Brutal - und unerhört spannend

„Erlösung“ (nach Jussi Adler Olsen) von Hans Petter Moland

von Renate Wagner

Erlösung
(Flaskepost fra P. - Dänemark, Schweden, Norwegen, Deutschland 2016)

Regie: Hans Petter Moland
Mit: Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Pål Sverre Valheim Hagen,
Amanda Collin, Jacob Lohmann u.a.
 
Wir sagen nach wie vor „Schweden-Krimi“, weil die Welle uns mit Mankell (und Wallander) erreicht hat, aber längst sind es alle Skandinavier, die den deutschen Buchmarkt mit ihren eigentümlichen, meist harten, realitätsnahen, oft grausamen Krimis bestücken. Etwa der Däne Jussi Adler Olsen, der den Ermittler Carl Mørck erfunden hat, zuständig für ungelöste Kriminalfälle in Kopenhagen.
Der dritte Roman mit ihm ist nun auch schon (nach Erbarmen, 2013, und Schändung, 2014) der dritte Film mit ihm im Mittelpunkt geworden, und auch „Erlösung“ hat dieselben Darsteller am Polizeirevier. Nur der Regisseur hat gewechselt, was aber für den Zuschauer keinen Unterschied macht.
Da diese „europäischen“ Filme auch EU-Koproduktionen sind, hat fast ganz Skandinavien und Deutschland gemeinsam produziert, aber daß Teile des Films in Hamburg gedreht wurden, ist geschickt genug versteckt – man befindet sich in einem düsteren Dänemark.
„Düster“ ist überhaupt das Wort, mit denen man diese Filme beschreiben würde. Immer düster gelaunt ist Carl Mørck in Gestalt von Nikolaj Lie Kaas, menschlicher und lockerer ist sein Kollege Assad, gespielt von Fares Fares (Schwede mit libanesischen Vorfahren). Da es in diesem Film auch um Religion geht – vielmehr um den Mißbrauch religiöser Bedürfnisse der Menschen durch Sekten -, gibt es zwischen dem Agnostiker Mørck und dem Moslem Assad auch einige, wenn auch eher undramatische Auseinandersetzungen, die dem Publikum – nicht allzu penetrant – verschiedene Standpunkte darlegen: Weil Glauben mißbraucht wird, ist Glaube an sich nicht grundsätzlich schlecht.
 
Es beginnt, wie der dem Film zugrunde liegende Roman im Original heißt, mit einer Flaschenpost: Jahre alt, ein nie wirklich gelöstes Rätsel, aber offenbar der Hilfeschrei eines Kindes. Verschwundene Kinder gab es einige in den letzten Jahren, darum werden die Polizisten hellhörig, als man ihnen die Beobachtung berichtet, daß offenbar Kinder in ein Auto gezerrt wurden. Die ausfindig gemachten Eltern, die die Polizisten erst gar nicht bei der Türe hereinlassen wollen, erklären, ihre Kinder seien in Schweden bei Verwandten.
Das Bauernpaar Elias (Jacob Lohmann) und Rakel (Amanda Collin), er völlig abgeschottet, sie in Angst um die Kinder eher bereit, sich zu öffnen, führen nun den Zuschauer die Welt eines Sektenwesens, das mit brutaler Seelentyrannei über seine Mitglieder wacht. Details (und Namen) erfährt man nicht, es geht um das Grundsatzproblem.
Den Täter lernt man bald kennen – der blonde Schönling, der sich als Missionar ausgibt, ist der hinreißende Norweger Pål Sverre Valheim Hagen – als Thor Heyerdahl in dem „Kon Tiki“-Film war er viel sympathischer… Was ihn treibt, Kinder zu entführen, in einem Bootshaus zu quälen und dann zu töten, wird in Rückblenden in eine eigene tragische Biographie einigermaßen geklärt. Warum er sich als „Teufel“ versteht und sich auf ein privates Duell mit Carl Mørck einläßt, den er in eine Falle lockt… das ist vielleicht zu sehr „Kino“ in einem Film, der sonst so hart an der Alltagsrealität bleibt.
 
Der neue Regisseur, der Norweger Hans Petter Moland, bleibt im Stil der Vorgänger-Filme, und das bedeutet, daß sie nicht nur wirklich spannend sind (etwa die Szene, wo der Täter eine ganze Polizeicrew austrickst, die ihn bei der Übergabe des Lösegelds für die entführten Kinder fassen will), sondern auch überaus brutal: Die Ermordung des Vaters der Kinder mit Hilfe einer Schere wird so nachdrücklich präsentiert, daß man sich vor Entsetzen im Kinosessel windet… Da weicht die „Krimi-Unterhaltung“, die es bei aller Düsternis ja doch noch sein soll, kurzzeitig dem real empfundenen Schock, wie grausam Menschen sein können.
 
 
Renate Wagner