Jede Liebe ist gleich

„Freeheld“ von Peter Sollett

von Renate Wagner

Freeheld – Jede Liebe ist gleich
(Freeheld - USA 2015)

Regie:  Peter Sollett
Mit: Julianne Moore, Ellen Page, Steve Carell u.a.
 
Mittlerweile sind gleichgeschlechtliche Ehen oder zumindest Partnerschaften mit gesetzlicher Gleichstellung der Beteiligten in vielen Teilen der Welt üblich. Der Kampf ist noch nicht im letzten Detail, aber grundsätzlich gewonnen. Da besteht dann immer wieder das Bedürfnis, jenen „Pionieren“, die unter großen persönlichen Opfern geholfen haben, diese Schlachten zu schlagen, ein Denkmal zu setzen.
„Freeheld“ erzählt eine wahre Geschichte, jene Laurel Hester, die von Julianne Moore verkörpert wird, hat es wirklich gegeben: eine lesbische Polizistin in New Jersey, die 2005 an Lungenkrebs starb. Davor hatte sie noch in einem Aufsehen erregenden Prozeß durchgesetzt, daß ihre Lebensgefährtin Stacie Andree vom Staat als Hinterbliebene jene Pension zugesagt bekam, die jede Ehefrau erhalten hätte. Drei Jahre nach Laurel Hesters Tod kam der Dokumentarfilm „Freeheld“ heraus, der diesen Kampf schilderte, und seither bemühte sich die junge Schauspielerin Ellen Page, selbst bekennende Lesbe, dieses Thema auf die Leinwand zu bringen. Nun ist es gelungen.
 
Am Anfang ist es eine Liebesgeschichte, wie sie heutzutage nicht mehr ungewöhnlich ist. Julianne Moore sieht mit hinreißender Lockenpracht so toll aus, daß man meint, die Männer müßten sie nur so umschwärmen. Und daß sie eine echt harte Polizistin ist, erlebt man auch. Wo wäre das Problem? Nun, daß Laurel Hester eben den Avancen einer jungen, maskulinen Mechanikerin, die sie so unverfroren „anmacht“, wie jeder Mann es täte, nachgibt: Ellen Page als Stacie Andree zeichnet das Porträt einer Frau, für die ihr Lesbentum absolut selbstverständlich ist.
Vor zehn Jahren in Ocean County, New Jersey (eine halbe Million Einwohner, davon 93 Prozent weiß, die Struktur konservativ) war eine solche Beziehung für eine Polizistin gar nicht so einfach. Sich schrittweise auch nach außen hin dazu zu bekennen, statt sich (wie es jahrzehntelang üblich war) zu verstecken  – das wäre schon genug für einen ganzen Film, diesen nicht einfachen Emanzipationsprozeß nachzuzeichnen.
Aber die reale Laurel Hester, die mit der Stacie Andree ein Haus einrichtete und mit ihr ehegleich zusammen lebte, erkrankte an Lungenkrebs: Für Julianne Moore die schaurige Möglichkeit, den Verfall einer strahlend schönen Frau zu zeigen, die am Ende kahlköpfig, im Rollstuhl, nur noch ein erbarmungswürdiges Bündel Mensch vor dem Absterben, vor Gericht um das Recht ihrer Freundin kämpft, als ihre Frau anerkennt zu werden… (Da geht sie noch viel weiter als in dem Film „Still Alice“, der ihr 2015 für ihr Porträt einer Alzheimer-Erkrankten den „Oscar“ eingetragen hat.)
 
Der Film von Regisseur Peter Sollett blättert nun nicht nur die Sturheit der Behörden (in Gestalt von stockigen Männern) auf, nicht nur die Macht der Medien, die aus allem eine penetrant-kreischende Sensation machen (dafür ist Steve Carell als exzessiver Gay-Rights-Aktivist der ideale Darsteller), sondern leider auch die volle Sentimentalität der Geschichte. So daß man weit eher fast peinlich penetrant aufgefordert wird, die Taschentücher zu zücken, als auf als auf das Problem zurück geworfen zu werden, um das es ja eigentlich geht.
 
 
Renate Wagner