Bestsellerfressen

„Unsere Besten - Die 100 größten Deutschen“ von Guido Knopp

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Gnade!

„Unsere Besten - Die 100 größten Deutschen“
von Guido Knopp
 
 
Guido Knopp, meine Damen und Herren, und das ZDF, der Sender,

den, wo man besser mit den dritten Zähnen sieht, die beiden hatten vor Jahren eine Superidee: Deutschland sucht den Superdeutschen! Und da der gute Guido aus Erfahrung weiß, daß eine Auszeichnung wie „Der Superdeutsche“ unter Umständen etwas seltsam anmuten könnte, gab man sich porös bis generös und rief gleich zur Wahl der 100 besten superdeutschen Superdeutschen auf. So lief alles seinen deutschen Gang, das Volk rannte wie besengt zum Telefon und schon konnte Dorfschullehrer Guido Knoebbels sein neues Guido-Büchlein mit dem Satz eröffnen:
„Die Nation hat gewählt. Volkes Stimme hat die Frage beant­wortet, wer Deutschlands Beste sind.“
Gut: Es hätt jetzt jeden von uns treffen können! Egal.
Weil aber jede gute Wahl erst durch bißchen Fälscherei und offene Schummelei wirklich interessant wird, befremdet uns der 2. Knoppsche Satz auch nicht wirklich, der Satz, der da lautet:
„Allerdings lag der Redaktionsschluß des Buches einige Tage vor dem Ende der Abstimmungsaktion.“
Und noch was war von vornherein klar: Weil wie bei jedem Verein auch beim Knopp-Verein die beiden obersten Vereinsregeln lauten ‚Wer darf mitmachen?’ und ‚Wen schmeißen wir als ersten raus?’, war „von Anfang an klar, daß in der Nominierungsliste Nazis nichts zu suchen haben.“
Jetzt ist ein Deutschland ohne Nazis naturgemäß ein bißchen dünn besiedelt. Nichtsdestotrotz hat er am Ende dann doch noch irgendwie 100 Superdeutsche zusammen gekriegt, „100 Deutsche, die von uns, den Deutschen, für besonders wichtig – vielleicht gar für unsterblich – gehalten werden.“
Und die 2 besten besten, die’s dann letztlich wurden, hießen „Martin Luther“ (Platz 2) und „Konrad Adenauer“ (Irgendson rheinischer Rosenzuüchter, erster Platz).

Liebe Nation!
Ich weiß jetzt nicht, was dieser Adenauer für unsterbliches Zeugs abgesondert hat – Zeugs, was heute noch aktuell wäre. Von dem 500 Jahre alten Martin Luther aber sind die folgenden, wahrhaft lebendigen Worte überliefert, und zwar – wohlan! – seinerzeit in Bestsellerform:
„Die Papstsau von Rom, Papstesel und Bestie der Erde, ein vermum­meter und leibhaftiger Teuffel, ein Dreck, den der Teuffel in die Kirche geschissen hat, beschissen und ausgeschissen, ein erzpestilenziali­sches Ungetüm und spitalischer, stinkender Madensack.“
Das steht jetzt natürlich nicht bei Guido Knopp in seinem Büchlein!
Hätte uns auch schwer verwundert. Und Guido Knopp, der Riesensack für deutsche Geschichte, fragt im Vorwort:
„Wer bleibt durch charakterliche Stärke, durch Aufrichtigkeit und Mut in Erinnerung?“ Und das Volk antwortet: „Martin Luther!“ Martin Luther, der nicht nur seinen damaligen Papst Leo X., sondern auch alle andern Leos dabei im Auge hatte:
„Rom, eine Behausung der Drachen, voller geizigen Götzen und Meinei­digen, Sodomiten, Mörder und unzähliger Ungeheuer, Rom, das Häupt der verfluchten Kirchen allerärgsten Buben auf Erden, Statthalter des Teuffels und Lehrer aller Lügen, Erzkirchendieb und Hurnwirth aller Hurnwirthe.“
Und Guido sagt:
„Mit den großen Deutschen soll sich ein positives Grundgefühl verbinden.“
Na denn, immerzu! Martin Luther über die Konstanzer Konzilsväter, die ihn so gar nicht leiden mochten: „Alles Säue!“
Und Säue, meine Damen und Herren, waren nicht nur die vermummeten, stinkenden Konzilsmaden, sondern praktisch eigentlich alle: „Bißthump, Stift, Klöster, Hohenschulen mit aller Pfafferei, die Möncherei und Nonnerei, die Messen und die Gottesdienste sind all eitel verdampte Secten des Teuffels.“
Und Guido, der Sektenbeauftragte des ZDF, nennt Luther den großen „Religionserneuerer“.
Nun, bis hierhin war’s ja noch ganz interessant, meine Damen und Herren, aber jetzt wird’s hochinteressant! Denn Martin Luther, der beste Deutsche No 2, hatte nicht nur was für alle Ewigkeiten gegen diese Päpste. Ihm stanken auch die Bauern. Und die Bauern hatten nicht viel zu lachen:
„Ich bin der Meinung: Es ist besser, daß alle Bauern erschlagen werden. Es ist hohe Zeit, daß sie erwürgt werden wie die tollen Hunde.“
Als dann nach diesem seinen Aufruf endlich an die 100.000 Landwirte mausetot, im sog. Deutschen Bauernkrieg gleichsam in ihrem eigenen Feld geblieben waren, erklärt er sich – gewissenhaft und gnadenvoll wie er nun mal war - selbst zum „größten Totschlager aller Zeiten“: „Denn ich hab sie heißen totschlagen. All ihr Blut ist auf meinem Hals.“
Und nicht nur das der Bauern! „Ketzer“ und „Hexen“ kamen für ihn aus demselben Schweineigelstall. Die große Freiheit, die Luther forderte, bezog sich ja nicht auf das irdische Jammertal, sondern auf das himmli­sche. Die Freiheit, die er meinte, war die Freiheit, sich persönlich zwi­schen Hokus und Pokus entscheiden zu dürfen. Ansonsten habe der Christ - und nicht nur der – nur das Recht, „jedes unrecht zu leyden und jedes übel zu dulden.“ Andernfalls: Rübe ab.
Und Guido sprach:
„Mit den großen Deutschen soll sich ein positives Grundge­fühl verbinden. Wer hat den Deutschen ein Vermächtnis hinterlassen? Wer hat Millionen zum Weinen und Lachen gebracht?“
Und damit wären wir bei den Juden. Dazu nur kurz der Sozialphilosoph Karl Jaspers, der aus gutem Grunde irgendwann in die Schweiz verduftet ist und nicht zu Guidos großen Superdeutschen zählt:
„Das ganze Programm steht schon bei Luther. Was Hitler getan, hat Luther geraten, mit Ausnahme der direkten Tötung durch Gaskammern.“ (Aber nur, weil’s die damals einfach noch nicht gab.) Halleluja.

Wat soll’n ma dazu sagen? Schon wieder Koffer packen?
Ach wat! Wer Luther war, weiß doch keine Sau.

Apr. 2004