Wolfgang Schneiderhan

Vor 15 Jahren starb der Violinvirtuose

von Konrad Beikircher

Konrad Beikircher - Foto © Frank Becker
Wolfgang Schneiderhan
 
Heute vor 15 Jahren ist Wolfgang Schneiderhan gestorben. Er war mein geigerisches Ur-Erlebnis: seine Einspielung des Beethoven Violinkonzerts mit den Berliner Philharmonikern und Eugen Jochum hat mich damals absolut umgehauen. Ich kam nicht mehr los von unserer Graetz-Musiktruhe, immer und immer wieder hörte ich mir den legendären Aufgang an, mit dem die Geige einsetzt, so eine Ruhe, so ein wunderbares Ebenmaß, so eine Tiefe und einfach so eine Schönheit hatte ich noch nie gehört. Und habe ich bis heute nur selten gehört. Diese Einspielung ist für mich eine, für die ich jeden Heifetz etc. liegen lasse. Warum? Weil da offensichtlich alles, was zu einem guten Konzert gehört, zusammenkam: ein Orchester, das in Ruhe eines der schönsten Konzerte der Menschheit zelebriert, ein Dirigent, der den ganzen Haufen wundervoll zusammenhält, so, daß alle wie aus einem Geiste miteinander musizieren, und ein Wolfgang Schneiderhan, der in keiner Sekunde, aber auch wirklich in keiner Sekunde sich in den Vordergrund drängt, so à la:
„Seht her, ICH, Wolfgang Schneiderhan, zeige euch, wie man ein Konzert zu spielen hat, welches? das Beethovensche? Ah so, egal, ICH kann alles, ich kann auch Beethoven!“, - nein, keine Lang Lang Attitüde, kein sich brüsten, nein, gar nichts: Schneiderhan stellt sich bei jedem Ton in den Dienst Beethovens und das gibt dieser Aufnahme eine Größe, die immer noch ihresgleichen sucht. Ich bin sicher, als er in den Musikerhimmel kam und seine Frau Irmgard Seefried umarmte, da stand er schon, unser sperriger Ludwig van Beethoven und hat ihm wahrscheinlich das höchste rheinische Lob gespendet: „Dat hässe jot jemaat, Jung!“.
Ich habe Wolfgang Schneiderhan oft im Konzert erleben dürfen, mit Carl Seemann am Flügel im Bozner Konservatorium, immer war es ein ganz besonderes Fest, ihn hören zu können, weil er diese Haltung jedem Stück gegenüber hatte: Erst kommen die Musik und der Komponist, und dann der Schneiderhan. Auch wenn er nie den Glanz in der allerersten Reihe erleben durfte wie die Isaac Sterns, Yasha Heifetz’s und wie sie alle heißen: er, Wolfgang Schneiderhan, war etwas ganz Besonderes: ein Musiker mit einer großen Seele, die seiner Geige Flügel verlieh. Wir sind viele, die ihm das nie vergessen werden!
 
Wolfgang Schneiderhan war übrigens Schüler von Otokar Sevcik, nach dessen Methode ich auch gelernt habe und ich muß sagen: auch wenn alle Geiger-Welt den Sevcik in den zwölften Kreis der Hölle wünscht und gewünscht hat - ich hab immer Spaß an ihm gehabt. Diese Fingerübungen hatten für mich immer was Meditatives, ich konnte drin versinken, meinen Gedanken freien Lauf lassen und trotzdem Geige üben, wunderbar!
Die Geige übrigens habe ich für mich in Welsberg im Pustertal in Südtirol beim Onkel Arthur entdeckt. Onkel Arthur war der Schwager meines Papas und dort Arzt und er spielte Geige. Darüber hinaus spielte er einmal in Welsberg als Laiendarsteller den Kaiser Franz Josef im „Weißen Rössl am Wolfgangsee“ und das war sensationell. Der kleine Saal, in dem die Operette damals aufgeführt wurde, war gerammelt voll und das Publikum schon vom Darsteller des Sigismund hingerissen, der aussah wie der letzte Haislrackler – Sickergrubenentleerer wäre wohl die richtige Übersetzung –, der aber bei seiner großen Arie „Was kann der Sigismund dafür, daß er so schön ist“ mit angeixten Knien, an die er seine klobigen Hände hielt, von rechts nach links so geschmeidig über die Bühne schrubbte, daß der Moonwalk von Michael Jackson dagegen wie ein Holzschuhtanz wirkte, wofür er auch Applaus auf offener Szene erhielt. Als aber Onkel Arthur auf dem Balkon des Weißen Rössl als Kaiser Franz Josef erschien, war es um die Pustertaler geschehen: Ihnen stockte zunächst der Atem, so ähnlich war Onkel Arthur dem „richtigen“ Kaiser Franz Josef, dann aber schossen ihnen die Tränen in die Augen. Nicht wenigen entrang sich ein Seufzen aus tiefster Brust: „Der Kaiser, naa, naa, der Kaiser!“, und Onkel Arthur genoß diese Wirkung bis in die Zehenspitzen. Unsere Familie war auch begeistert, so viel Talent hätten wir unserem Onkel in diesem Bereich gar nicht zugetraut, der ja schon ein Meister der Geige war.
 
Ich wünsche Ihnen eine angenehme musikalische zweite Maihälfte und bin
in diesem Sinne
 
Ihr
Konrad Beikircher