Getanzte Licht- und Schattenseiten

Toula Limnaios‘ Choreografie „if I was real“ in Münster

von Anne-Kathrin Reif

Szene aus „if I was real“ von Toula Limnaios mit dem Ensemble des TanzTheaterMünster. Foto: © Oliver Berg, Theater Münster

Getanzte Licht- und Schattenseiten

Toula Limnaios‘ Choreografie „if I was real“ in Münster

Es gibt keine Liebe zum Leben ohne Verzweiflung am Leben.
(Albert Camus)
 
Die in Berlin lebende Choreografin Toula Limnaios hat das ursprünglich für ihre eigene Compagnie geschaffene Stück „if I was real“ mit dem Ensemble des TanzTheaterMünster in einer überarbeiteten Version neu einstudiert. Am 29. April war die Premiere, Vorstellungen laufen bis Anfang Juli. Warum das dringend noch in die Camus-Programmschau gehört? Ganz einfach: Toula Limnaios hat sich für dieses Stück von Albert Camus‘ literarischen Essays der Sammlung Licht und Schatten anregen lassen. Nach ihrer Choreografie „every single day“ aus dem Jahr 2013, die sich mit dem Mythos von Sisyphos auseinandersetzt, ist es bereits ihre zweite von Camus inspirierte Choreografie.
Und die paßt offensichtlich ganz wunderbar zum aktuellen Spielzeit-Thema des TanzTheaterMünster, denn das setzt sich „mit den Licht- und Schattenseiten der menschlichen Existenz“ auseinander, wie der künstlerische Leiter, Hans Henning Paar, auf der Webseite des Thwaters schreibt. „Was bedeutet diese Gegensätzlichkeit für unser Dasein, wie gehen wir damit um? Wie sehr prägen Rituale unseren Alltag und inwiefern sind sie existenziell für unser Leben? Und wann verkehren sich die Wirkungen von Ritualen ins Destruktive?“
Toula Limnaios hat sich mit ihrem Ensemble diesen Fragestellungen choreografisch und tänzerisch gestellt. Dabei benutzt sie Camus‘ Essays nicht als „Vorlage“ in dem Sinn, daß hier in irgendeiner Weise Text (oder auch nur Textfragmente) bebildert würden. Vielmehr geht es um eine existenzielle Atmosphäre, um das Spannungsfeld, dem der Mensch bei Camus stets ausgesetzt ist: „Es gibt keine Liebe zum Leben ohne Verzweiflung am Leben.“
„Die Schatten stehen für die Angst vor der Fremdheit, das Schweigen der Welt und den offensichtlichen Mangel an Kontrolle über das, was die Welt ist. Das Licht symbolisiert die Schönheit, die Liebe zum Leben und die Annahme dieser unverständlichen Welt. Ein Spannungsfeld, in dem das menschliche Leben als fundamental absurd, aber dennoch lebenswert, sogar glücklich, verstanden wird. „if I was real“ reflektiert Paradoxien und Mehrdeutigkeiten“, heißt es in der Information zum Stück.
Das klingt ein wenig abstrakt, gleichwohl handelt es sich um ein sehr intensives, sinnliches Stück Tanztheater – als solches ist es mir jedenfalls aus einer Aufführung mit der eigenen Compagnie cie.toula limnaios in Berlin 2013 in Erinnerung. Dummerweise hatte ich seinerzeit keine Gelegenheit, zeitnah darüber zu schreiben. Eine versäumte Gelegenheit – vielleicht klappt es ja dieses Mal in Münster… aber, ach! Ich will es lieber nicht beschwören, die Zeit rennt einfach immer viel zu schnell dahin…
 
if I was real. Tanzabend von Toula Linmaios. Neueinstudierung mit dem Ensemble des TanzTheaterMünster. Dauer: 60 Minuten ohne Pause. Die nächsten Vorstellungen:  29. Juni, 7. Juli, jeweils 19.30 Uhr. Informationenund Tickets: www.theater-muenster.com
 
Publiziert am 14. Mai 2016 von Anne-Kathrin Reif in „365 Tage Camus“

Redaktion: Frank Becker