Das Paradies der Erde...

Reiter-Romantik in Ungarns Puszta

von Frank Becker

Romantik der Puszta - Foto © Frank Becker

Das Paradies der Erde...

Budapest/Puszta. Wer Budapest besucht und das geschäftige Treiben der brodelnden ungarischen Metropole mit ihren vielen Attraktionen und Sehenswürdigkeiten erlebt hat, sollte nicht versäumen, auch einen Hauch der Romantik mit nach Hause zu nehmen, der in dem Wort „Puszta“ mitschwingt. In Deutschland hat sich diese urwüchsige Steppenlandschaft östlich und südlich der Hauptstadt besonders durch Kurt Hoffmanns Verfilmung des Romans von Hugo Hartung „Ich denke oft an Piroschka“ einen Namen gemacht. Durch die zauberhafte Liselotte Pulver, den unbeholfen charmanten Gunnar Möller und Gustav Knuth als fröhlich-deftigen Bahnhofsvorsteher hat die Romantik der Puszta unauslöschlich Eingang in die Herzen ungezählter Kinobesucher und Filmfreunde gefunden. Die 1955 auf Celluloid gebannte Welt des Fleckens um die Bahnstation Hódmezövásárhelykutasipuszta prägt hierzulande noch heute das Bild in der kollektiven Vorstellung vom ländlichen Ungarn.

Ein Hauch von gestern

Die damalige Beschaulichkeit zwischen K. u. K. Donaumonarchie und Dampflok ist zwar großenteils der modernen Zeit gewichen, aber ein Ausflug aufs Land lohnt immer noch. Denn die Welt von Ziehbrunnen, edlen Pferden, feurigen Reitern in archaischer Tracht und Puszta-Romantik wird dankenswerterweise, nicht zuletzt den Touristen zu Liebe, erhalten – und ein Hauch von gestern liegt noch immer über der Szenerie. Die


Reiterspiele - Foto © Frank Becker
ungarischen Veranstalter bieten Touren in die Landschaft südöstlich von Budapest an, so zum Dorf Apaj und dem Gestüt Apajpuszta, die vorbei an farblosen sozialistischen Plattenbauten der Vorstädte und verfallenen alten Wohnhäusern wie mit einem Zeitsprung so unmittelbar in dörfliche Bereiche führen, als gäbe es die Großstadt gar nicht. Der „Trabant“ von Sachsenring Zwickau ist hier noch häufiger als jeder andere Pkw. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein. Das Land ist flach und ziemlich öde, der Blick reicht weit über die versteppte Ebene. „Puszta“ bedeutet „leer, entvölkert“, und in der Tat werden schon nach einer halben Stunde Fahrt die Ortschaften kleiner und rarer. Da wo heute Trockenweiden und Streusiedlungen die Steppe charakterisieren, gab es einst große Wälder, die unter der Türkenherrschaft im 16. und 17. Jahrhundert und später von den Habsburgern hauptsächlich für den Schiffsbau abgeholzt worden sind. Das Land wurde unaufgeforstet der Erosion überlassen. 

Egészégére!

Das Gesicht der Landschaft wandelte sich durch Land- und Wasserwirtschaft, große Teile der Puszta wurden erst im 20. Jahrhundert durch Bewässerung für den Ackerbau erschlossen. Doch als Erbe der stolzen Magyaren und der Reitervölker des Ostens entwickelte sich dauerhaft ein Kultur- und Wirtschaftszweig, für den Ungarn berühmt geworden ist: Zucht und Verkauf der schönen Pferde der Rasse „Furioso Nordstar“, die noch heute in weitgehend frei lebenden Herden das spärliche Gras der Weiten der Puszta mit den landestypischen Graurindern teilen. Wer das Glück hat, von einer  Fremdenführerin wie Barbara Fehér, die übrigens wie viele Ungarn perfekt deutsch spricht, begleitet zu werden, erfährt viel über Geschichte und Traditionen des stolzen Landes. Dabei lernt man auch ein wichtiges Wort: „Egészségére“, das heißt „Prost“ und es wird dem Gast beim Aprikosenschnaps und Salzgebäck zur Begrüßung zugerufen (später beim trockenen ungarischen Landwein auch noch etliche Male).

Doch erst einmal kommt die Hauptsache, eine Attraktion, welche die Schönheit der ungarischen Halb- und Vollblüter und die Eleganz ihrer perfekten Reiter vereinigt: die Vorführung der traditionellen Reiterspiele, bei denen Mirza-Schaffys 34. Spruch seine Bestätigung findet: „Das Paradies der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“. Edel in ihrer Haltung und in absoluter Beherrschung von Tier und Bewegung sitzen die athletischen jungen Männer in der traditionellen Kleidung der „Csikós“, so heißen die Puszta-Hirten, sicher auf den ungesattelten Pferderücken. Weite, lange dunkelblaue Reiterhosen, Hosenröcken nicht unähnlich, über weichen Stiefeln, ebenso weite Blusen, schwarze Westen und die nach oben gestülpten breiten


...auf dem Rücken der Pferde
Foto © Frank Becker
schwarzen Hüte sehen noch heute so malerisch aus wie vor 200 Jahren.

...auf dem Rücken der Pferde

Die temperamentvollen Pferde, keineswegs aus der Abteilung „Streichelzoo“, lassen noch einen Gutteil der natürlichen Wildheit spüren,
die ihren besonderen Charakter ausmacht. Doch sie beugen sich dem Willen ihrer brillanten Reiter, ohne sich zu unterwerfen, bei deren Vorführung von Fuchsjagd und Ritt, stehend auf zwei Pferden, drei weitere am Zügel, den Betrachter respektvolle Bewunderung ergreift. Die Dressur von Pferden, die sich ohne Druck und Zwang wider ihre Natur hinlegen, beim Knall der Peitschen unerschrocken bleiben, der Ritt im gestreckten Galopp und die Geschicklichkeit mit der langen

Foto: © Frank Becker
Lederpeitsche, mit der im Vorbeigaloppieren ein  recht kleines Holzklötzchen getroffen werden muß, hinterlassen bleibende Eindrücke – und ein wenig Neid auf den Besitz dieser Fähigkeiten und die Nähe und Verbundenheit mit Tier und Natur – vor allem aber Dank für das Erlebnis: „Köszönöm!“.

Reiseinformationen bekommt man beim Staatlichen Ungarischen Fremdenverkehrsbüro unter: www.konsulate.de