Schwelgen in Erinnerungen

„Enzyklopädie der deutschen Micky Maus-Hefte“ – hrsg. von Hermann Mencer

von Frank Becker

© Disney / ComicSelection/C. Kuhlewind Verlag
Schwelgen in Erinnerungen
 
Die Micky Maus Enzyklopädie

Am 29. August 1951 begann mit dem deutschen Micky Maus-Heft Nr. 1 eine publizistische Erfolgsgeschichte ohnegleichen. Für 75 Pfennige (ein Preis, der übrigens bis Ende 1961, also mehr als zehn Jahre lang stabil blieb!) gab es von diesem Tag an am Kiosk allmonatlich ein Comic-Heft, das Kinder und Erwachsene gleichermaßen amüsierte und pädagogisch durchaus wertvoll unterhielt. Als klein(st)er Zeitzeuge war ich damals zwar noch nicht des Lesens, wohl aber des Schauens fähig, und so mußte meine große Schwester mir die Geschichten von Donald Duck und seinen Neffen Tick, Trick und Track, deren reichem Onkel Dagobert und seinen emsigen Feinden, den Panzerknackern, von Ede Wolf, seinem Sohn Wölfchen, den drei kleinen Schweinchen und dem ruppigen Gevatter Bär, von Klein Adlerauge, dem verrückten, aber genialen Erfinder Daniel Düsentrieb und seinem Helferlein, von Oma Duck und Franz Gans, Klarabella, Rudi Ross und Glückspilz Gustav Gans - und von der schlauen Maus Micky, dem dusselig-gutmütigen Goofy und dem klugen und treuen Hund Pluto, Kater Karlo und seinen Spießgesellen, Klein Adlerauge oder Dumbo vorlesen. Das geschah oft auf dem Rücksitz des Brezel-Käfers, in dem unser Vater uns damals auf seinen Vertreter-Touren durch ganz Hessen mitnahm, während unsere Mutter in der Redaktion der „Offenbach-Post“ das karge Familien-Aufkommen verbesserte. Da waren 75 Pfennige für ein „Heftchen“ sehr viel Geld, aber erstaunlicherweise wurde es für das Micky Maus-Heft ausgegeben - oder sollte man besser sagen: angelegt?
 
Die Hefte wurden bis zum völligen Zerfall  - Hermann Mencer berichtet davon - wieder und wieder gelesen – ab 1956 gab es alle 14 Tage eins, noch später und bis heute wöchentlich. Als in den frühen 60ern - na klar, wir waren unseren Heftchen und Helden treu geblieben und nutzten mittlerweile unser schmales Taschengeld, wenn nicht die Oma als Finanzier einsprang - in der Mitte der Hefte ein informativer Teil mit Artikeln zu Wissen, Technik und Unterhaltung aus allerlei Bereichen auftauchte, verschlangen wir den ebenso begeistert. Mit Eifer wurden die Sammel-Schnipps für den MM-Klub ausgeschnitten und an den Verlag geschickt, damit am Fahrrad der Klub-Wimpel (20 Schnipps für den Wimpel, 50 für die Fahne) flattern konnte und man dazu gehörte. Na ja, wer wirklich „dazu“ gehörte, der hatte gleichzeitig auch den Wimpel vom „Sternchen“ dran, denn das verschlangen wir mit der gleichen Begeisterung.
In Heft 31/1972 gab es übrigens als Beilage nochmal einen Papierwimpel zum Ausschneiden, aber der hielt natürlich nicht lange.


© Disney

Wer sich einen bisher nicht zugänglichen, ebenso vollständigen wie kompakten Überblick über die Erscheinungsgeschichte der vom dänischen Egmont Verlag durch seinen deutschen Ableger Ehapa in Stuttgart herausgegebenen Micky Maus-Hefte in Deutschland verschaffen möchte, hat ab sofort durch eine einzigartige Edition die unbestreitbar beste Gelegenheit dazu. Eine berückend schöne Edition des ComicSelection/C. Kuhlewind Verlages, deren erster Band jetzt vorliegt, läßt diese goldenen Comic-Zeiten wieder aufleben – zum Erinnern für die, die damals dabei waren wie der Herausgeber Hermann Mencer und zum faszinierenden Kennenlernen für alle, die sich in der 66jährigen Geschichte des deutschen Micky Maus-Heftes dessen treuer Leserschaft angeschlossen haben. Es ist die „Enzyklopädie der deutschen Micky Maus-Hefte“, deren erster Band soeben erschienen ist. Eine Liebhaber-Edition, die in limitierter Auflage von 500 Stück Pro Band auf den Markt kommt – und ein wahres Fest für Comic-Freunde und für Sammler und Chronisten eine großartige Quelle.
Was also bietet die atemberaubend schön gemachte Edition – hier am Beispiel von Band 1 -? Sie zeigt im ersten Teil auf schwerem Kunstdruckpapier in den Original-Farben und in Original-Größe sowie in brillanter Wiedergabe alle Titelseiten und sämtliche dazugehörigen Heft-Rückseiten der monatlichen Micky Maus-Hefte von 1951-1955. Chronologisch dazwischen eingerückt finden in gleicher Form sich auch sämtliche Sonderhefte, von „Cinderella“ (Nr. 1) bis „Donald Duck und die Weihnachtsbäume“ (Nr. 33). Kurz aber prägnant vom Herausgeber kommentiert, bekommt der Leser wichtige Informationen über Zeitkolorit, Zeichner und Heftinhalt.


© Disney
 
Teil 2 des ersten Bandes zeigt in Auszügen, wiederum in Original-Größe und –Farben Heftinhalte in Form von One-Pagern oder Anfängen von Geschichten. Gleichzeitig werden die wichtigsten Charaktere im Bild vorgestellt und kommentiert.
Die Figuren und Geschichten wurden nicht zuletzt dank der deutschen Chefredaktion der Germanistin Dr. Erika Fuchs (1906-2005), der die kongenialen (oft besseren) deutschen Texte der Sprechblasen zu den grandiosen Zeichnungen von Carl Barks (1901-2000), Floyd Gottfredson (1905-1986), Vicar (1934-2012), Al Taliaferro (1905-1969) u.a. gelangen, unverzichtbarer Teil mancher Kindheit.
Maßgebliches Standardwerk und unverzichtbarer Teil einer Micky Maus-Bibliothek wird für den begeisterten Sammler künftig jedenfalls die „Enzyklopädie der deutschen Micky Maus-Hefte“ sein. Idee und Ausführung verdienen unsere Auszeichnung, den Musenkuß! Zugleich unser Buch des Monats.

„Enzyklopädie der deutschen Micky Maus-Hefte“ – hrsg. von Hermann Mencer
Band 1 (1951-1955)
© 2017 Disney / ComicSelection/C. Kuhlewind Verlag, 320 farbige Seiten, gebunden, 24,5 x 34 cm, Inhaltsverzeichnisse – ISBN 978-3-9817305-5-5
79,- €, dazu kommen 6,99 € Versandkosten.
Weitere Informationen: www.comicselection.de