Dieselbe Dame

von Joachim Klinger

                                     © Joachim Klinger
Dieselbe Dame

Ringelnatz und Morgenstern
schlendern durch die Hafengassen.
Eine Frau sieht sie von fern
und taxiert sie als zwei Herrn,
die sich rasch verführen lassen.
So zeigt sie ihr schönstes Lächeln,
hält ihr blondes Köpfchen schief.
Morgenstern fängt an zu schwächeln,
Will mit einem Geldschein fächeln.
Ringelnatz, der atmet tief.
Letztes Jahr nach später Landung
zog sie ihn ins Kissental,
ungestüm wie eine Brandung,
eine Perle mit Umrandung,
sagen wir aus bestem Stahl.
O, sie war ein As im Bett,
und er zahlte gern den Sold.
Sie entließ ihn rasch kokett.
Später dann auf dem Klosett
fehlte ihm die Uhr aus Gold.
„Dieser Herr ist Graf und Pole“,
Ringelnatz sprach mit Bravour,
„glaub mir, daß ich dich versohle
nimmst du ihm die letzte Kohle,
und zum Schluß noch seine Uhr.“
Morgenstern ist schnell entschwunden
Ringelnatz betrank sich nur,
leckend seines Lebens Wunden.
Morgenstern hat ihn gefunden,
zeigte ihm die gold'ne Uhr.
Kichernd sprach er: „Alter, denk!
Dies gab sie mir als Geschenk.“
 
Joachim Klinger