Bläßliche Wischmop-Story

„Joy“ von David O. Russell

von Renate Wagner

Joy
(USA 2015) 

Regie: David O. Russell
Mit: Jennifer Lawrence, Robert De Niro, Bradley Cooper, Isabella Rossellini, Édgar Ramírez, Diane Ladd  u.a.
 
Selten kam der amerikanische Traum glanzloser, fast lächerlicher auf den Kinobesucher zu als hier, wenngleich es vielleicht origineller ist, mit einem Küchenmop ein Vermögen zu machen als an der Wallstreet. Aber es ist mühselig und unendlich repetitiv, bis man Joy Mangano bei ihrem Erfolg angelangt sieht – und dann geht es zur großen Dame und Konzernchefin hinter dem Schreibtisch wieder so schnell, daß man es nicht für möglich hält. Das ganze Unternehmen von Regisseur David O. Russell wackelt schon in der Dramaturgie.
 
Es gab, nein, es gibt diese Joy Mangano wirklich, die Dame ist noch keine 60, und wenn man sich ihre Fotos im Internet ansieht, dann ist sie auf die blond-amerikanische Art hübsch, wie sie im Film dargestellt wird. Wobei an ihrer Erfolgsstory vor allem jene Szenen interessant sind, die ihre Herkunft schildern – das ist nämlich die Welt, die man „White Trash“ nennt, jene Unterschicht, die immer am Rande der Armut balanciert, den schlichten Arbeiten nachgeht und die Erfüllung des Lebens darin sieht, Fernsehserien mitzubeten (weil es dort natürlich schöner zugeht als im eigenen Leben). Eine Mutter, die sich nur in ihrem Zimmer einschließt und bedienen läßt, ein Vater, der alle Unternehmungen in den Sand setzt und dabei ganz fröhlich und selbstzufrieden ist, ein Ehemann, der sich als Pop-Star sieht und das im Keller „übt“ – diese Joy, selbst Mutter von drei kleinen Kindern, trägt die Verantwortung für alle Unfähigen in ihrer Familie auf ihrer Schulter.
Das ergäbe eine schmalzige Sozial-Studie, wenn sie nicht seit ihrer frühesten Jugend das Talent besessen hätte, etwas zu basteln und sich neue Dinge auszudenken. Dann schuf sie, was später „Miracle Mop“ heißen sollte. So, wie man es im Film erklärt bekommt, begreift man als Hausfrau nicht ganz, wie es geht, aber offenbar hat sie einen Mop konstruiert, dessen nassen, dreckigen Wollteil man nicht mit den Händen auswringen mußte…
Vielleicht ging im Leben nicht alles so spektakulär schief und dann wieder glatt wie im Film gezeigt, jedenfalls hat Joy ihren Weg in die Shopping Kanäle des Fernsehens gefunden und dort ihre Millionen gemacht, wozu (in Wikipedia nachzulesen, im Film erfährt man es nicht) auch noch an die hundert weitere Patente beigetragen haben, Erfindungen, die den Alltag simplifizieren. Und von den Problemen des Alltags verstand sie ja etwas, schon von ihrer Herkunft her.
 
Regisseur David O. Russell muß eine besondere Vorliebe für Jennifer Lawrence hegen, die beiden haben schon „Silver Linings“ und „American Hustle“ miteinander gedreht. Die überbeanspruchte junge Frau ist die reizloseste Rolle bisher, und die Nebenfiguren stecken Jennifer da mühelos in die Tasche, vor allem Robert De Niro als ihr herrlich nichtsnutziger Vater und ebenso Isabella Rossellini als die reiche, geldbewußte Witwe, die er privat an Land zieht. An den Unternehmungen der Tochter beteiligt man sich nur, wenn das Geld wirklich keinem Risiko ausgesetzt ist.
Wenn Bradley Cooper mit seinem All-American-Boy-Lächeln auftritt und Joy in seinem Fernsehsender die Chance gibt, ihren Mopp anzubieten (was beim ersten Mal total schief geht), dann erwartet man natürlich eine Romanze, aber für so etwas hat Joy (mit dem nichtsnutzigen Ex-Gatten Édgar Ramírez, am Hals) gar keine Zeit. Interessante Studien bieten Virginia Madsen als Joys Mutter, in ihrem rosa Zimmer, gebannt am Fernsehschirm hängend, und Diane Ladd als Großmutter, die von Anfang an viele Hoffnungen auf die Enkelin setzt – beide die blond gefärbten amerikanischen Kunstfiguren, die sich aus den fünfziger Jahren noch über Jahrzehnte in den Alltag gerettet haben (und gelegentlich noch heute zu finden sind). Die Oma ist übrigens die Erzählerin aus dem Off, und sie plaudert auch noch weiter, als sie schon tot ist – macht nichts, darauf kommt es nicht an.
Im Grunde ist „Joy“ die glatte Erfolgsstory, die sich rauh gibt, und die Tatsache, daß vieles daran „echt“ sein mag, ändert nichts daran, daß die Wirkung auf der Leinwand bestenfalls bläßlich bleibt.
 
Renate Wagner