgelockter Moglí sprühend und voller Temperament über die Bühne. Den „Geier“ aber schoß Siegfried W. Maschek ab, der erst einen kriechenden, „feinfühligen“ und intriganten Schakal gab und dann mit dem kuriosen Geier Chil noch eins drauf setzt. Vorhänge ohne Zahl, stehender Applaus, Publikurn und Ensemble glücklich: Was will man mehr?
 
18.11.2000